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Die Vorfahren des großen deutschen Philosophen kamen aus Kantweinen und Memel
Immanuel Kants Großvater Hans lebte die meiste Zeit seines Lebens in Memel und starb dort 1715. Kants Vater Johann Georg wurde 1683 ebenfalls in Memel geboren. Beide waren Sattler. In der Stadt sind heute eine Bibliothek, eine Grundschule, ein Platz und eine Straße nach ihm benannt, auch wenn der Denker den Geburtsort seines Vaters nie besucht hat.
Das Andenken an Immanuel Kant wird auch in Memel immer mehr gepflegt. Vor dem Ukrainekrieg gab es im Grenzgebiet zwischen dem Memel- und dem Königsberger Gebiet das von der EU bezuschusste Projekt „KantoMannia“, das Russen und Litauer näherbringen sollte. Seit Jahren veranstaltet die Lokalhistorikerin und Schriftstellerin Jovita Saulėnienė, die einst auch im Simon-Dach-Haus der Deutschen Minderheit gearbeitet hatte, in Memel eine Kulturerbe-Tour „Die Geschichte der Vorfahren von Immanuel Kant“, die sich großer Beliebtheit erfreut. Der Stadtrundgang im Auftrag der Stadtverwaltung Memel ist ein Projekt der öffentlichen Bibliothek, die seit 2018 den Namen des Königsberger Philosophen trägt.
Aus Anlass des 300. Geburtstages von Immanuel Kant lud auch die Universität Memel zu einer Reihe von Begegnungen und Gesprächen ein, die dieser historischen Figur gewidmet sind. Ort der beiden wichtigsten Veranstaltungen war die bei einem breiten Publikum beliebte Kult-Bar „Herkus Kantas“ in der Nähe der Alten Fähre am Hafen. Auch der Name dieser Kneipe erinnert an Kant. Die erste Veranstaltung vom 18. April von den Philosophen Aldis Gedutis (Universität Memel) und Kęstas Kirtiklis (Universität Wilna) interpretierte die komplexen Theorien Immanuel Kants und aktualisieren sie, um ihre Relevanz für die heutige Welt aufzuzeigen. Die zweite Veranstaltung vom 26. April befasste sich mit der Familie und Herkunft des Philosophen. Die Organisatoren versuchten zu klären, wann und warum Memel mit Kant identifiziert wurde. Die Journalistin Agnė Bukartaitė interviewte Vasilijus Safronovas, Historiker an der Universität Memel, während dieser Veranstaltung. Nach beiden Vorträgen fand in der Bar „Herkus Kantas“, wie fast jeden Tag in diesem Lokal, ein Konzert statt.
Es dauerte bis ins frühe 19. Jahrundert, dass Kants Wurzeln im Memelgebiet entdeckt und erforscht wurden. Vor allem der Ort Kantweinen [Kantvainiai], 24 Kilometer südöstlich von Memel, spielt dabei eine wichtige Rolle. Das Dorf, das zur Gemeinde Prökuls gehört, 500 Meter westlich von Aglohnen [Agluonėnai], wurde erstmals im Jahr 1515 als Kantwain erwähnt. In dem Ort lebte Richard, der Urgroßvater Immanuel Kants. Richard sprach kein Deutsch, ein Übersetzer half ihm, sein Testament zu verfassen.
Von Litauern assimilierte Kuren
Der Historiker Hans Mortensen ist der Meinung, dass es sich bei dieser Sprache um den kurischen Dialekt handelte, denn die alten Kantweiner waren von Litauern assimilierte Kuren. Da litauische Ortsnamen in der Regel mit Personennamen verbunden sind, wird das Dorf Kantvainiai mit Kants Nachnamen in Verbindung gebracht. Der Urgroßvater Richard besaß in Kantweinen ein Gasthaus „Verdenė“ und war Dorfschultheiß. In Rusnė pachtete er 1650 eine Posthalterei in der Nähe des Pfarrhauses. Vielleicht war das der Grund der Berufswahl seines Sohnes und seines Enkels, die Riemenmacher/Sattler wurden. Im 17. Jahrhundert ließen sich hier Schotten nieder, die vor religiöser Verfolgung in ihrer Heimat geflohen waren. Hans Kant, der Großvater des Philosophen, zog 1698 von Kantweinen nach Werden [Verdaine] bei Heydekrug.
Obwohl Kants Vater aus Memel stammte, hat der Philosoph selbst Memel mit Tilsit verwechselt. Diese waren etwa gleich große Städte mit vielen Handwerkern, beide 100 bis 140 Kilometer nördlich von Königsberg gelegen. In einem seiner Briefe an einen Freund vermutete Kant, dass seine Wurzeln schottisch seien. Doch Mortensen sagt, der Philosoph habe sich geirrt: Er sei mit den Schotten nur „verwandt“, weil sie die Pubs seines Urgroßvaters mochten und die beiden Töchter seines Großvaters Schotten geheiratet hatten. Die Behauptungen des Philosophen über seine familiäre Herkunft wurden seit dem 19. Jahrhundert in Frage gestellt, als 1823 die Aufzeichnungen von Kants Mutter veröffentlicht wurden. Die Zweifel wurden durch die Veröffentlichung der Auszüge aus den Büchern der evangelisch-lutherischen Johanniskirche in Memel im Jahr 1881 verstärkt, die der Pfarrer der Johanniskirche in der Stadt Memel über die Eheschließungen, die Geburt, die Taufe und den Tod von Immanuel Kants Großvater, seinem Vater, seinen Onkeln und seinen Schwiegervätern herausgab.
In den Jahren 1899 bis 1903 veröffentlichte der Apotheker und Historiker Johannes Sembritzky die Dokumente der Familie Kant, die in den Archiven der Stadt Memel sowie der Reformierten Kirche Memel aufbewahrt wurden. Ermutigt durch das wachsende Interesse, veröffentlichte der Historiker die gefundenen Quellen zunächst in der Tageszeitung „Memeler Dampfboot“ und dann in der fortlaufenden wissenschaftlichen Publikation „Altpreußische Monatsschrift neue Folge“.
Beim Vergleich der Angaben im Feldbuch und im späteren Katasterbuch stellte Sembritzky im Jahr 1900 fest, dass die Katasternummer des Hauses, das Hans Kant als Mitgift seiner Frau erhalten hatte, 3-5 Thomas Straße lautete. Heute ist es die Kreuzung der Thomas- und der Mėsininkų-Straße, wo archäologische Untersuchungen durchgeführt wurden und ein Hotel geplant ist. Hans Kant besaß noch ein zweites Haus in der Odininkaistraße, beide liegen in der Altstadt. Drei Urgroßeltern und zwei Großelternteile sowie sein Vater waren in der Sattel- und Geschirrmacherei tätig. Pferde waren das wichtigste Fortbewegungsmittel, sodass die Sattlerei sehr gefragt gewesen ist.
Kants Eltern waren Johann Georg (*1683 in Memel; † 1746 in Königsberg) und dessen Ehefrau Anna Regina Kant, geborene Reuter (* 1697 in Königsberg; † 1737 ebenda). Sie hatten 1715 in Königsberg geheiratet. Johann Georg Kant führte das Geschäft der Sattlerei seines Großvaters, Vaters und Schwiegervaters, der aus Nürnberg stammte, in Königsberg weiter. Das Paar hatte neun Kinder. Eines von ihnen wurde der berühmte Philosoph Kant. Mit Johann Abraham Schmidt, Bürger und Kupferschmied, kam auch einer der acht Taufpaten aus Memel.
Mit der Johanniskirche in Memel am engsten verbunden
Sembritzky gibt an, wo der Großvater von Immanuel Kant begraben ist. Er zitiert einen Eintrag in den Kirchenbüchern vom 22. Mai 1715, der besagt, dass Hans Kant vor oder unter der Kirchentür von St. Johannis begraben wurde. Die Kirche wurde zwischen 1947 und 1949 abgerissen. Einige archäologische Untersuchung ergaben, dass die Fundamente unter der Erde verblieben sind und dass die Gräber möglicherweise noch existieren. Trotz des gesetzlichen Schutzes und trotz der Proteste der Öffentlichkeit wurde vor einigen Jahren die Genehmigung für den Bau von Wohnungen auf den Fundamenten der ältesten evangelisch-lutherischen Kirche auf dem Territorium der Republik Litauen erteilt, obwohl es Pläne gibt, sie wieder zu errichten. In den mittlerweile dort neu errichteten Wohnungen erinnert absolut nichts mehr an den Friedhof, der dort lag, und an die Gräber, die noch vorhanden sind und wo auch Immanuel Kants Großvater Hans begraben ist, in der Umgebung der Johanniskirche in der Turgausstraße.
Der große Denker selbst hat sich übrigens wenig um seine Herkunft und Verwandtschaft gekümmert. Er kommunizierte nicht einmal mit seinen engsten Verwandten (abgesehen von geschäftsmäßigen Briefen), obwohl er seinen Bruder und seine Schwestern, wenn nötig, unterstützte. Sein jüngerer Bruder Johann Hendrick Kant wurde Pfarrer und lebte in Alt-Rahden [Vecsaulė], heute Lettland, nahe Bauska, Kurland. Er hatte fünf Kinder und wurde 65 Jahre alt. Die kantische Familie war religiös und gehörte den Pietisten an. Preußen und Königsberg waren Hochburgen des Pietismus.
Rudolf Kraffzick am 16.05.24, 04:29 Uhr
Zu: Urspruenge Kants
Bei den Ortsnamen ist auffaellig, dass der heutige Namen Klaipeda fuer Memel nie erwaehnt wird. Sollte man aber fuer juengere Leser tun und wenigstens auch fuer die Universitaet der Stadt, die es zur deutschen Zeit noch gar nicht gab.
Hingegen wird fuer Russ nur die litaische Bezeichnung angegeben und fuer die litauische Hauptstadt Vilnius die polnische Bezeichnung Wilna. Ein ziemliches Durcheinander.
Kersti Wolnow am 13.05.24, 09:22 Uhr
Wir leben in einer total pietätlosen Zeit, in der alte Bauten abgerissen und Gräber aufgewühlt werden. Nach 15 Jahren war das Grab meiner Oma und nach 30 das meiner Mutter für neue Leichen freigegeben. Ist das der Neomarxismus?
Und wie lange soll der noch dauern? Ewig und kein Ende?