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Als „faulen Kerl und Glücksschwein“ bezeichnete Friedrich der Große den vor 300 Jahren auf Schloss Drogenbos bei Brüssel geborenen ersten Landesherren von Kurpfalz-Bayern
Vor 300 Jahren, am 11. Dezember 1724, wurde Carl Theodor auf dem Schloss Drogenbos bei Brüssel in den Habsburgischen Niederlanden geboren. Schlossherrin war seine Urgroßmutter, die Herzoginwitwe Maria Henrietta von Arenberg geborene del Caretto, Marquise von Grana und Savona, eine Tochter des spanischen Statthalters Otto de Grana. Sein Vater, dessen erster und einziger ehelicher Sohn er war, war Johann Christian von Pfalz-Sulzbach. Dieser entstammte einer unbedeutenden Nebenlinie des Fürstentums Pfalz-Zweibrücken, war Herzog eines kleinen Territoriums von rund 1500 Quadratkilometern, dessen Hauptstadt Sulzbach in der Oberpfalz war. Trotz ihrer zerstreut liegenden Besitztümer entwickelte sich diese Herrscherlinie zu einem der mächtigsten europäischen Fürstenhäuser im 18. Jahrhundert, da ihre Angehörigen in führende Herrscherhäuser einheirateten, und dank ansehnlicher Erbschaften.
Johann Christian hatte 1722 mit der 13-jährigen Maria Anna Henriette Leopoldine de La Tour d'Auvergne eine gute Partie gemacht. Die Großnichte des französischen Heerführers und Marschalls von Frankreich Henri de La Tour d'Auvergne, Vicomte de Turenne, war eine finanziell lukrative Markgräfin in Holland mit namhaften Vorfahren.
Kurz vor ihrem 20. Geburtstag verstarb sie, und Carl Theodor wurde von seiner Urgroßmutter erzogen. Seine Muttersprache war Französisch. Erst mit sechs Jahren lernte er Deutsch. Es folgten Italienisch, Latein und Englisch. Das heißt, dass er für seine Zeit sehr gebildet war. Erzogen wurde er im katholischen Glauben.
1729 starb Carl Theodors im 35. Lebensjahr stehender Onkel Joseph Karl überraschend an „hitzigem Gallenfieber“, wohl Typhus, ohne einen ehelichen Sohn zu hinterlassen. Dessen Nachfolger als Erbprinz von Pfalz-Sulzbach wurde deshalb dessen nächstälterer Bruder, Carl Theodors Vater Johann Christian. Nach der Wittelsbacher Hausunion von 1724 sah es so aus, dass dieser auch Pfalz-Neuburg, Jülich und Berg sowie eines Tages die Kurpfalz erben würde. Das waren höchst unterschiedliche Regionen in den Niederlanden, am Niederrhein, an der Donau und am Oberrhein.
Doch 1733 verstarb Johann Christian und Carl Theodor stellte nun selbst auf dem Heiratsmarkt eine glänzende Partie dar. Um seine Erziehung kümmerte sich nun sein Taufpate, ein entfernter Großonkel, der 1661 geborene Kurfürst Carl III. Philipp von der Pfalz. 1720, mit der Verlegung der Residenz von Heidelberg nach Mannheim, hatte er den Grundstein für das imposante Barockschloss gelegt. Er hatte fünf Töchter, doch keinen legitimen männlichen Erben. Daher bestimmte er den jungen Carl Theodor zu seinem Nachfolger.
Erbe von Carl Philipp von der Pfalz
Bereits im Jahr zuvor hatte ihn Carl Philipp mit dessen ältester Enkelin, der 1721 geborenen Elisabeth Augusta, verlobt. Die Hochzeit zwischen Cousine und Cousin fand im Januar 1742 statt. Da war Carl Theodor 17 Jahre jung.
Kein Jahr später starb der alte Kurfürst. Neuer Regent wurde Carl Theodor. Er und seine Frau lebten im Luxus. Es mangelte ihnen an nichts – abgesehen von gegenseitiger Zuneigung. 19 Jahre nach der Hochzeit kam der ersehnte Stammhalter auf die Welt. Doch er verstarb nach wenigen Stunden. Danach gingen beide ihre eigenen Wege.
Im Sinne der Aufklärung entwickelte sich die Kurpfalz zu einem kulturellen Zentrum am Oberrhein. In diesen Jahren entstanden prachtvolle Barockbauten, Mannheim galt als schönste Stadt Deutschlands. Der Kurfürst, selbst Flötist, schmückte seine Residenz mit einem wahren Musenhof von europäischem Rang. Höchste Bewunderung galt seinen Hofmusikern, die als „Mannheimer Schule“ in die Musikgeschichte eingingen. Gerne wäre Wolfgang Amadeus Mozart hier Hofmusiker geworden, doch der Herrscher lehnte seine Bewerbung ab.
Carl Theodor musste gemäß verschiedener Hausverträge nach dem Tod des kinderlosen Kurfürsten Max III. Joseph von Bayern 1777 nach München übersiedeln und dort die Regentschaft übernehmen. Beim Abschied aus Mannheim meinte er: „Jetzt sind meine guten Tage vorbei.“ Nun war er „Herr der sieben Länder“ (Sulzbach, Bergen op Zoom, Pfalz-Neuburg, Jülich, Berg, Kurpfalz und Bayern). Nicht durch Kriege, sondern durch Erbschaften hatte er sein Territorium vergrößert. Daher soll ihn Friedrich der Große als „faulen Kerl und Glücksschwein“ bezeichnet haben.
Mit der Verlegung seiner Residenz war zwar die pfälzische Kurwürde erloschen, doch der neue Doppelstaat Kurpfalz-Bayern war nun der drittgrößte Länderkomplex innerhalb des Reiches. Für Mannheim bedeutete dieser Machtgewinn das Ende einer jahrzehntelangen Blütezeit. Immerhin bot Carl Theodor seinen Untertanen als Ersatz für die höfischen Veranstaltungen die erste „deutsche Nationalschaubühne“, aus der das heutige Nationaltheater hervorgegangen ist. Der Spielbetrieb begann dort 1777, und im Januar 1782 wurde Friedrich Schillers Drama „Die Räuber“ uraufgeführt.
Carl Theodors Politik war weitgehend geprägt von Neutralität. Er orientierte sich eher an Frankreich als an Österreich. Als im September 1745 in Frankfurt Franz Stephan von Lothringen, der Ehmann Maria Theresias, zum Kaiser gewählt wurde, verweigerte er seine Stimme. Jahre später hielt er sich aus den Kriegen Friedrichs II. heraus.
Über die Kurpfalz hatte Carl Theodor nicht nur geherrscht, er war auch ein Förderer der Wissenschaften, der Kultur, der Wirtschaft und des Sozialwesens. Zu seinen Verdiensten gehört die Gründung der Akademie der Wissenschaften, die vergleichbaren Gründungen in München, Berlin und Paris folgte. Bedeutend war auch Carl Theodors Hofbibliothek, die annähernd 100.000 Bücher umfasste.
Zwischen 1750 bis 1758 erhielt die Bibliothek ein repräsentatives Gebäude an der Stirnseite des östlichen Schlosses. Dass sie unmittelbar gegenüber der Schlosskirche lag, belegt den Stellenwert der Bildung und Wissenschaft unter Carl Theodor, der für diese Einrichtungen sein Schloss erweitern ließ. Das zweitgrößte Barockschloss Europas mit einer Fassadenlänge von 450 Metern beindruckt heute wie damals. Sogar Friedrich der Große rühmte die imposante Architektur und die kostbare Innenausstattung. Für ihn war der Mannheimer Bau gleichranging mit anderen Barockschlössern, „die zwar nicht denen von Athen und Rom vergleichbar sind, aber doch die gotische Baukunst unserer Vorfahren übertreffen“.
Erbe von Max III. Joseph von Bayern
Außerdem entstand unter Carl Theodor die Sammlung antiker Skulpturen, eine Hebammenschule wurde als Folge des frühen Todes seines Sohnes gegründet und die 1755 gegründete Frankenthaler Porzellanmanufaktur wurde ausgebaut. Die hochwertigen Stücke konnten zu ihrer Zeit mit dem „weißen Gold“ aus Meißen und Berlin (KPM) konkurrieren.
Aufgrund dieser Leistungen wundert es nicht, dass seine Untertanen den Wechsel nach München bedauert haben. Ebenso kann es kaum überraschen, dass die Bayern ihn weniger schätzten, hat er doch – erst wenige Jahre Kurfürst in München – beabsichtigt, ganz Bayern gegen die in der Nähe seiner rheinischen Territorien gelegenen Habsburgischen Niederlande mit der Haupt- beziehungsweise Residenzstadt Brüssel zu tauschen. Er hatte auf ein neues mittel- und niederrheinisches Königreich Burgund gehofft, für das ihm der Habsburgerkaiser Joseph II. den Titel „König von Burgund“ zugesichert hatte. Bei diesem Tauschgeschäft hätte auch Bayerns Nachbar Österreich profitiert, doch der Widerstand anderer Landesherren, nicht zuletzt Friedrichs des Großen, war zu groß, sodass dieses Vorhaben nicht verwirklicht wurde. Damit blieb Bayern-Pfalz weiterhin kein geschlossenes Territorium.
Nach dem Tod seiner Frau Elisabeth Augusta heiratete Carl Theodor 1795 die erst 18-jährige Maria-Leopoldine von Österreich-Este. Die aber lehnte jeden Kontakt zu dem über 50 Jahre älteren Mann ab. Auch diese Ehe blieb kinderlos. Allerdings hatte Carl Theodor aus vier verschiedenen Beziehungen acht uneheliche Nachkommen.
Am 16. Februar 1799 verstarb er mit 74 Jahren an den Folgen eines Schlaganfalls in der Münchner Residenz. Er wurde in der Theatinerkirche beigesetzt. Sein Herz befindet sich in der Gnadenkapelle Altötting.
Nachfolger wurde ein Verwandter des Hauses Pfalz-Birkenfeld: Kurfürst Max IV. Joseph, ab 1806 als Max I. Joseph erster König Bayerns. Mit Carl Theodors Ende war auch die Geschichte der Kurpfalz beendet. Bereits 1798 waren infolge der Französischen Revolution die linksrheinischen Gebiete an Frankreich gefallen, die rechtsrheinischen Teile gingen mehrheitlich an Baden. Mit der territorialen Neuordnung Europas auf dem Wiener Kongress kam die ehemals bayerische Pfalz wieder an Bayern, zunächst baierischer Rheinkreis genannt, dann Rheinpfalz. Hauptstadt war Speyer.
Die Trennung erfolgte erst mit der Gründung der Bundesländer nach dem Zweiten Weltkrieg. Seit 1946 gehört die Pfalz statt zu Bayern zum neugeschaffenen Bindestrichstaat Rheinland-Pfalz. Doch die Kurpfalz hat als Bezeichnung für die Metropolregion Rhein-Necker mit den Städten Heidelberg und Mannheim überlebt.
Kersti Wolnow am 11.12.24, 07:43 Uhr
Viele kleine Fürsten und Könige, meist mit Ehrgeiz und Verantwortungsbewußtsein für ihre Untertanen ausgestattet, standen damals in Wettbewerb zueinander und sorgten so für eine Entwicklung von Kultur und Wissenschaft in Deutschland.
Der heutige Zentralismus mit Gestalten ohne Bildung und Manieren, durch anonyme fremde Kräfte an die Spitze der Gesellschaft gehievt, sind nur auf Selbstbereicherung aus.
Gott erlöse und von dieser schrecklichen Zeit des Teufels, des schlechten Geschmacks und der Unmoral!!!
Siegfried Holz am 06.12.24, 16:30 Uhr
Ein sehr schöner und interessanter Artikel. Unsere Geschichte ist vielfältig und bunt. Wir müssen sie kennen, wenn wir in der Gegenwart Entscheidungen treffen wollen.