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Der Wochenrückblick

Die Zeit rast

Wie sie das Bürgertum erst radikalisieren, und wie sie den „Radikalisierten“ dann auf den Pelz rücken

Hans Heckel
22.01.2022

Langsam wird es bizarr. Selbst der „Lockdown-Guru“ Tomas Pueyo aus Frankreich verkündet: „Vorbei! Es ist Zeit, wieder anzufangen, zu leben“ („Game over! It's time to start living again“). Wenn sie Pueyo vergessen haben sollten: Er ist der Schöpfer der Losung „Flatten the Curve“, welche die Marschrichtung der Corona-Politik während der ersten Welle vorgab. Ziel war es, die Ausbreitung in den ersten Monaten hinauszuschieben (die ansteigende Kurve der Fallzahlen also abzuflachen), damit das Gesundheitswesen nicht überlastet wird. Pueyo gab die Parole schon am 10. März 2020 aus, woraufhin ihm der Titel „Lockdown-Guru“ zuflog.

Jetzt sagt der Franzose, dass die Eindämmungsmaßnahmen mittlerweile mehr Schaden als Nutzen verursachten, weil die Pandemie mit und wegen Omikron in etwa einem Monat durch sein dürfte. Und es wird noch besser: Er warnt auch, dass die größte Gefahr in der derzeitigen Schlussphase der Pandemie nicht mehr von Corona ausgehe, sondern von Regierungen, die von Lockdown-artigen Maßnahmen einfach nicht lassen mögen.

Wir fühlen uns angesprochen. Von Deutschland und dem Gebaren unserer Politik muss der „Guru“ gehört haben. Laut DIVI-Zentralregister ist die Zahl der Corona-Fälle auf den Intensivstationen zuletzt auf gut 2600 gefallen (Stand Dienstag). Am 10. Dezember kämpften dort noch mehr als 4900 Patienten um ihr Leben. Sieht doch gut aus, oder? „Halt, stopp!“, rufen die Warner. Omikron habe ja erst angefangen, die Zahlen würden wieder steigen und dann drohe eine „Überlastung des Gesundheitssystems“.

Aha? Was wir nur schwer verstehen: Während diese „Überlastung“ wieder mal dräuend ihr hässliches Haupt erhebt, weil in den Kliniken und Pflegeeinrichtungen sowieso schon akuter Kräftemangel herrscht, fluten Anzeigen von Pflegekräften die Lokalzeitungen, die sich nicht impfen lassen wollen und daher ab Inkrafttreten der Impfpflicht für diesen Berufszweig am 15. März eine neue Stelle suchen müssen – viele intensivmedizinisch geschulte Spezialisten darunter.

Einige Kliniken haben schon zu Jahresbeginn angefangen, ihre ungeimpften Mitarbeiter fristlos an die Luft zu setzen. Also: Es drückt ein (für die Patienten) geradezu lebensgefährlicher Mangel an Klinikpersonal, und trotzdem kann man es sich leisten, zahllose Mitarbeiter rauszuschmeißen? Wer mir das logisch zusammenbauen kann, ohne dabei schamrot zu werden oder vertrottelt auszusehen, der möge vortreten und meine aufrichtige Bewunderung empfangen für seine perfekte Mimikry.

Unsere maßgeblichen Politiker schaffen das, sie mögen nämlich partout „nicht lassen“ von ihren Maßnahmen und gehen sogar immer noch weiter. In Karlsruhe und Pforzheim gilt jetzt eine nächtliche Ausgangssperre für Ungeimpfte. Vor ein paar Wochen wäre jedes „Geraune“ darüber, dass eine solche Maßnahme auch nur geplant sein könnte, als „verschwörungsideologisches Geschwurbel rechter Hetzer“ gebrandmarkt worden. So schnell rast die Zeit.

Haldenwangs Partei-Problem

Wer sich öffentlich weigert, mit ihr mitzurasen, bekommt Probleme. Thomas Haldenwang hat seine Netze weit ausgeworfen und zieht den Kreis derer, die er ins Visier nimmt, immer weiter. Die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ zitiert den Chef des Bundesverfassungsschutzes, Corona sei nur der Aufhänger für die „radikalisierte Szene“: „Ob das jetzt Corona ist oder die Flüchtlingspolitik. Oder auch die Flutkatastrophe: Da hat man teilweise die gleichen Leute gesehen, die versuchen, den Eindruck zu vermitteln, der Staat versage und tue nichts für die Menschen.“ Selbst, wer die Asylpolitik kritisiert oder sich beschwert, dass die staatlichen Stellen bei der Flut im Ahrtal Mist gebaut haben, rückt nun ins Visier des Inlandsgeheimdienstes. Und zwar als „neue Kategorie“ von gefährlichen Subjekten neben Links-, Rechts- und Islam-Extremisten, wie es Haldenwang nennt.

Was den Mann treibt, kann man nur ahnen. In jedem Falle hat der Geheimdienstchef ein Problem: Er ist CDU-Mitglied. Von SPD und Grünen ist bekannt, dass sie alle relevanten Stellen nach ihrer Machtübernahme besonders gründlich von parteifremden Elementen zu säubern pflegen, um die Posten mit ihren eigenen Leuten zu besetzen. Das könnte ihn zu vorauseilendem Übereifer anstiften, um seine Position zu retten.

Jedenfalls segelt der Verfassungsschutzchef perfekt im Trend. Die politisch Verantwortlichen und ihnen gewogene Medien scheinen es regelrecht darauf anzulegen, die bürgerliche Mitte zu radikalisieren, um sie dann als „offensichtlich radikalisiert“ bekämpfen zu können. Im Hamburg wird eine Demo gegen die Impfpflicht einfach mal verboten. Begründet wurde das mit Abstands- oder Maskenpflichten im Freien, obwohl der zuständige Wissenschaftszweig der Aerosolforschung schon zu Anfang der Pandemie festgestellt hatte, dass Ansteckung unter freiem Himmel nahezu unmöglich sei. Regierungsfreundliche „Gegen-Demos“ durften natürlich marschieren. Dass dort jede Menge Linksextremisten mitdemonstrierten, ist weder Politik noch Medien der Erwähnung wert. Wer über all das in Rage gerät und von „Willkür“, ja „Diktatur“ faselt, den nimmt der Verfassungsschutz in seine Sammlung auf.

Wobei solch Gefasel natürlich auch Unsinn ist. Bei uns gilt schließlich weiterhin die Freiheitlich-Demokratische Grundordnung, wie schon in der alten Bundesrepublik. Dort versammelten sich alle demokratischen Kräfte im „antitotalitären Konsens“, der sämtliche rechts- wie linksextremen Versuchungen gleichermaßen ablehnte. Ganz anders in der DDR: Da galt der „antifaschistische Konsens“, für den der Feind ausschließlich rechts stand und der jeden, der sich gegen die Regierung stellte, zum „Faschisten“ oder mindestens zum Handlanger staatsfeindlicher Kräfte stempelte.

Seien Sie vorsichtig, was Sie jetzt sagen – oder auch nur denken! Herr Haldenwang könnte sich für Sie interessieren.

Auf dem Weg zur Bürger-Radikalisierung werden die Schrauben immer fester gezogen. Während die Schweiz den Genesenen-Status gerade von sechs auf zwölf Monate verdoppelt hat, wird er in Deutschland per Handstreich von sechs auf drei Monate halbiert. Das vergrößert die Gruppe der womöglich demnächst Impfpflichtigen gewaltig und damit die Möglichkeit der Radikalisierung weiterer Kreise.

Nun ja, die Impfpflicht: Wir haben ja bereits große Zweifel geäußert, dass die überhaupt kommt. Familienministerin Anne Spiegel von den Grünen will es zunächst lieber mit sanfteren Methoden versuchen: „Von daher setze ich ... auf viele, die sich jetzt vielleicht doch entscheiden lassen, sich impfen zu lassen“, sagte sie dem Deutschlandfunk.

Eine aufschlussreiche Formulierung: Sie setzt darauf, dass sich die Leute „entscheiden lassen“, statt dass die etwa selbst entscheiden. Schöner hat noch keiner sein Ideal vom ferngesteuerten Bürger in Worte gefasst.


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Kommentare

Willi Wilhelm am 01.02.22, 18:58 Uhr

Ich finde es einfach nur furchtbar, von einer "Impfpflicht" zu reden. Allein die Debatte stellt eine unglaubliche psychische Gewalt dar. Der zuständige Minister muss sich zu Recht Vergleiche mit Politikern aus den 30er und 40er Jahren gefallen lassen. Wie viel verdient der denn eigentlich daran, wenn alle ein Impf-Abo haben?
Aber noch läuft zu viel Dummvolk einfach hinterher. Das hat früher auch schon geklappt. Am Ende lag Deutschland in Trümmern.

Im österreichischen Fernsehen (meines Wissens nur auf einem Sender) kann man regelmäßig etwas über Impfschäden hören. Und natürlich über den nicht vorhandenen Umgang damit. Das ganze Thema bringt mich dazu, mich zu übergeben. Ich hoffe, dass der Spuk bald vorbei ist. Unblutig, ohne jedwede Form von Gewalt; seien es Straßenschlachten, Ausschreitungen oder gar eine Impfpflicht.

Annegret Kümpel am 30.01.22, 19:05 Uhr

Die Regierenden wissen um die Mehrheit in der wählenden Bevölkerung, die Stiko, Ethikrat, RKI, EMA etc. vertraut.
Wenn eine kleine Mehrheit mehr sich ihres gesunden Menschenverstandes bedienen würde, sähe die Welt anders aus. Wir sehen es tagtäglich im TV in Sportsendungen, Moderatoren und Sportler mit Masken in freier Natur. Was passiert hier? Wer ist für die Choreographie verantwortlich? Die olympischen Winterspiele in Peking werden hoffentlich viele Menschen zum Nachdenken anregen und den ganzen Wahnsinn offen zu benennen. Hoffentlich!

Jan Kerzel am 24.01.22, 13:13 Uhr

Der Autor mokiert sich etwas über den Eifer des Herrn Haldenwang. Er verkennt leider , dass es sich bei dem Bundesamt und den Landesämtern für Verfassungsschutz um einen gewaltigen Behördenapparat handelt, der , salopp gesprochen, auch Futter braucht. Jede Behörde muss nicht nur ihre Existenz- Notwendigkeit beweisen, sondern sie drängt per se zur Expansion. Wenn es Herrn Haldenwang nun gelingt, neue Zielgruppen zu erschließen, dann ist dies anerkennenswert und ich denke, er wird hierzu auch belobigt werden. Das Land braucht tüchtige Leute.

sitra achra am 22.01.22, 10:41 Uhr

Das Schlimme ist, diese übelriechende Mischpoche fühlt sich überdies noch im Recht und hält sich selbst für göttlich.
Dabei fordern sie noch, dass man sie für ihre Übeltaten an der Demokratie und an der Versiffung der Gesellschaft noch bewundert. Haldenwang ist nur einer dieser nützlichen Idioten, der die geölte Korruptionsmaschine, falsch verstanden als Staat oder Regierung, am Laufen hält. Mehr als ein subalterner Troll ist er nicht, kein Feliks Dserschinski.

Gudrun Muller am 22.01.22, 10:11 Uhr

Das nicht endende blablabla ohne Inhalt sollte verboten werden. Es werden Aerosole in dem Raum geschleudert, die Corona verstreuen?! oder auch nicht?!
Habe noch nichts gehört, was nützlich war.
Regiert und haltet den Mund, bezahlt werdet ihr in jedem Fall.

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