12.12.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden

Der Wochenrückblick

Dumm, aber glücklich

Wie Merkel in der CDU weiterlebt, und wie eindrucksvoll Sarah-Lee Heinrich ihre Sprachfertigkeit belegt

Hans Heckel
23.10.2021

Eine „brutal offene Fehleranalyse“ soll die CDU wieder aus dem Tal ziehen, in das sie nach der verlorenen Wahl immer tiefer abrutscht. Nach den bereits schrecklichen 24 Prozent des 26. September hat das Insa-Institut zuletzt noch klägliche 18,5 Prozent Zustimmung für die Union ermittelt. Aber mit der neuen Brutalität wird bestimmt bald alles wieder besser.
Jetzt kommt schließlich die „Erneuerung“, wie wir vom Deutschlandtag der Jungen Union erfahren haben, wo alle Vorsitz-Anwärter der CDU angetreten waren. Um etwas Neues zu schaffen, muss allerdings erst mal geklärt werden, was denn das Alte sein soll, das raus muss. Bei der CDU wäre das Gesuchte leicht zu finden: die Ära Merkel mit allem, was dran hängt. Doch über Merkel sprach leider keiner so richtig.

Macht nichts, JU-Chef Tilmann Kuban will seine Partei auf alle Fälle „jünger und weiblicher“ machen. Aber was heißt „weiblicher“? Weiblicher als Angela Merkel etwa? Rätselhaft. Mit „jünger“ meinte Kuban vermutlich sich selbst. Überhaupt schien es den Rednern von der CDU-Spitze bei dem Nachwuchstreffen in Münster vor allem darum zu gehen, sich persönlich nach vorne zu schieben, um einen der ganz wenigen gut dotierten Pöstchen zu ergattern, die der CDU nach dem Machtverlust noch bleiben. Da gehört das Gepolter von „Erneuerung“ und „Fehleranalyse“ zum Geschäft.

„Jünger und weiblicher“ erinnert an das schon länger anhaltende Streben der CDU, zur „modernen Großstadtpartei“ zu reifen, weg von dem ganzen konservativen Gerümpel. Genau das war schließlich auch die Marschroute der großen Merkel, und die will man auf keinen Fall verlassen. Die Hamburger CDU, ein Vorreiter beim Modernwerden, brachte es mit ihrem Modernisierungsprozess in den Jahren 2004 bis 2020 von anfangs 47 auf schließlich elf Prozent. Laut der Insa-Umfrage ist man auf Bundesebene den Hamburger Unionsfreunden dicht auf den Fersen.

Dass man inhaltlich gesehen den erfolgreichen Weg weitergehen will, wurde bei dem JU-Treffen noch auf ganz andere Weise hörbar. Ausgerechnet der „konservative“ Friedrich Merz zollte der Ampelkoalition seinen „Respekt“, und Armin Laschet hat dementsprechend festgezurrt, welche Aufgaben sich die Union im Bundestag zu stellen habe: Nämlich „staatstragend“ handeln, der Versuchung des „Populismus“ widerstehen und „die Extreme bekämpfen“. Er hätte auch einfach sagen können: Wir stehen fest an der Seite von Rot-Grün-Gelb und schützen die Regierungskoalition mit aller uns verbliebenen Macht gegen die übrige Opposition. Die AfD wird das mit großer Genugtuung vernommen haben.

Ganz wichtig ist es für die CDU-Oberen, wieder mehr auf die Wähler zu hören, um zu erfahren, was sie wollen. Berlins CDU-Landeschef Kai Wegner gab bereits eine Kostprobe der neuen Volksnähe. Bei Markus Lanz erklärte er, das glänzende Abschneiden der FDP bei den Erstwählern zeige, dass man den Klimaschutz noch viel mehr in den Mittelpunkt der CDU-Programmatik stellen müsse. Auf die Idee, dass die ganz Jungen gerade deshalb eher FDP als Grüne gewählt haben könnten, weil sie die Freiheits- und Wirtschaftsfeindlichkeit der Klimahysteriker kritisch sehen, kam der Berliner nicht. Schade.
Vermutlich holen sich Wegner und die Seinen ihre Erkenntnisse darüber, was die Jugend will, ja auch lieber bei Sarah-Lee Heinrich ab. Die frisch gewählte Sprecherin der Grünen Jugend muss sich gerade einer „eklig-weißen“ Attacke seitens der bekannten Autorin und Literaturkritikerin Elke Heidenreich erwehren.

Wer viel redet, kann auch gut sprechen

Heidenreich warf Heinrich vor, gar nicht sprechen zu können, weil sie keine Wörter und keine Sprache habe, was daran liege, dass sie einer Generation angehöre, die nicht lese. Sarah-Lee weist das düpiert zurück. Nicht lesen? Von wegen: „Zuletzt habe ich die ,Tribute von Panem' gelesen, den neuen Teil“, hält die 20-Jährige im Interview mit der „Zeit“ dagegen. Der erste Teil der „Tribute“-Trilogie erhielt übrigens 2010 beim Deutschen Jugendliteraturpreis den Preis der Jugendjury in der Gruppe der 14- und 15-Jährigen. Ganz große Literatur demnach, jedenfalls für die 14- und 15-jährigen Leser – sowie für 20-jährige Nachwuchspolitikerinnen.

Heidenreichs Urteil, dass sie keine Wörter, keine Sprache habe, weist Sarah-Lee Heinrich ebenfalls voll Unverständnis zurück: Schließlich „engagiere ich mich seit ein paar Jahren politisch“, wendet sie ein. „Und dafür verwende ich eigentlich ziemlich viele Worte.“ Ein Jugendbuch für Teenager als große Literatur und Politikergewäsch in Endlos-Schleife als Beleg dafür, wie virtuos man mit der deutschen Sprache umzugehen weiß – eine wahrlich verblüffende Beweisführung. Elke Heidenreich (und mit ihr so mancher „Zeit“-Leser) wird vor Lachen unter den Tisch gerutscht sein, als sie das gelesen hat.

Als sogenannte Bildungsreformer darangingen, die klassische Bildung Schritt für Schritt aus den Lehrplänen zu tilgen, handelten da immerhin noch Leute, die kannten, was sie zerstörten. Sarah-Lee steht für jene Nachgeborenen, die nicht mal mehr ahnen, was sie alles nicht wissen, und daher von dem festen Glauben erfüllt sind, exzellent im Bilde zu sein. Dumm, aber glücklich – und vor allem beneidenswert selbstbewusst.

Das Lachen über diese strahlend vorgetragene Selbstentlarvung dürfte uns allerdings im Halse stecken bleiben, sobald wir in die Geschichte blicken. Nicht selten waren es gerade solche, von ihrer eigenen Exzellenz überzeugte Hohlköpfe, welche ganze Länder und Weltregionen ins Fiasko geführt haben. Die anderen Höllenöffner rekrutierten sich aus kalten Zynikern oder echten Fanatikern, ob ideologisch oder religiös.

Dass die Fanatiker in der Geschichte manchmal ganz nach vorne kamen, lag nicht selten daran, dass die „Vernünftigen“ die kommende Gefahr ignoriert oder gar aktiv kleingeredet haben. Wie man das macht, haben wir erst jetzt wieder demonstriert bekommen.

Nein, der Fünffachmörder von Kongsberg, jener bislang weithin unbekannten Kleinstaat irgendwo bei Oslo, sei doch kein radikal-islamischer Attentäter, sondern ein verwirrter Einzeltäter. Das sagt die norwegische Polizei, die es nicht nur wissen muss, sondern auch Belege für ihren Ratschluss aufbietet. Es habe sich nämlich bei den Vernehmungen gezeigt, dass sich der Mann gar nicht richtig in der Kultur des Islam auskenne.

Ah ja, so ist das also. Wenn demnächst ein (vermeintlicher?) Neonazi-Attentäter eingefangen wird, sollte man erst mal prüfen, ob er das Horst-Wessel-Lied fehlerfrei vorsingen und die wesentlichen Punkte von „Mein Kampf“ auswendig wiedergeben kann. Wenn nicht, kann es sich nur um einen verwirrten Einzeltäter und keinen politisch motivierten Terroristen gehandelt haben, da sich in den Vernehmungen gezeigt hat, dass sich der Verdächtige nicht richtig in „Kultur“ und Ideologie des Nationalsozialismus auskennt.


Hat Ihnen dieser Artikel gefallen? Dann unterstützen Sie die PAZ gern mit einer

Anerkennungszahlung


Kommentare

sitra achra am 27.10.21, 16:30 Uhr

Es gibt in Schland kein Gleichgewicht der Kräfte. Das führt zur Wahrnehmungsblase und zu fanatischem Sektierertum.
Mit nur einem Flügel ist kein Vorwärtskommen möglich, der Absturz ist vorprogrammiert. Geier Sturzflug eben. Doch der Weg nach unten ist lang und grausam.

Annegret Kümpel am 23.10.21, 17:59 Uhr

"dass die „Vernünftigen“ die kommende Gefahr ignoriert oder gar aktiv kleingeredet haben." Das ist unser größtes Problem!! Wann wachen die "Vernünftigen" endlich auf? Wann kommt der gesunde Menschenverstand wieder zum Einsatz? Selbstständiges Denken verkommt mehr und mehr. Allerdings sehe ich da keinen Silberstreif am Horizont.

Kommentar hinzufügen

Captcha Image

*Pflichtfelder

Da Kommentare manuell freigeschaltet werden müssen, erscheint Ihr Kommentar möglicherweise erst am folgenden Werktag. Sollte der Kommentar nach längerer Zeit nicht erscheinen, laden Sie bitte in Ihrem Browser diese Seite neu!

powered by webEdition CMS