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Der Schweizer Publizist Hans-Peter Kunisch beschreibt die wenigen Treffen zwischen Paul Celan und Martin Heidegger
In der Nachkriegszeit gehörten der Dichter Paul Celan (1920-1970) und der Philosoph Martin Heidegger (1889-1976) zu den wichtigsten Stimmen in der jungen Bundesrepublik. Heideggers schon 1927 erschienenes Werk „Sein und Zeit“ war vor und nach dem Krieg ein Bestseller, Celans Dichtungen gehören zum festen Kanon der Nachkriegsliteratur. Beide kannten und schätzten das Werk des anderen. Dabei konnten die Gegensätze nicht größer sein: Der berühmte und wegen seiner Verwicklungen in der NS-Zeit umstrittene Philosoph und der jüdische Schriftsteller aus Czernowitz, der beide Eltern im Holocaust verlor und selbst nur knapp überlebte, 1947 aus Rumänien floh und seit 1948 in Paris lebte.
Der Schweizer Publizist Hans-Peter Kunisch hat in einem minutiösen Bericht die vier Treffen der beiden und deren von Hochachtung und – bei Celan – auch Widerwillen geprägte Beziehung beschrieben. Die gegenseitige Wertschätzung, so Kunisch, resultierte aus beider Bemühen um eine ebenso klare wie dichterische Sprache. „Denkendes Dichten“ hat Celan Heidegger attestiert, ähnliche Worte finden sich bei Heidegger. Zwei längere Begegnungen 1967 und 1968 hatten nahe Heideggers berühmter „Hütte“ bei Todtnauberg im Schwarzwald stattgefunden. Zu der wohl von Celan erwarteten Aussprache über Heideggers Jahre nach 1933 kam es nicht. Das Gespräch blieb freundlich-unverbindlich. Enttäuscht war Celan, der wegen schwerer psychischer Probleme immer wieder eine Pariser Psychiatrie aufsuchen musste, wieder abgereist.
Vorausgeschickt sind Celans Jahre in Rumänien und erste wichtige Begegnungen im Westen, vor allem mit der Schriftstellerin Ingeborg Bachmann. Interpretiert werden mehrere berühmte Gedichte Celans, vor allem „Die Todesfuge“ („der Tod ist ein Meister aus Deutschland“). Der Autor geht auch auf andere Autoren in ihrer Bedeutung für Celan oder Heidegger ein: Hannah Arendt, Herbert Marcuse, Martin Buber oder Hugo Friedrich.
Kunisch beschreibt nicht nur beider Treffen, sondern auch das Umfeld von Celan während seiner Besuche und Lesungen in Freiburg, wo sich Wissenschaftler der Universität rührend um ihn bemühten. Er lässt viel Sympathie mit Celan und eine gewisse Distanz zu Heidegger erkennen. Literaturfreunde werden das Buch sicher mit Gewinn lesen. Dabei lernt man einen selbstbewussten, in sich ruhenden Heidegger kennen und mit Celan einen Autor, der sich am Ende der Welt nicht mehr gewachsen fühlte. Im April 1970 hat er seinem Leben selbst ein Ende gesetzt.