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Schleswig-Holstein: Vor 400 Jahren wurde das von holländischen Glaubensflüchtlingen geprägte Friedrichstadt gegründet
Wenn von der Einwanderung von Glaubensflüchtlingen aus anderen Ländern Europas im 17. und 18. Jahrhundert nach Deutschland die Rede ist, findet vor allem die Einwanderungspolitik der brandenburgischen Kurfürsten und preußischen Könige in dieser Zeit Berücksichtigung. Mit dem „Chur-Brandenburgischen Edict“ vom 29. Oktober 1685 wurde durch den Großen Kurfürsten eine kleine Völkerwanderung befördert.
Die Palette der Einwanderer in die Territorien der Hohenzollern reichte von niederländischen Handwerkern, die in ihrer Heimat wegen ihrer nichtkatholischen Konfession von der spanischen Herrscherfamilie verfolgt wurden, über jüdische Kaufmannsfamilien sowie Verfolgte aus Böhmen und Salzburg bis zu den als Hugenotten bezeichneten Reformierten aus Frankreich. Die religiöse Toleranz der Hohenzollern wurde von wirtschaftlichen Hoffnungen begleitet. Der Zuzug finanzkräftiger Berufsgruppen sollte die eigene Wirtschaftskraft steigern.
Remonstranten für den Herzog
Eine zweite größere Einwanderungsgruppe ließ Reichsgraf Nikolaus Ludwig von Zinzendorff ab 1721 in der Lausitz ansiedeln. Der pietistisch erzogene Gutsherr nahm protestantische Glaubensflüchtlinge aus Böhmen und Mähren in seinem Besitz auf und begründete damit die Herrnhuter „Brüderkolonie“, die seiner Vorstellung von einer „pietistischen Seelensammlung“ entsprach, bald als „Brüderunität“ deutschlandweite Verbreitung fand und in der Folge per Missionsarbeit weltweit tätig wurde.
Dahinter verblasst in der öffentlichen Wahrnehmung eine dritte Welle von Glaubensflüchtlingen, die allerdings schon in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts nach Nordfriesland strömte. Das waren die Remonstranten, eine nach eigenen Glaubensgrundsätzen lebende Abspaltung der Calvinisten, die Herzog Friedrich III. von Schleswig-Holstein- Gottorf (1597–1659) auf Anraten von Willem van der Hove, seinem Berater in Wirtschaftsfragen, in sein Herzogtum holte. Die durchaus positiven Folgen sind bis heute vor allem in Friedrichstadt, einem „Klein-Amsterdam“, sichtbar.
Der religiös tolerante und wirtschaftlich ambitionierte Herzog gründete auf einer Insel zwischen den Flüssen Eider und Treene eine neue Stadt, die nach ihm Friedrichstadt benannt und zur neuen Heimat der holländischen Remonstranten wurde. Der Grundstein für das erste Haus wurde am 24. September 1621 gelegt. Das gilt als Gründungsdatum der Stadt. Daran wird bis heute per Gedenktafel erinnert.
Friedrichstadt war als Handelsstadt geplant, die über die Niederlande und Spanien vom Welthandel Gewinne abschöpfen sollte. Parallel schickte Friedrich III. seine Gesandtschaft über Russland nach Persien, um auch über diesen Weg einen Fuß in den Welthandel zu bekommen. Doch beide ehrgeizigen Pläne scheiterten letztlich.
Häuser im holländischen Stil
Aber die Remonstranten nahmen das Friedrichstädter Angebot unter Führung von Adolph van Wael, dem vormaligen Bürgermeister von Utrecht, in ihrem Sinne erfolgreich wahr. Sie bauten Häuser im holländischen Stil, die wie das Doppelgiebelhaus in der Prinzenstraße und die Alte Münze am Mittelburgwall bis heute beeindrucken, brachten mit Handwerk und Handel das regionale Geschäftsleben auf den Weg, zahlten Steuern in die herzoglichen Kassen, bauten Kanäle, die das Bild einer Holländerstadt prägten, und weiteten die religiöse Toleranz weiter aus.
Sie erreichten vom Herzog, dass alle Konfessionen in der Stadt mit gleichen Rechten ausgestattet wurden, was den Zuzug beförderte. Zu den Remonstranten gesellten sich in der Folge Mennoniten, Lutheraner, Quäker, Mormonen, Juden, Katholiken und auch die Zeugen Johovas, die über die Konfessionsgrenzen in erstaunlicher Eintracht zusammenlebten. Man wohnte Haus an Haus. Auch Ehen wurden untereinander geschlossen.
An der Weihe der neuen Synagoge 1847 nahmen Angehörige aus allen Glaubensrichtungen in Friedrichstadt teil. Das funktionierte bis zur Machtübernahme der Nationalsozialisten, die die Synagoge anzündeten. Das Feuer konnte gelöscht werden. Der Restbau wurde zum Wohnhaus ausgebaut, inzwischen mit Unterstützung der Deutschen Stiftung Denkmalschutz (DSD) rekonstruiert und wird als Kultur- und Gedenkstätte genutzt. Jetzt leben wieder fünf Glaubensgemeinschaften friedlich miteinander.
Heute ist die Stadt mit ihrem holländischen Erscheinungsbild eher eine Touristenattraktion. Dieses Stadtbild mit den typischen holländischen Häusern, der ebenfalls mit Mitteln der DSD sanierten Remonstranten-Kirche und Grachten wird tunlichst gepflegt, und es belegt eindrucksvoll, dass sinnvolle Zuzüge durchaus ein dauerhafter Gewinn für das Gemeinwohl sein können.