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Drogenpolitik

Ein Bürokratiemonster droht

Experten zerlegen geplantes Cannabis-Gesetz – Brandenburg könnte zu Berlins Rauschgiftplantage werden

Hermann Müller
25.08.2023

Das Regierungskabinett von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat einen Gesetzentwurf zur Cannabis-Legalisierung auf den Weg gebracht. Der im Haus von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) ausgearbeitete Entwurf sieht vor, Erwachsenen den Besitz und Anbau von Cannabis in begrenztem Umfang zu erlauben. Laut dem Gesetzentwurf soll es künftig gestattet sein, bis zu drei Cannabispflanzen zu Hause anzubauen. Zudem sollen sich Erwachsene auch in Vereinen zusammentun können, um unter kontrollierten Bedingungen Cannabis zu produzieren. An die Mitglieder dieser Vereine sollen bis zu 50 Gramm Cannabis pro Monat abgegeben werden dürfen.

Lauterbach selbst spricht von einem „Gesetz mit Augenmaß“. Allerdings hagelt es auch massive Kritik, etwa von Medizinern, die beispielsweise vor gesundheitlichen Gefahren für junge Erwachsenen warnen. Bemerkenswert scharf fielen die Reaktionen von denjenigen aus, die künftig kontrollieren sollen, ob die Regelungen der Legalisierung auch eingehalten werden.

Zahllose kleinteilige Vorschriften
Rainer Wendt, Bundesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), warnt etwa, dass von einer eigentlich vorgesehenen Entlastung von Polizei und Justiz durch die Teillegalisierung keine Rede sein könne: „Der vorgesehene Gesetzentwurf von Karl Lauterbach bringt ein Bürokratiemonster ersten Grades hervor, das schon wegen seiner Überkomplexität zum Kontrollverlust in der Realität führen wird.“

Der Polizeigewerkschafter wies darauf hin, dass die Cannabis-Vereine, die nach den Vorstellungen Lauterbachs gegründet werden können, zahlreiche Auflagen erfüllen müssen und Dokumentationspflichten nachkommen sollen. „Jeder festgestellte Verstoß erfordert anschließend umfangreiche Ermittlungsarbeit“, so Wendt. Tatsächlich enthält der vom Bundeskabinett beschlossene Entwurf auf 183 Seiten eine Vielzahl von kleinteiligen Regelungen, deren Einhaltung vermutlich nur mit sehr viel Personalaufwand überwacht werden kann.

So sollen die Cannabis-Vereine an Mitglieder unter 21 Jahre höchstens 25 Gramm Cannabis pro Tag und höchstens 50 Gramm pro Monat zum Eigenkonsum abgeben. Wer 18 bis 20 Jahre alt ist, soll maximal 30 Gramm Cannabis pro Monat erhalten. Eine weitere Regelung sieht vor, dass zum Jugendschutz der Cannabis-Konsum nur außerhalb eines Radius von 200 Metern zum Eingangsbereich von Schulen, Kinder- und Jugendeinrichtungen, öffentlich zugänglichen Sportstätten sowie Kinderspielplätzen erlaubt sein soll.

Die 200-Meter-Abstandsregelung soll nach den Vorstellungen Lauterbachs auch für die Vereine gelten. In Fußgängerzonen soll zwischen 7 und 20 Uhr kein Cannabis konsumiert werden dürfen. Kritiker befürchten sogar, dass die Einhaltung der Vorschriften praktisch gar nicht kontrolliert werden kann.

Gerade in Großstädten wie Berlin kann die Abstandsvorschrift zum Schutz der Jugend dazu führen, dass in vielen Teilen der Stadt praktisch gar keine Cannabis-Vereine aufmachen können: Verteilt über das Stadtgebiet existieren mehr als 800 Schulen, 1900 Spielplätze und rund 2900 Kindertagesstätten. Die Suche nach einer Örtlichkeit, an der ein Cannabis-Verein die Abstandsregelung einhalten kann, dürfte sich dementsprechend schwierig gestalten. So mancher Verein könnte gleich vorziehen, ins viel dünner besiedelte Brandenburg auszuweichen. Damit würde sich allerdings auch der Kontrollaufwand für Polizei und Ordnungsämter von der Metropole Berlin in das benachbarte Flächenland verlagern.

Justiz „eher zusätzlich belastet“
Mit Sorge blicken Kritiker der Regelung überdies auf die Auswirkungen der Teillegalisierung auf den Straßenverkehr. Bislang noch immer ungeklärt ist trotz des Kabinettsbeschlusses etwa die Frage, wie mit Kraftfahrern im Straßenverkehr umgegangen werden soll, die unter Cannabis-Einfluss stehen. Erschwerend kommt hinzu: Der den Rausch auslösende Wirkstoff THC lässt sich labortechnisch noch Tage nach dem Cannabis-Konsum nachweisen. Die Frage, ob ein positiver THC-Test überhaupt noch Aussagen über die Verkehrstauglichkeit des Getesteten zulässt, könnte damit noch ausgiebig die Gerichte beschäftigen.

Richterbund-Geschäftsführer Sven Rebehn warnt bereits, Lauterbachs Cannabis-Gesetz werde die Justiz nicht entlasten, „sondern eher zusätzlich belasten“. Laut Rebehn sind einige der geplanten Strafvorschriften mit erheblichen Nachweisschwierigkeiten und großem Ermittlungsaufwand für die Staatsanwaltschaften verbunden. Er rechnet zudem auch mit einer Zunahme nachbarschaftlicher Streitigkeiten rund um den Cannabis-Anbau.


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Kommentare

Gregor Scharf am 28.08.23, 13:47 Uhr

Wer den alltäglichen Politzirkus nicht mehr ertragen kann, darf sich jetzt endlich mit staatlicher Unterstützung ganz legal aus der Realität verabschieden und zudröhnen.
Die haben aber auch an Alles gedacht. Respekt.

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