15.12.2024

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Er verfasste die erste Enzyklopädie

Ein gebildet frommer Hochstapler

Als promovierter Theologe gierte Paul Skalich trickreich nach weltlichem Besitz, was Preußens Adel schwer erzürnte

Wolfgang Kaufmann
16.07.2024

Als Pavao Jelencych am 6. Januar 1534 in Agram (= deutscher Name der kroatischen Hauptstadt Zagreb) das Licht der Welt erblickte, ahnte niemand, dass der Sohn eines armen Schulmeisters später zu einem der größten Hochstapler des
16. Jahrhunderts avancieren und auch in Ostpreußen sein Unwesen treiben würde. Dabei hätte Jelencych durchaus auf seriöse Weise Karriere machen können. Immerhin gelang es dem hochbegabten Kroaten mit Unterstützung des Bischofs von Laibach (Ljubljana), in Wien und Bologna zu studieren und im Fach Theologie zu promovieren. Er wurde 1554 auf Empfehlung von Papst Julius III. zum Hofkaplan des späteren Kaisers Ferdinand I. ernannt. Wobei Letzteres wohl daher resultierte, dass Paul Skalić alias Skalich, wie er sich nun unter Rückgriff auf den Geburtsnamen seiner Mutter nannte, 1553 ein umfangreiches wissenschaftliches Werk publiziert hatte, welches ihn als Universalgelehrten auswies.

Beim Kaiser in Ungnade gefallen, vom Sohn weiter empfohlen
Allerdings fiel Skalich wegen etlicher Betrügereien beim Kaiser in Ungnade und musste Wien deshalb im Jahr 1557 verlassen. Daraufhin reiste er mit den besten Empfehlungen von Ferdinands Sohn Maximilian nach Tübingen. Dort erklärte sich der bisherige Katholik für evangelisch und zu einem Nachkommen der hochadeligen Familie Scaliger aus Verona. Wenig später trat er als „Fürst de la Scala“, „Heergraf zu Hunn und Lycka“ sowie „Markgraf zu Verona“ auf und behauptete, erbliche Anrechte auf große Herrschaften in Italien, Ungarn, Kroatien und Österreich zu haben. Dies tat Skalich so überzeugend, dass er den Freiherrn und kaiserlichen Rat Hans Ungnad zu Sonneck dazu verleitete, einen Vertrag mit ihm abzuschließen, demzufolge Ungnad Skalich dabei unterstützen sollte, seine Besitzungen zurückzuerlangen, wofür der alte Freiherr im Erfolgsfall die Hälfte der fraglichen Ländereien als „Provision“ erhalten hätte. Als Zeugen bei der Unterzeichnung des Papiers fungierten immerhin der Pfalzgraf Wolfgang vom Rhein, Herzog Christoph von Württemberg, die Grafen Ernst und Poppo von Henneberg sowie die Grafen Ulrich und Sebastian von Helfenstein.

Ein wissenschaftlicher Sammelband als weltweite Premiere
Mit warmen Empfehlungsschreiben einiger dieser Männer ausgerüstet, begab sich Skalich dann Ende 1561 nach Königsberg, wo er bei Herzog Albrecht von Preußen eine freundliche Aufnahme und auch reichlich Gehör fand. Mitverantwortlich hierfür war, dass der Hochstapler inzwischen ein weiteres großes wissenschaftliches Buch herausgebracht hatte, das den Titel „Encyclopaediae, seu orbis disciplinarum tam sacrarum quam profanarum epistemon“ trug und somit tatsächlich eine der ersten Enzyklopädien überhaupt darstellte.

In Königsberg versprach Skalich einerseits, auf alchimistische Weise Gold herzustellen, andererseits erschlich er sich mit allerlei gefälschten Dokumenten das Vertrauen des alten und kranken Herzogs, bis dieser ihm schließlich einen Forst bei Benkheim unweit von Angerburg sowie die kleine Stadt Kreuzburg übertrug. Außerdem ersuchte Herzog Albrecht seinen obersten Lehnsherren, den polnischen König Sigismund II. August, die Ansprüche des „Fürsten“ und „Markgrafen“ Skalich zu unterstützen.

Parallel hierzu trat 1565 aber auch der preußische Adel, welcher dem alten Herzog eher kritisch gegenüberstand, weil er Ausländer wie Skalich bevorzugte, an Sigismund heran und brachte allerlei Beschwerden gegen den gebürtigen Kroaten vor. So wurde ihm vorgeworfen, seine Stellung am Hofe in Königsberg unter anderem dazu missbraucht zu haben, einen Umsturz zu Lasten von Albrecht zu planen, um dessen Schwiegersohn Herzog Johann Albrecht von Mecklenburg zum neuen Herrscher in Preußen zu machen. Diese schwerwiegenden Vorwürfe, die vor allem vom Truchseß von Wetzhausen auf Groß Klitten stammten, veranlassten den polnischen König, umgehend eine Untersuchungskommission nach Königsberg zu entsenden.

Vor deren Eintreffen floh Skalich über Danzig und Paris nach Münster, wo er sich wieder dem katholischen Glauben zuwandte. Derweil wurden drei seiner angeblichen Helfershelfer in Königsberg, Albrechts Beichtvater Johann Funck und die beiden herzoglichen Räte Matthias Horst und Johann Schnell, von der polnischen Kommission wegen Hochverrates zum Tode verurteilt und am 28. Oktober 1566 auf dem Markt des Kneiphofs enthauptet.

Freies Geleit nach Preußen und Verhandlungen über Phantasien
Über Skalich verhängte die Kommission die Strafe der Ächtung. Das hinderte den Bischof von Kujawien Stanisław Karnkowski jedoch nicht daran, 1574 beim neuen König von Polen, Henryk Walezy aus dem französischen Herrscherhaus Valois, zu intervenieren und diesen zur Aufhebung der Ächtungserklärung zu veranlassen. Außerdem sicherte der Monarch Skalich freies Geleit nach Preußen zu. Daraufhin zog der Hochstapler wieder nach Danzig, von wo aus er in schriftliche Verhandlungen mit Albrechts jugendlichem Nachfolger Albrecht Friedrich von Preußen und dessen Räten eintrat. Deren Ziel bestand erneut darin, seine herbeiphantasierten Herrschaftsansprüche in etlichen Teilen Europas anerkannt zu bekommen. Während Skalich deswegen unentwegt mit Königsberg korrespondierte, ereilte ihn im Mai oder Juni 1575 im Alter von nur 41 Jahren ein würdeloser Tod in Armut und Elend.


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