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Die unterschätzte ökologische Schattenseite von KI

Künstliche Intelligenz frisst Unmengen an Wasser und Strom. Der Netzwerkbetreiber von Facebook stößt mit einem Bauvorhaben in Spanien daher bereits auf geballten Bürgerprotest

Wolfgang Kaufmann
02.11.2023

Das menschliche Gehirn ist ein Energiefresser sondergleichen. Obwohl es mit seinen durchschnittlich 1400 Gramm lediglich nur um die zwei Prozent des Körpergewichtes ausmacht, verbraucht es ein Fünftel der Energie, die dem Organismus von außen zugeführt wird. Und im Falle der Glucose beansprucht das Gehirn sogar drei Viertel der Gesamtmenge an dem Nährstoff, wobei der Bedarf in Stresssituationen bis auf 95 Prozent hochschnellen kann. Wahrnehmen und Denken sind also Prozesse, die Unmengen an Energie erfordern. Das gilt analog auch für die Künstliche Intelligenz (KI), welche derzeit immer mehr Bereiche unseres Alltags durchdringt.

Der US-amerikanische Softwareriese Microsoft schätzt, dass die Weiterentwicklung und Nutzung der Künstlichen Intelligenz – beispielsweise durch den Einsatz von KI-Sprachmodellen wie ChatGPT – in naher Zukunft zu einer Verdopplung des globalen Stromverbrauchs führen wird, weil immer mehr Rechenleistung nötig ist. Die erste Version von ChatGPT aus dem Jahre 2018 basierte noch auf 117 Millionen Parametern, wohingegen es im Falle von ChatGPT-2 vom Februar 2019 bereits 1,5 Milliarden Parameter waren. Und das aktuelle ChatGPT-3 operiert mit 176 Milliarden Parametern, wobei gemunkelt wird, dass die demnächst folgende Version ChatGPT-4 möglicherweise gar auf 100 Billionen kommt.

Hier ist also noch sehr viel Luft nach oben, obgleich die KI in einem IT-Konzern wie Google schon jetzt so viel Strom verschlingt wie eine Großstadt in den Vereinigten Staaten. Deshalb plant Microsoft inzwischen den Einsatz von kleinen, modularen Kernkraftwerken zur Sicherung des Energiebedarfes des Unternehmens. Hinzu kommt: Neben Strom benötigt die KI gleichzeitig auch massenhaft Wasser, das für die Kühlung der Rechneranlagen erforderlich ist.

Auswirkungen werden schöngeredet
Wie Google in seinem jüngsten Umweltbericht schreibt, lag der Wasserverbrauch des Unternehmens 2022 bei insgesamt 12,7 Milliarden Litern, wobei es sich fast ausschließlich um Trinkwasser handelte. Das war ein Anstieg gegenüber 2021 um ein Fünftel – verursacht zum größten Teil durch den verstärkten Einsatz von KI. Wissenschaftler haben errechnet, dass eine einfache Aufgabenstellung an ChatGPT-3 mit rund 20 Fragen dazu führt, dass die Sprach-KI 500 Milliliter Wasser „trinken“ muss. Außerdem schätzten sie den früheren Wasserverbrauch beim Training von ChatGPT-3 zum Erlangen der Einsatzreife auf 3,5 bis 4,9 Millionen Liter – je nachdem, ob Rechenzentren in den USA oder Ostasien involviert waren.

Das Problem mit dem Wasserbedarf ließe sich erheblich entschärfen, wenn die Anlagen in Regionen mit nicht zu warmem Klima stünden, weil bei Temperaturen unter 25 Grad auch eine Luftkühlung der Rechner möglich wäre. Doch die IT-Konzerne drängen immer wieder in südliche und somit heiße, trockene US-Bundesstaaten wie Arizona, Texas und Utah, weil es dort in Hülle und Fülle billiges Bauland gibt.

Außerdem will Meta Platforms, der Betreiber der sozialen Netzwerke Facebook und Instagram sowie des Nachrichtendienstes WhatsApp, nun auch noch im spanischen Talavera de la Reina auf der Hochebene von Kastilien-La Mancha ein gigantisches neues Rechenzentrum errichten, obwohl dort im Sommer regelmäßig Tagestemperaturen von über 40 Grad und Nachttemperaturen von 25 bis 35 Grad gemessen werden. Außerdem herrscht in der Region bereits jetzt Dürre, was Subventionen in Höhe von 50 Millionen Euro an die lokale Land- und Forstwirtschaft nötig machte.

Aber das Versprechen von Meta, Arbeitsplätze zu schaffen und eine Milliarde Euro zu investieren, bewog die verantwortlichen Politiker, dem Vorhaben zuzustimmen. Nun wird der Konzern etwa 400 Hektar Land versiegeln und künftig um die 250 Megawatt Strom verbrauchen, was rund einem Viertel der Leistung eines Kernkraftwerks entspricht. Gleichzeitig soll der Meta Data Center Campus 665 Millionen Liter Wasser pro Jahr schlucken. Diese Zahl erscheint jedoch wenig realistisch, wie das Beispiel eines deutlich kleineren Microsoft-Rechenzentrums in den klimatisch zudem eher gemäßigten Niederlanden zeigt: Der Betrieb dort verschlang statt der behaupteten zwölf bis 20 Millionen Liter am Ende 84 Millionen, was für große Empörung vor Ort sorgte.

Ähnliches befürchten nun viele Menschen in Talavera de la Reina, die sich unter anderem in der Bürgerinitiative „Tu nube seca mi río“ („Deine Wolke trocknet meinen Fluss aus“, wobei mit „Wolke“ die Datencloud gemeint ist) und den „Ecologistas en acción“ (Umweltschützern in Aktion) zusammengeschlossen haben: Die Angaben von Meta seien irreführend, denn tatsächlich dürfte der Wasserbedarf sehr viel höher als veranschlagt sein. Das belege nicht nur der Fall in Holland – vielmehr würden die IT-Konzerne überall auf der Welt den Ressourcenverbrauch ihrer Rechenzentren zum Tabuthema machen oder mit falschen Zahlen operieren, um die politischen Entscheider zu täuschen.

Die heikle Frage nach dem Nutzen
Wobei sie im Falle von Talavera de la Reina aber offene Türen einrannten, denn der Regionalpräsident Emiliano García-Page von der sozialdemokratischen PSOE erklärte unmissverständlich: „Ich werde nicht zulassen, dass sich auch nur ein einziges Unternehmen aufgrund von Wassermangel nicht in Kastilien-La Mancha niederlassen kann“, woraufhin die PSOE-Bürgermeisterin der Gemeinde, Tita García Élez, assistierte: Es sei „unsinnig“, das Projekt in Frage zu stellen, denn „Wasser ist mehr als genug vorhanden“.

Angesichts dieser Beschwichtigungsversuche werfen Kritiker nun auch die grundsätzliche Frage nach dem Sinn solcher Rechenzentren auf: Sind die dort verarbeiteten beziehungsweise gespeicherten Daten tatsächlich so bedeutsam, dass man dafür knappe natürliche Ressourcen opfern muss? Wo liegt eigentlich der gesellschaftliche Mehrwert von Facebook, Instagram, WhatsApp, ChatGPT sowie all den Clouds von Meta, Google und Co., in denen gigantische Mengen von oftmals höchst banalen Informationen auf unabsehbare Zeit bereitgehalten werden sollen? Wäre es nicht sinnvoller, das Wasser für die Landwirtschaft aufzusparen, weil man Daten bekanntlich nicht essen kann?


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