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Urbane Kunst

Ein ganz spezieller Humor-Mischling

In Brandenburg an der Havel macht ein Rudel Waldmöpse die Runde – Einige der possierlichen Exemplare wurden schon „gemopst“

Helga Schnehagen
28.03.2022

Um „Leben in der Bude“ braucht man sich in Brandenburg an der Havel nicht zu sorgen. Dafür ist vor allem die Wirtschaft verantwortlich, seit Anfang 2021 unterstützt durch die Ansiedlung des neuen Bundesamtes für Auswärtige Angelegenheiten (BfAA). Dazu kommt die Nähe zu Berlin, in dessen erweitertem Speckgürtel die quirlige Havelstadt mit ihren rund 72.000 Einwohnern noch attraktive bezahlbare Wohnungen bietet. Natürlich spielt auch der Tourismus mit Scharen von Radfahrern, die auf dem Havelradweg, der Tour Brandenburg und anderen Routen in Brandenburg/Havel Station machen, eine wichtige Rolle.

Einen nachhaltigen Impuls setzte zudem wie erhofft die Bundesgartenschau Havelregion 2015. Dabei fand unter großer politischer Anteilnahme ein einmaliges zoologisches Ereignis statt: Im Zuge der Eröffnung wurden in Anwesenheit der damaligen Politprominenz die ersten acht ringelschwänzigen und mit Elchschaufeln gehörnten Waldmöpse in Brandenburg an der Havel ausgewildert.

„Als Herr des Waldes durchstreifte der Mops einst Europa zwischen Ural- und Fichtelgebirge“, heißt es im Loriot-Sketch-Klassiker „Der wilde Waldmops“ von 1972, und weiter: „Ende des 16. Jahrhunderts galten die mächtigen Mopsschaufeln noch als beliebte Jagdtrophäe. Im Laufe des 17. Jahrhunderts hat man sie jedoch rücksichtslos zurückgezüchtet, da sich 14-Ender im Schoße älterer Damen als hinderlich erwiesen hatten. Der Mops wurde gefahrlos und damit konsumgerecht. In Deutschland hat lediglich der scheue Waldmops die freiheitliche Würde seiner Vorfahren bewahrt.“

Würdevoll vermehrt er sich seitdem in der Havelstadt. In Bronze gegossen, wird er voraussichtlich sogar seine zweibeinigen Mitbürger überleben. Das bewahrt ihn allerdings nicht davor, gemopst zu werden. Ein Exemplar aus dem Rudel ist bereits über Nacht unauffindbar verschwunden. Einem anderen wurde ein Ohr abgesägt, da dessen Berührung Glück verheißt. Der Tierschänder erhofft sich wohl, dass es einmal in seiner Tasche für dauernde Glückseligkeit sorgt.

Als Vicco von Bülow alias Loriot am 12. November 1923 in Brandenburg an der Havel geboren wurde, war ihm sein Weg als Karikaturist und Humorist nicht in die Wiege gelegt. Als Sohn einer preußischen Offiziersfamilie fielen seine ersten Blicke auf Kasernenmauern. Brandenburg war damals Garnisonstadt. Viccos Zeit in Brandenburg war kurz. Schon mit vier Jahren kam er in die Obhut seiner Groß- und seiner Urgroßmutter in Berlin.

Gerne erwähnte Loriot jedoch seine Geburtsstadt. Das ließ Gerda Arndt, die damalige Leiterin des Dommuseums, dem berühmt gewordenen Sohn der Stadt noch zu DDR-Zeiten an allen Hürden vorbei eine eigene Ausstellung widmen. Als Loriot am 18. Mai 1985 zur Eröffnung in seine Geburtsstadt zurückkehrte, war das der Beginn einer dauerhaften Freundschaft. 1993 gründete er die kulturfördernde Vicco-von-Bülow-Stiftung. Im Gegenzug wurde er Ehrenbürger der Stadt. Allein für die Rettung des Doms brachte er seinerzeit über eine Million D-Mark zusammen.

Symbolisches Geschenk für Loriot

Zu seinem 85. Geburtstag machte ihm die Brandenburger Bürgerschaft die restaurierte Nordkapelle in seiner Taufkirche St. Gotthardt symbolisch zum Geschenk. Schließlich war die Restaurierung der Ölgemälde und Epitaphe in der reich ausgestatteten gotischen Hallenkirche im Wesentlichen mit Mitteln der Vicco-von-Bülow-Stiftung realisiert worden.

Mit dem Waldmops setzte man dem Gönner posthum ein Denkmal. Dieser hat inzwischen sein Revier von der Altstadt auf die Neustadt und die Dominsel ausgedehnt. Am 22. August 2016, an Loriots fünftem Todestag, wurde der 20. Waldmops am Brunnen vor dem Altstädtischen Rathaus mit der Rolandsfigur ins Leben entlassen. Heute bevölkern 26 der possierlichen Tiere die Havelstadt. Laut dem Stadtführer Christian Heise soll das Rudel auf 30 begrenzt werden. Ob es gelingt, und der Waldmops nicht eines Tages zur Plage wird, bleibt abzuwarten.

Die Gartenschau sorgte auch für den fristgerechten Abschluss der musterhaften Sanierung der mittelalterlichen Hansestadt (1310–1520) an der Europäischen Route der Backsteingotik. Bereits 2008 war das Archäologische Landesmuseum im wiederaufgebauten Paulikloster eröffnet worden.

Das Museum gleicht einer Matrjoschka. Da sind zum einen die Bauten des 1286 gegründeten Dominikanerklosters selber. Nach dessen Zerstörung am Ende des Zweiten Weltkriegs und der völligen Rekonstruktion ab 2002 gehört es heute zu Norddeutschlands wenigen Bettelordensklöstern, die als Gesamtanlage glänzen.

Dazu kommt eine vielschichtige Ausstellung: Eine Zeitleiste weist als roter Faden chronologisch durch die Geschichte, beginnend bei den Jägern und Sammlern der Altsteinzeit. Die Vitrinen liefern dazu rund 10.000 ausgewählte Funde von Brandenburgs ältesten, 50.000 Jahre alten Faustkeilen bis zu der 1991 entdeckten bronzezeitlichen Amphore aus Herzberg, deren Buckel-Zahl exakt einem Mond- beziehungsweise Sonnenjahr entspricht, und die es damit mit der Himmelsscheibe von Nebra aufnehmen kann. Fast nebenbei erfährt man, dass die bisher frühesten Zeugnisse menschlichen Lebens in Brandenburg 130.000 Jahre alt sind. Erst 2013 kam im Braunkohletagebau Jänschwalde ein entsprechender eiszeitlicher Fundplatz ans Licht.

Als moderne wissenschaftliche Ergänzung liefern Info-Stationen zu jedem archäologischen Zeitabschnitt die Entwicklung von Klima, Vegetation, Tierwelt sowie menschlicher Ernährungs- und Wirtschaftsweise. Sie zeigen, wie sich die Umwelt auch ohne Eingriff des Menschen immer wieder stark veränderte und entsprechende Anpassungen forderte. Der Waldmops ist schließlich auch ein gutes Beispiel evolutionärer Anpassung.

• Waldmops-Führungen ab April jeden ersten Sonntag im Monat und ab Juni jeden Sonntag um 15 Uhr. Treffpunkt: Tou­ristinformation, Neustädtischer Markt 3 in Brandenburg an der Havel, Dauer: zwei Stunden, Preis: 8 Euro (Kinder bis acht Jahren frei), Anmeldung: www.erlebnis-brandenburg.de


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