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Die Werte des Ostens

Warum der Westen Europas die östlichen EU-Mitglieder nicht verdammen sollte – sondern vielmehr von ihnen lernen kann

Norbert Kleinwächter
20.05.2022

Während die Bürger vor den Wahlurnen davonlaufen, wie jüngst in NRW mit seinem Rekordtief bei der Wahlbeteiligung, werben die EU-Kommission und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron offen für einen Verfassungskonvent, der die Demokratie völlig aushebeln würde: Sie möchten die europäischen Verträge ändern und die EU zu einem Bundesstaat mit unselbstständigen Bundesländern umbauen – und kassierten in dieser Woche prompt eine Antwort aus 13 der 27 EU-Mitgliedstaaten, darunter fast allen osteuropäischen, die diesen Vorschlag kategorisch zurückweisen. Sie, die vor etwas mehr als 30 Jahren der sowjetischen Fremdbestimmung entkommen sind, wollen keine Union, in der einzelne Nationen nichts mehr zu sagen haben.

Die europäische Ost-West-Debatte ist von einem tiefen Unverständnis geprägt. Der Westen wertet die Menschenrechte als moralisch höchste Instanz und belegt Ungarn und Polen mit Verfahren wegen vermeintlicher Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit. Polen, welches sich 2015 gegen die Aufnahme illegaler Migranten aus Afrika gewehrt hatte, tut sich wiederum zum Erstaunen der Brüsseler Funktionäre als Aufnahmeland für rund 2,5 Millionen ukrainische Flüchtlinge hervor, fordert gar die Aufnahme der Ukraine in die EU und weist zugleich die stetigen Forderungen nach der Abgabe von staatlicher Souveränität genauso zurück wie Macrons Idee, die Abtreibung als europäisches Grundrecht zu definieren. Während die westlichen Regierungen die „europäischen Werte“ an Fragen der Menschenrechte abstecken wollen, orientieren sich die osteuropäischen Regierungen an ihrer Nation und Tradition sowie am Christentum.

Christliche Prägungen

Der Nationalheld Polens ist kein Staatsgründer, Fußballstar oder General – sondern Papst Johannes Paul II., dessen Bildnisse nicht nur in Kirchen hängen, sondern Marktplätze schmücken und in zahlreichen Wohnzimmern einen prominenten Platz einnehmen. Polen hat eine besondere Beziehung zur Kirche. Unter dem Joch des Kommunismus hatte sie sich einen Raum der inneren Freiheit erkämpft. Als es zuvor über einhundert Jahre lang keinen polnischen Staat gab, hatte die Kirche die Identität des Polentums gepflegt. Die im Laufe der Geschichte oft bedrohte polnische Kultur überlebte dank der Kirche und in einem Nexus aus Identität, Tradition und Glaube – dem Nexus, der mit Unterstützung des Papstes die „Solidarność“ gebar und schließlich den Kommunismus zu Fall bringen sollte. Noch heute sind die Polen stolz auf ihre Nation und auf ihre Identität – und diese Identität ist christlich.

Beziehungsweise „illiberal“. Mit diesem Terminus schimpfen die EU-Zentralisten gerne über Polen und Ungarn und vertiefen damit den Graben, dessen Ursache sie verkennen. Geholfen haben derlei Beschimpfungen ohnehin nicht. Im Gegenteil goutieren die Wähler in beiden Ländern den Regierungskurs regelmäßig mit komfortablen Mehrheiten.

Die Identität der Nationen ist jedoch kein Selbstzweck. Vielmehr zeigt die europäische Geschichte, dass der Wettbewerb zwischen den Monarchien und später den Nationen stets ein Motor von Innovationen war. Und dies nicht nur in der Wirtschaft. Weder die Französische Revolution mit ihren bahnbrechenden Ideen für eine moderne Gesellschaft noch das Qualitätssiegel „Made in Germany“ gehen auf die Arbeit von Brüsseler Beamten zurück.

Natürlich ist das Brüssel von heute nicht das Moskau der Sowjetunion. Gleichwohl sind Befürchtungen, die Entwicklung könnte schon bald in diese Richtung führen, nicht gänzlich vom Tisch zu wischen. Mit welchem Recht verurteilen Beamte ohne demokratische Legitimation Mehrheitsentscheidungen frei gewählter nationaler Parlamente? Wen Polen und Ungarn in ihr Land hineinlassen wollen, welche Richter sie wählen und welche Formen der Familie sie fördern, geht nur sie selbst etwas an.

Der demokratische Nationalstaat ist und bleibt die einzige politische Gliederung, der es nachgewiesenermaßen mit Erfolg gelingt, die Interessen ihrer Bürger zu verstehen, aufzugreifen und umzusetzen. Deshalb wird Europa nur als vielfältige Gemeinschaft der Vaterländer wieder auf Erfolgskurs zu bringen sein, deren Grundlage der nationale Rahmen, die jeweils eigenen Traditionen und die Werte des Christentums sind.

Norbert Kleinwächter ist stellvertretender Vorsitzender der AfD-Fraktion im Deutschen Bundestag. Er ist unter anderem Mitglied der deutschen Delegation im Europarat und im EU-Ausschuss.


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Kommentare

Attila Dobó am 22.05.22, 14:30 Uhr

In deutschen Zeitungen liest man selten neutral, deshalb schätze ich die Perußische Allgemeine.
Auch wenn er die Position der Ungarn und Polen nicht vollständig beschreibt, sieht er zumindest den hasserfüllten liberalen Topos beiseite und nimmt die Sache sachlich in den Blick.

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