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Männer wie er begründeten einst Deutschlands Ruf als Apotheke der Welt – Vor 200 Jahren wurde der Preuße geboren
Die nicht mehr ganz so Jungen unter uns werden sich noch an die Schering Aktiengesellschaft erinnern. Das 2006 von der Bayer AG übernommene Pharmaunternehmen gehörte zu jenen deutschen Unternehmungsgründungen des 19. Jahrhunderts, denen das deutsche Kaiserreich seinen Ruf als Apotheke der Welt verdankte. Diese führende Stellung Deutschlands ging in den Weltkriegen verloren, doch trotzdem hatte das Unternehmen im letzten vollständigen Jahr seiner Existenz über 25.000 Mitarbeiter und einen Umsatz von über fünf Milliarden Euro.
Gegründet wurde das Unternehmen von einem preußischen Apotheker, der eigentlich aus Liebe zur Natur Förster werden wollte und vor 200 Jahren, am 31. Mai 1824, in Prenzlau zur Welt kam. Die Rede ist von Ernst Christian Friedrich Schering.
Das jüngste von fünf Kindern eines Gastwirts entstammte einer ehrgeizigen Familie. Einer seiner Brüder brachte es bis zum Justizrat, und er sollte Apotheker werden. Schering beugte sich und machte nach dem Gymnasialabschluss eine Lehre zum Apothekengehilfen. Wenigstens konnte er durchsetzen, dass er diese Ausbildung bei der besten Apotheke Berlins absolvieren konnte. Nach der Lehre sammelte er Erfahrungen im erlernten Beruf in Apotheken in Köln, Aachen, Witten an der Ruhr und Pasewalk. Ende der 1840er Jahre nahm er an der Universität Berlin ein Studium der Chemie, Physik und Botanik auf, das er 1850 mit dem Erwerb des Titels „Apotheker 1. Klasse“ abschloss. Der Titel erlaubte ihm den Betrieb einer Apotheke in Berlin.
Apotheker wider Willen
Nach kurzer Tätigkeit als angestellter Apotheker in der Berliner Schwanen-Apotheke ermöglichten es ihm die finanzielle Unterstützung der Mutter, eines Bruders und eines Freundes sowie zwei auf dem Grundstück belassene Hypotheken, 1851 die Schmeisser'sche Apotheke in der Berliner Chausseestraße zu übernehmen. Der Naturfreund gab ihr den neuen Namen „Grüne Apotheke“. Dort begann Scherings Erfolgsgeschichte als Hersteller sogenannter reiner Präparate.
Scherings Erfolgsrezept erinnert an das von Ernst Abbe und dessen kongenialem Partner Carl Zeiss. Die Drei waren in ihren Branchen Vertreter des Übergangs von der gefühlvollen Kunst zur exakten Wissenschaft, vom Probieren zum Studieren. Die beiden Thüringer Pioniere der optischen Industrie ersetzten das sogenannte Pröbeln, das Herantasten an die optimale Brechung mittels Probieren durch die Berechnung der optimalen Brechung durch Abbe und die anschließende gezielte Produktion entsprechender Gläser durch Zeiss. Und Schering ersetzte das phantasievolle Herumexperimentieren von Apothekern in ihren „Giftküchen“ durch die Produktion hochreiner Chemikalien nach standardisierten Methoden und Verfahren. Verwendung und Absatz fanden seine Produkte nicht nur in der Medizin beziehungsweise Pharmazie sowie der Fotografie, sondern beispielsweise auch in der Parfümerie, der Textil- und Lederindustrie, der Seifenfabrikation und der Pyrotechnik.
Herstellung „reiner Präparate“
1854 nahm Schering die Produktion in seiner Apotheke auf. Im darauffolgenden Jahr stellte er seine „reinen Präparate“ auf der Weltausstellung in Paris vor und gewann mit ihnen eine Silbermedaille. Seine Produkte waren derart erfolgreich und nachgefragt, dass Schering für die Produktion ein eigenes Werk auf dem Weddinger Grundstück Müllerstraße 171 errichten ließ. 1864 nahm dort die „Chemische Fabrik Ernst Schering“ die Produktion auf.
Der Deutsch-Französische Krieg von 1870/71 erhöhte die Nachfrage nach chemischen und pharmazeutischen Produkten, wie er sie produzierte und anbot. Um an Kapital für die Expansion seines florierenden Unternehmens zu gelangen, wandelte Schering dieses nach der Reichsgründung in eine Aktiengesellschaft um. So entstand die „Chemische Fabrik auf Actien (vorm. E. Schering)“, die spätere Schering AG.
Schering konzentrierte sich nun auf diese Fabrik. Der unfreiwillige Apotheker überließ die Führung der Apotheke seinem 1859 in Berlin geborenen Sohn Richard, der Pharmazie an der Universität Breslau studiert hatte.
Bis 1874 war Ernst Schering Alleinvorstand der Fabrik. Gesundheitlich Probleme zwangen ihn dann 1882 zum Wechsel aus dem Vorstand in den Aufsichtsrat. Sieben Jahre später, am 27. Dezember 1889, starb Schering in Charlottenburg.