03.10.2024

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Bernward von Hildesheim

„Dreieiniger Gott, sei deinem Bernward gnädig“

Vor 1000 Jahren starb der kunstsinnige Kaisererzieher, Bischof und Heilige. Manches in Hildesheim erinnert an ihn

Veit-Mario Thiede
28.11.2022

Mit der Stiftung von Bauwerken und Kunstschätzen wollte sich Bischof Bernward von Hildesheim das Himmelreich verdienen – und ist mit ihnen auf Erden in bester Erinnerung geblieben. Der um 960 geborene sächsische Adelige segnete am 20. November 1022 das Zeitliche. Zu seinem Begräbnisort bestimmte der 1194 heiliggesprochene Bischof die von ihm finanzierte Michaeliskirche. Sie und ihre Ausstattung gehören wie der ebenfalls von Bernward reich beschenkte Hildesheimer Dom seit 1985 zum UNESCO-Weltkulturerbe.

Der an der Hildesheimer Domschule ausgebildete Bernward war ab 987 am Hofe Theophanus, der Witwe Kaiser Ottos II., als Urkundenschreiber und Erzieher König Otto III. (980–1002) tätig. Diese Ämter versah er auch nach Theophanus Tod 991. Nun regierte Adelheid, Witwe Kaiser Ottos I., für ihren minderjährigen Enkel Otto III. Auch nach seiner Weihe zum Bischof im Januar 993 stand Bernward als Berater und Teilnehmer an Italienzügen im besten Einvernehmen mit dem 996 zum Kaiser gekrönten Otto III. Ebenso pflegte er zu Ottos Nachfolger Heinrich II., einem Absolventen der Hildesheimer Domschule, gute Beziehungen.

Bernwartstür und Christussäule

Bernwards Lebensbeschreibung verfasste sein ehemaliger Lehrer Thangmar. Er berichtet über seinen gelehrigen Schüler: „Die Malerei aber und die Skulptur und die Kunst in Metallen zu arbeiten und edle Steine zu fassen, und alles, was er nur Feines in dergleichen Künsten ausdenken konnte, ließ er niemals vernachlässigen.“ Auf Thangmars Ausführungen geht die Vermutung zurück, Bischof Bernward habe sich auch selbst handwerklich betätigt: Er „verfertigte Dachziegel nach eigener Erfindung ohne irgendeine Anweisung“. Bei Grabungen am Dom kamen Dachziegel mit der himmelwärts gerichteten Einstempelung „Bernward“ zu Tage. Offenbar wollte er sicherstellen, dass Gott seine fromme Dacheindeckung zur Kenntnis nimmt. Die vom Bischof eingerichteten und beaufsichtigten Werkstätten brachten erlesene Werke wie das im Dommuseum aufbewahrte „Kostbare Bernwards-Evangeliar“ (1015) hervor. Das auf dem Vorderdeckel angebrachte Elfenbeinrelief zeigt Christus zwischen Maria und Johannes dem Täufer. Die lateinische Inschrift auf dem Rahmen lautet: „Dreieiniger Gott, sei deinem Bernward gnädig.“

Die Glanzleistungen Bernwards auf dem Gebiet des Bronzegusses kann man im Dom bewundern. An die fünf Meter hoch sind die im Vorbau des Westwerks angebrachten beiden Flügel der 1015 gegossenen Bernwardstür. Sie sind eine technische Meisterleistung, denn jede entstand in nur einem Gießvorgang. Zusammen bilden die Flügel die älteste mit Figuren geschmückte Bronzetür des Mittelalters. Ihr linker Flügel zeigt in acht Reliefs Schlüsselszenen aus dem Alten Testament. Sie beginnen oben mit Gott, der sich über Adam beugt, um ihn zum Leben zu erwecken.

Humor beweisen der Bischof und seine Bronzegießer mit dem Relief, das auf den Sündenfall folgt. Einer schiebt die Schuld auf den anderen: Gott zeigt auf Adam, der auf Eva, diese auf das sich zu ihren Füßen als kleines Ungeheuer ringelnde Böse. In der untersten Darstellung schwingt Kain die Keule gegen seinen Bruder Abel. Als habe diesen der tödliche Schlag bereits getroffen, stürzt er zu Boden. Die acht Reliefs des rechten Flügels sind der Erlösung gewidmet. Sie beginnen unten mit der Verkündigung an Maria und enden oben mit dem auferstandenen Christus, vor dem sich Maria Magdalena niederwirft. Die fast vier Meter aufragende „Bernwardssäule“ ließ der Bischof vermutlich um die Jahrtausendwende gießen. Ihre spiralförmig aufsteigenden Reliefs zeigen von der Taufe über die Hochzeit zu Kana bis zum Einzug in Jerusalem 28 Szenen aus dem Leben Jesu.

St. Michaeliskirche

Die heute im Südquerhaus des Domes präsentierte Bernwardssäule stand früher in der Michaeliskirche, die Bernward samt Benediktinerkloster ab 1010 erbauen ließ. Wirkungsvoll einfache geometrische Baukörper prägen ihr majestätisches äußeres Erscheinungsbild. In der bis heute katholischen Krypta der seit Einführung der Reformation 1542 evangelisch-lutherischen Michaeliskirche richtete sich Bernward seine Grablege ein. Die Schrägen des Deckels seines Sandsteinsarkophags sind mit neun Engelsbüsten zwischen Flammen geschmückt. Es ist aus dem 11. Jahrhundert kein weiterer Sarkophagdeckel mit figürlichen Darstellungen überliefert. Darüber befindet sich die auf Stützen gelegte Grabplatte. Sie ist mit einem Kreuz versehen. Da es einen Wurzelstock und Blätter aufweist, versinnbildlicht es zugleich den Lebensbaum. Die lateinische Inschrift schließt mit der Bitte: „Gnädiger Friede sei meiner Seele beschieden, und ihr, singt euer Amen.“ Kaiser Wilhelm II. ließ die Bernwardskrypta im Jahre 1906 um ein farbenprächtig glänzendes Mosaik bereichern. Es zeigt die Madonna mit dem Kind, flankiert vom heiligen Bischof Bernward und dem Erzengel Michael.

Die sterblichen Überreste Bernwards aber haben die Michaeliskirche längst verlassen. Sein Kopfreliquiar aus vergoldetem Silber wird im Südquerhaus des Doms in der Nähe der Christussäule präsentiert, während die meisten anderen Bernwards-Reliquien in der katholischen Magdalenenkirche aufbewahrt werden. Sie ruhen in einem Mitte des 18. Jahrhunderts vom Augsburger Silberschmied Wilhelm Rammer angefertigten Reliquiar. Das aus teilweise vergoldetem Silber geschmiedete Werk sieht aus wie ein prunkvolles Totenbett in Miniaturform, auf dem die Figur des heiligen Bernward im bischöflichen Ornat liegt. Ihn umstehen als Totenwache die Erzengel Michael, Gabriel und Raphael sowie die Heiligen Benedikt, Scholastika und Benno von Meißen.


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Kommentare

sitra achra am 01.12.22, 13:26 Uhr

Verglichen mit der vitalen Frühphase des Christentums wirkt die heutige Zeit oberflächlich und blutleer. Außer Profilneurosen und seichtem Geschwätz verfügt die Bischofskonferenz über keine weiteren Fähigkeiten. Ein Herr Bätzing wird niemals in den Heiligenstand versetzt oder aufgrund seiner künstlerischen Ambitionen der Nachwelt in Erinnerung bleiben.
Vielen Dank für diesen wertvollen Artikel!

Chris Benthe am 29.11.22, 04:40 Uhr

Wundervoller Beitrag, vielen Dank. Sich an all das zu erinnern und dessen Bedeutung zu erfassen, macht unsere Identität aus. Daran können wir uns halten. Es ist eine unveränderliche Basis unserer Herkunft. Wenn das mal die geschichtsvergessenen Lehrer unserer Zeit begreifen würden, dann erreichen wir auch wieder unsere Jugend, die doch eigentlich Zukunft sein sollte. Es wird einmal eine Zeit heraufziehen, in der die betrogene Jugend endlich aufsteht sich all das aneignen wird, was man ihr vorenthalten hat.

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