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Der Brückenneubau soll die alte Reichsbahnbrücke ersetzen. Die Bewohner werden entschädigt
Ein scheinbar gewöhnliches Haus aus den frühen 1920er Jahren, von denen es in Königsberg viele gibt, ist ins Visier der Stadtbehörden geraten. Es handelt sich um ein Gebäude in der Holländerbaumstraße in der Nähe der neuen Promenade Peter der Große. Das Haus in der Nähe der „Doppelstockbrücke“ genannten Reichsbahnbrücke soll wegen eines Brückenneubaus abgerissen werden. Auch das Schicksal der Reichsbahnbrücke war einige Jahre ungewiss, bis die alte doppelstöckige Brücke als Kulturerbe anerkannt wurde. Im Herbst 2020 erhielt das Bauprojekt für einen Brückenneubau die Genehmigung. Unmittelbar danach kündigten die Stadtbehörden die Beschlagnahme mehrerer Grundstücke an, die sich im Bereich der künftigen Zufahrt zur Pregel-überquerung befinden. Die Gesamtbaukosten werden auf umgerechnet rund 115 Millionen Euro geschätzt. Die alte Reichsbahnbrücke wird nach Fertigstellung der neuen Brücke voraussichtlich als Fußgängerbrücke erhalten bleiben.
Anfang Februar erließen die Stadtbehörden einen Beschluss über die Beschlagnahme des Grundstücks nahe der Holländerbaumstraße. Das Gebäude liegt innerhalb der Bauzone des Brückenneubaus. Die Wohnungseigentümer wurden darauf vorbereitet, dass in Kürze eine Begutachtung ihrer Wohnungen und die Auszahlung einer Entschädigung erfolgen werde. Das vierstöckige Gebäude, das abgerissen werden soll, befindet sich in der Nähe der Kreuzung Alter Graben und der Holländerbaumstraße. Ursprünglich war es ein langes Haus gewesen, von dem aber nur noch ein Teil erhalten ist. Den Hof bildet eine kleine Grünfläche mit schmiedeeisernen Bänken und kleinen Skulpturen. Spaziergänger kommen vom Pregel-ufer aus gerne zu einem Fotostopp vorbei.
Das Haus wird nicht als baufällig eingestuft, obwohl der Zustand der Fassaden und der Balkone auf einen Reparaturstau schließen lässt. Im Gegensatz zur Fassade ist der Zustand des Treppenhauses recht gut. Die Wände sind sauber gestrichen und die Treppe ist mit schwarzen Handläufen versehen.
Die Leiterin der Stadtverwaltung Jelena Djatlowa hat die Beschlagnahme von 22 Wohnungen unterzeichnet. Nun ist es Aufgabe der bestellten Stadtbeamten, die Entschädigung zu ermitteln. Die Eigentümer wissen noch nicht, wie viel sie beanspruchen können, und das beunruhigt sie. Sie befürchten, dass die Höhe der Entschädigung viel niedriger ausfallen wird als die derzeitigen Kosten für eine gleichwertige Wohnung im Stadtzentrum.
Eine der Eigentümerinnen erzählte, dass gerüchteweise im vergangenen Jahr Zahlen zwischen umgerechnet 600 und 680 Euro pro Quadratmeter im Gespräch waren. Das sei aber nicht genug, denn ganz in der Nähe werde ein Haus – zugegebenermaßen mit moderner Heizung –gebaut und dort liege der Quadratmeterpreis im Moment bei über 1100 Euro. In der Nachbarschaft seien die Preise für Bestandsimmobilien mit Zentralheizung ebenfalls kräftig angezogen. Sie begännen bei 1000 Euro.
Viele wollen nicht ausziehen
Viele Hausbew0hner wollen deshalb nicht ausziehen. Vor allem diejenigen, deren Hypothekendarlehen bereits getilgt sind und die Renovierungen in den Räumlichkeiten vorgenommen hatten. Bei einem Umzug müssten sie deutlich draufzahlen. Außerdem sind sie mit der zentralen Lage des Hauses zufrieden. Einige der Eigentümer leben schon seit Jahrzehnten in dem Haus. Sie sind nur bereit, in eine ähnliche Wohnung in der selben Gegend zu ziehen.
Arthur Krupin, Leiter des Ausschusses für Territorialentwicklung und Bau der Stadtverwaltung, teilte indessen mit, dass die Entschädigung nur Barzahlungen beinhalte. Den Eigentümern würden keine Alternativobjekte angeboten, das heißt, sie müssen sich selbst um geeignete Wohnungen bemühen. Um die Höhe der Entschädigung zu berechnen, wird der Vergleichswert des Wohnraums in anderen Häusern in unmittelbarer Nähe ermittelt. In den Kosten pro Quadratmeter sind auch Maklergebühren, Umzugskosten und ein kleiner Betrag für eine vorübergehende anderweitige Unterbringung enthalten, wenn jemand nicht schnell genug eine passende Wohnung findet.
Dass die Bewohner das Haus in Pregelnähe nicht gerne verlassen möchten, lässt schon der erste Blick auf die Außenanlage vermuten, die mit Sorgfalt und Liebe angelegt wurde. Das Grundstück mit seinem Baumbestand und Bänken wirkt äußerst gepflegt, und es ist deshalb bedauernswert, dass dieses Haus einem Brückenbau weichen muss. In Königsberg kommen derartige Hausbeschlagnahmungen nur selten vor.