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Ein fortschrittlicher Theater-Magier

Erneuerer der Bühnenkunst – Vor 150 Jahren wurde Max Reinhardt geboren, der in Berlin und Salzburg das Theater revolutionierte

Veit-Mario Thiede
07.09.2023

Am 9. September 1873 kam in Baden bei Wien Maximilian Goldmann zur Welt. Der Sohn eines jüdischen Kaufmanns nahm Schauspielunterricht und debütierte 1890 mit dem Künstlernamen „Max Reinhardt“ in Wien. Aber erst in Berlin kam seine Karriere in Fahrt.

Ab 1894 war Reinhardt Ensemblemitglied am Deutschen Theater. Knapp zehn Jahre später begann er, Stücke zu inszenieren und etablierte sich im Zentrum des Kaiserreichs als Theaterleiter. Schon bald war er Herrscher über ein Theater-Imperium, dem in Berlin zeitweise elf Bühnen angehörten. Auf Tourneen durch Europa und die Vereinigen Staaten feierte ihn das Publikum als „Theater-Magier“.

Ulrich Khuon, bis diesen Sommer Intendant des Deutschen Theaters Berlin, beurteilt Reinhardt als den Erfinder des Regietheaters. Bei dem ist die wirkmächtige Inszenierung wichtiger als die dem Autor des Stückes verpflichtete Werktreue. Khuon äußert: „Reinhardt war ein Technikfreak. Er wollte einen emotionalen Sog. Die Zuschauer sollten so ergriffen werden, dass sie dem nicht entkommen.“

Dem diente auch der Einsatz der damals neuartigen Drehbühne, die den geschwinden Szenenwechsel erlaubt. Ihr verdankte Reinhard 1905 im Neuen Theater am Schiffbauerdamm den sensationellen Publikumserfolg von Shakespeares Komödie „Ein Sommernachtstraum“. Das Modell der Drehbühne sowie weitere auf Reinhardt bezogene Exponate sind aktuell in der Ausstellung „Berlin Global“ im Humboldt-Forum zu sehen.

Zwar pflegte Reinhardt auch das zurückhaltend inszenierte Kammerspiel, doch mehr noch war er dem bombastischen „Überwältigungstheater“ zugetan. Ein besonders spektakuläres Erfolgsjahr war für ihn 1911. An der Dresdener Semperoper inszenierte er die Uraufführung des „Rosenkavaliers“ von Richard Strauss, die auf dem Gebiet des Musiktheaters neue Maßstäbe setzte. Die Uraufführung des von Hugo von Hofmannsthal verfassten „Jedermann“ war im Berliner Zirkus Schumann ein Großraumereignis vor mehr als 3000 Zuschauern. In der fast 5000 Plätze fassenden Londoner Olympia Hall fand unter Leitung Reinhardts die Uraufführung von Karl Gustav Vollmoellers Pantomime „Das Mirakel“ mit einem Massenaufgebot von Schauspielern, Sängern, Tänzern, Statisten sowie einem an die 200 Musiker umfassenden Orchester statt. Diese Inszenierung begründete seinen internationalen Ruhm.

Mit Strauss und Hofmannsthal entwickelte Reinhardt die Idee zu den Salzburger Festspielen. Die erste Aufführung fand im August 1920 statt. Auf dem Domplatz inszenierte Reinhardt den „Jedermann“. Machte er für den die Stadt zur Bühne, erhob er 1933 für Goethes „Faust“ die Bühne zur Stadt. Die in der Felsenreitschule von Reinhardt konzipierte und vom Architekten Clemens Holzmeister errichtete „Faust-Stadt“ schrieb Theatergeschichte. Sämtliche Szenenbilder waren neben- und übereinander aufgebaut. Beleuchtet war immer nur der aktuelle Schauplatz des Geschehens.

Zu Ehren Reinhardts präsentieren die Salzburger Festspiele in der Felsenreitschule nun „Faust 2023 – Eine performative Führung“. Ein Schauspielstudent der Universität Mozarteum erzählt von Reinhardts Faust-Inszenierungen der Jahre 1933 bis 1937, führt im Karl-Böhm-Saal zum originalen Modell der Faust-Stadt und zu Erinnerungsstücken der Aufführungen. So vorbereitet, betreten die Besucher die Bühne. Auf der ist nach dem Vorbild der alten Szenerie zum Beispiel Fausts Studierstube aufgebaut. Historische Filmaufnahmen und Tondokumente versetzen uns in Reinhardts Aufführungen. Mit einer 3D-Brille ausgestattet kann man sodann einen virtuellen Rundgang durch die digital rekonstruierte Faust-Stadt unternehmen.

Die Bühnenbildnerin Dorothea Nicolai berichtet: Für Reinhardt „gab es keinen Unterschied zwischen dem Auftritt auf der Bühne und dem Auftritt in seinem alltäglichen öffentlichen Leben: Da war alles kontrolliert und auf Wirkung ausgerichtet.“ Das beweist Reinhardts ehemalige Salzburger Residenz Schloss Leopoldskron, das heute als Hotel dient. Das Barockschloss war baufällig als es der Theater-Magier 1918 erwarb und aufmöbelte. Die Bibliothek etwa ließ er nach dem Vorbild der Klosterbibliothek von St. Gallen gestalten. In seiner detailverliebten Bau-Inszenierung empfing er internationale Größen aus Schauspiel, Kunst und Politik. Über seine Zeit in Leopoldskron sagte er: „Es waren meine schönsten, reichsten und reifsten Jahre.“

Sein langjähriger Mitarbeiter Heinz Herald äußerte: „Max Reinhardt war ein Verschwender im Leben und auf der Bühne. Edmund Reinhardt war ein Einsparer mit Gefühl und Achtung für die Kunst. Ohne seinen Bruder hätte Max Reinhardt nicht sein großes Theaterreich aufbauen können.“

Bruder Edmund führte die Geschäfte. Er starb 1929 – und sofort stellten sich Finanzprobleme ein. Die veranlassten Max Reinhardt, seine Berliner Bühnen zu verpachten. Nach der „Machtaneignung“ der Nationalsozialisten 1933 übernahm Reichspropagandaminister Goebbels die „Regie“ im Deutschen Theater und im Großen Schauspielhaus.

Lange Zeit erlebte Reinhard mit seinem Ensemble wahre Triumphzüge durch Amerika. Die Warner Brothers witterten ein Geschäft. Für sie drehte er 1934/35 die Hollywood-Komödie „Ein Sommernachtstraum“. Sie war ein Flop. Zwei Jahre später inszenierte er in New York die Bibelrevue „The Eternal Road“. Nach 153 Vorstellungen verzeichneten die Geldgeber ein Defizit von 500.000 Dollar und waren bankrott. Zur Festspielsaison 1937 weilte Reinhard letztmals in Salzburg.

Anschließend begab er sich mit seiner zweiten Gattin, der Schauspielerin Helene Thimig, zurück in die Vereinigten Staaten. Dort blieben sie, denn nach dem 1938 erfolgten „Anschluss“ Österreichs war eine Heimkehr ausgeschlossen. Was auch immer Reinhardt aber in seiner neuen Heimat anstellte: Er kam nicht mehr auf die Beine. Wegen seiner als zu aufwendig und unzeitgemäß gescholtenen Inszenierungen galt er bei Film- wie Theaterproduzenten als Verschwender und Kassengift. Der verarmte Theater-Magier starb 1943 in einem New Yorker Hotel.


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