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Wird Deutschland der Verlierer? Deutsche Industrie fürchtet neue EU-Klimapläne
Vor einem Jahr hat die EU-Kommission den ehemaligen EZB-Chef Mario Draghi beauftragt, einen Bericht zur Zukunft der europäischen Wettbewerbsfähigkeit zu erarbeiten. Am 9. September hat Draghi nun in Brüssel seinen 400-seitigen Bericht an Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen übergeben. Draghis Zustandsbeschreibung der Lage der Wirtschaft in der EU ist zunächst einmal alarmierend. Die EU befinde sich erneut im wirtschaftlichen Krisenmodus, sogar im „langsamen Todeskampf“, so Draghis Fazit. Bei Produktivität und Innovationskraft hat der frühere italienische Ministerpräsident eine Lücke bei den EU-Staaten ausgemacht, die sie hinter die USA und China zurückfallen lässt.
In Draghis Bericht heißt es, Europa sei schwach bei neuen Technologien aufgestellt und habe „die durch das Internet ausgelöste digitale Revolution und die damit verbundenen Produktivitätsgewinne weitgehend verpasst“. Zudem spricht er auch die überbordende Bürokratie und den Regelungseifer der EU an. Der Bericht stellt fest: Seit 2019 hat die EU 13.000 Gesetzesakte erlassen, in den USA sind es nur 5000 gewesen. „Wir töten unsere Unternehmen“, so die Warnung des früheren italienischen Ministerpräsidenten. Laut dem Draghi-Papier müssen die Unternehmen in der EU bis zu dreifach höhere Strompreise als ihre Konkurrenten in den USA verkraften. Bei den Erdgaspreisen können sich laut Draghi die US-Firmen fünf- bis sechsfach günstiger versorgen als die Europäer.
Trotz dieser alarmierenden Zustandsbeschreibung der Wirtschaft in den EU-Staaten kann die amtierende Chefin der EU-Kommission, aber auch so manche nationale Regierung mit Draghis Ausarbeitung sehr zufrieden sein. Dieser liefert der neuen EU-Kommission nämlich Argumente für die Forderung nach Aufnahme neuer gemeinsamer Schulden. Draghi hat ein auf 800 Milliarden Euro pro Jahr beziffertes Defizit an Investitionen für Energiewende, Digitalisierung und Verteidigung, ausgemacht.
Wie es in dem Bericht heißt, „wird der private Sektor nicht in der Lage sein, den Löwenanteil dieser Investitionen ohne Unterstützung des öffentlichen Sektors beizutragen“. Gefordert sei damit der Staat und letztendlich der Steuerzahler.
Draghi habe geliefert, was die EU-Kommission bestellt hat, und worauf vor allem Paris und Rom seit langem drängen: „die gemeinsame Finanzierung von Politiken, die bisher in nationaler Verantwortung liegen“, so die Einschätzung der „Wirtschaftswoche“. Tatsächlich kommt auf Italien und Frankreich ein massives Problem zu. Beide Staaten haben ihre Verschuldungsspielräume nahezu ausgereizt. Konkret empfiehlt Draghi die Aufnahme gemeinsamer Schulden der EU, wie dies bereits bei der Finanzierung des Corona-Wiederaufbaufonds geschehen ist.
Dementsprechend fielen einige Reaktionen aus Deutschland aus. Die Vorstellung des Berichts war in Brüssel kaum beendet, da twitterte Bundesfinanzminister Christian Lindner auf „X“ bereits: „Mit einer gemeinsamen EU-Schuldenaufnahme lösen wir keine strukturellen Probleme.“ Gegenüber n-tv ergänzt er: „Das kann kein Masterplan für die Europäische Union sein.“ CDU-Chef Friedrich Merz kündigte ebenfalls an: Er werde alles dagegen tun, dass sich die Europäische Union in eine „Schuldenspirale begibt“.
Rechnen muss die EU-Kommission auch damit, dass sich das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe mit den neuen Schuldenplänen beschäftigt. Dem schuldenfinanzierten Corona-Wiederaufbaufonds hatten die Verfassungsrichter nur unter der Bedingung zugestimmt, dass er einmalig und auch begrenzt bleibt.
Bislang weniger beachtet wurde hierzulande bislang ein weiterer kritischer Punkt des Draghi-Plans: Obwohl der ehemalige Ministerpräsident Italiens ganz offen davon spricht, die Industrie in der EU befinde sich bereits im „langsamen Todeskampf“, will er an der kostentreibenden „Klimaschutzpolitik“ von der Leyens festhalten. Draghi sieht in der Dekarbonisierung sogar das Kernstück der neuen europäischen Industriestrategie. Auch damit bewegt er sich voll auf der bisherigen Linie der EU-Kommissionspräsidentin.
Bereits vor einigen Monaten hatte von der Leyen einen „Clean Industrial Deal“ als Nachfolger ihres „Green Deals“ angekündigt. Das neue Projekt stellt keine Kehrwende dar, wie manche Industrievertreter und auch manche EU-Parlamentarier erhofft hatten. Der „Clean Industrial Deal“ ist die nächste Stufe der Energiewende. Konkretes Ziel ist es nun, die produzierende Wirtschaft zu dekarbonisieren. Das Vorhaben hat das Potential, für weite Teile der deutschen Industrie zum sprichwörtlichen Sargnagel zu werden.
Absehbar ist, dass die hierzulande über Wind- und Solarkraft bereitgestellte „erneuerbare Energie“ auch künftig deutlich teurer sein wird als beispielsweise der in Frankreich erzeugte Atomstrom, den die dortige Industrie nutzen kann, oder aber der Strom aus Wasserkraft in Skandinavien. Die Umsetzung des „Clean Industrial Deal“ kann daher die nächste große Welle von Unternehmensverlagerungen aus Deutschland einleiten.