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Carl Kassners machte 1891 die ersten Aufnahmen eines fliegenden Menschen: Otto Lilienthals Luftsprung am Spitzen Berg zwischen Derwitz und Krielow
Foto: WikipediaCarl Kassners machte 1891 die ersten Aufnahmen eines fliegenden Menschen: Otto Lilienthals Luftsprung am Spitzen Berg zwischen Derwitz und Krielow

Technikgeschichte

Ein Flugpionier aus Pommern

Vor 125 Jahren stürzte Otto Lilienthal bei einem Flugversuch in den Tod. Mit seinen Arbeiten leistete der gebürtige Anklamer wesentliche Beiträge zur Entwicklung des Flugzeugs

Martin Stolzenau
10.08.2021

Otto Lilienthal stammte aus Anklam in Vorpommern, flog als „erster Mensch auf der Welt mit einem Luftfahrzeug schwerer als Luft“ und gilt seit seinem Absturz während eines Flugversuches vor 125 Jahren als einer der bedeutendsten Flugpioniere. Er fand viele Nachahmer und beflügelte die internationalen Flugversuche. Seit 1938 wird ihm zu Ehren an herausragende Segelflieger die „Lilienthal-Medaille“ verliehen. Anklam gilt inzwischen als Tor zur Insel Usedom sowie als Lilienthal-Stadt und ehrt seinen berühmten Sohn in vielfältiger Weise.

Otto Lilienthal wurde am 23. Mai 1848 in Anklam geboren. Der Ort am Fluss Peene in Vorpommern mit zuvor langer slawischer Besiedlung wurde 1243 erstmals als Marktflecken urkundlich erwähnt, erhielt nacheinander das Magdeburger und dann von Herzog Barnim I. das Lübische Stadtrecht und erlebte ab 1283 als Hansestadt einen großen wirtschaftlichen Aufschwung.

Erste Fluggeräte mit 14 Jahren

Lilienthals Vater führte ein Tuchgeschäft und gehörte in der Zeit von 1848/49 mit den Versuchen einer demokratischen Umwälzung zu den Anhängern von bürgerlich-demokratischen Reformen. Sohn Otto hatte einen um ein Jahr jüngeren Bruder Gustav. Beide besuchten das Anklamer Gymnasium, beobachteten schon als Kinder das Fliegen, Gleiten und Segeln der Vögel und träumten von eigenen Flugversuchen.

Mehr noch: 1862 baute das Brüderpaar aus Kieferleisten und Leinwand ein erstes Fluggerät mit vier Metern Spannweite, das sie heimlich, um dem Spott der Alterskameraden zu entgehen, ausprobierten. Ohne den geringsten Erfolg. Sie tüftelten weiter von Misserfolg zu Misserfolg.

Ab 1864 besuchte Otto Lilienthal die Provinzialgewerbeschule in Potsdam und ab 1867 die Gewerbeakademie in Berlin. Das war die spätere TH Berlin-Charlottenburg. Er kam hier in die Obhut von Franz Reuleaux, der seine technische Begabung förderte. Bruder Gustav studierte indes Architektur. Die Flugversuche pausierten. Dann setzten Otto als Ingenieur und Gustav als Architekt ihre technischen Studien und aerodynamischen Experimente zum Flugvorhaben fort.

Otto Lilienthal erwarb in Berlin eine kleine Maschinenfabrik, entwickelte und baute neuartige Dampfkessel und gelangte so zu größeren Einkünften. Darauf reagierte er als Unternehmer recht ungewöhnlich. Er schaffte den Akkord ab, führte den Achtstundentag ein und beteiligte seine Beschäftigten am Gewinn. Außerdem wurden die flugtechnischen Versuche damit finanziert. Außerdem heiratete er zwischendurch Agnes Fischer, die Tochter eines Bergmanns.

1889 veröffentlichte Otto Lilienthal als Ergebnis seiner wissenschaftlichen Studien und Experimente das Buch „Der Vogelflug als Grundlage der Fliegekunst“. Er untersucht darin den Vogelflug, gibt eine Anleitung für den Bau von Gleitfluggeräten sowie den menschlichen Gleitflug und verweist auf die Vorteile gewölbter Tragflächen. Alles wird mit Messergebnissen in Diagrammen belegt. Andere Flugpioniere wie Wilbur Whright und Ferdinand Ferber waren danach vom Buch begeistert.

Lilienthal begann nach der Erarbeitung der theoretischen Grundlagen zusammen mit seinem Bruder mit dem Bau von Fluggeräten. In tausendfach wiederholten Flugversuchen steigerte er sich ab 1890 zwischen Krielow und Derwitz bei Potsdam vom Windmühlenberg aus nach erneuten Misserfolgen und technischen Verbesserungen auf erste Flugmeter. Er sprang vom Sandhügel und flog schließlich. Daraus wurden bald 25 Meter. Es folgten Gleitflüge bis zu 250 Meter. Die Brüder jubilierten. Das Unmögliche schien möglich.

Dann kam der August 1896. Otto Lilienthal stürzte am 9. August bei Stöll am Gollenberg aus 15 Metern Höhe im Gefolge einer „Sonnenbö“ ab, wurde auf einem Pferdewagen nach Stölln transportiert und dann per Bahn nach Berlin gebracht, wo er am 10. August 1896 in der Universitätsklinik starb. Es gab eine polizeiliche Untersuchung, die für Fotos vom abgestürzten Fluggerät sorgte. Der Flugpionier fand auf dem Friedhof Berlin-Lankwitz seine letzte Ruhe. 24 Jahre später folgte ihm seine Frau. Das Paar hatte vier Kinder. Die erhaltene Grabstätte hat inzwischen den Status eines Ehrengrabes.

25 Patente und Erfahrungsberichte

Vom Erfinder Otto Lilienthal sind 25 Patente überliefert. Sein Buch und seine gesammelten Erfahrungen beim Fliegen hinterließen das erste gesicherte Wissen über die Flugmöglichkeiten des Menschen. Diese Pionierleistung kommentierte der französische Flugpionier Ferber anschließend in der Äußerung: „Vom Schritt zum Sprung, vom Sprung zum Flug!“

Der Nachlass von Otto Lilienthal verteilt sich auf mehrere Sammlungen wie dem Otto-Lilienthal-Museum in Anklam und dem Deutschen Museum in München. Seit 2011 auch in Stölln. Originale Fluggeräte von ihm befinden sich außerdem in Wien, Moskau, London und Washington. In Anklam, Berlin, Derwitz, Stölln sowie Rhinow gibt es zu ihm Denkmäler. An der Absturzstelle wurde ein Gedenkstein aufgestellt. Außerdem tragen in zahlreichen Städten Straßen, Schulen und Kasernen seinen Namen. Dazu gab es in den letzten Jahrzehnten immer wieder Briefmarken mit Lilienthal-Motiven.

• Lilienthal-Museen in Vorpommern ...
in Anklam: http://lilienthal-museum.de
in Gollenberg OT Stölln: www.otto-lilienthal.de


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