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Sicherheitspolitik

Ein gefährliches Spiel am Rande des Abgrunds

Anstatt im Konflikt zwischen der Ukraine und Russland zu deeskalieren, ergehen sich die Regierungen in Ost und West in gegenseitigen Drohungen

René Nehring
19.01.2022

Droht ein neuer Krieg im Osten Europas? Vor wenigen Tagen sprach NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg von umfangreichen russischen Truppenbewegungen im Grenzgebiet zur Ukraine. Und die „New York Times“ berichtete von der Zusammenziehung von über 100.000 russischen Soldaten im Grenzgebiet sowie von regelmäßigen „Aufklärungsflügen“ der US-Air Force entlang der Grenze zu Russland.

Damit erreicht der seit 2014 schwelende, mal kalte, mal etwas heißere Konflikt zwischen der Ukraine und Russland einen neuen Höhepunkt. Seit der damaligen Annexion der Halbinsel Krim durch Russland und der Aktivierung prorussischer Aufstände im Osten der Ukraine ist auch das Verhältnis von Europäischer Union und NATO zu Russland nachhaltig beschädigt. Neben Sanktionen gegen russische Firmen und hohe Repräsentanten des politischen Systems reagierten die westlichen Bündnisse auf das Verhalten Moskaus mit dem Einfrieren zahlreicher gegenseitiger Beziehungen.

Acht Jahre kalter Krieg, beziehungsweise heißer Frieden haben ihre Spuren hinterlassen. Allerorten herrscht Misstrauen, schon kleinste Manöver beziehungsweise Verschiebungen von Truppen beschwören die Gefahr eines großen militärischen Konflikts herauf. Die jüngste Eskalation begann mit der Aussage des US-Präsidenten Joe Biden im Dezember 2021, dass seine Geheimdienste Erkenntnisse über Pläne für eine russische Invasion in die Ukraine hätten. Seitdem warnten zahlreiche westliche Regierungen und die EU-Kommission Russland vor einem militärischen Vorgehen und drohten für den Fall eines Einmarsches weitere Sanktionen an. Russland wiederum forderte die NATO auf, die 2008 für die Ukraine und Georgien eröffneten Beitrittsperspektiven zu widerrufen und jegliche Militärübungen in der Nähe seiner Grenzen zu unterlassen.

Aufprall in der Realpolitik

Für die neue deutsche Regierung bedeutet der Konflikt die erste große sicherheitspolitische Herausforderung – und den harten Aufprall in der Realpolitik. Die bisherige Bundeskanzlerin Angela Merkel war in den vergangenen Jahren die Einzige, die trotz großer Meinungsunterschiede sowohl in Moskau als auch in Washington und in Kiew gehört wurde. Ansonsten haben die meisten deutschen Politiker – darunter die neue Außenministerin Annalena Baerbock – bei nahezu jedem Konflikt mit Moskau geradezu reflexhaft den Stopp der Ostseepipeline NordStream 2 gefordert. Diesem Ansinnen freilich hat Bundeskanzler Scholz mit der Aussage, dass es sich bei dem Projekt um eine privatwirtschaftliche Angelegenheit handele, eine Absage erteilt.

Was fehlt ist eine Perspektive, die den legitimen Interessen aller Beteiligten Rechnung trägt. Russland wird akzeptieren müssen, dass der Kreml keinem Land untersagen kann, Mitglied der NATO zu werden, und dass jedes Agieren gegen einen Beitrittskandidaten andere Staaten noch näher an die NATO rückt. Der Westen wird im Gegenzug akzeptieren müssen, dass es klüger ist, die bestehenden Bündnisse nicht zu erweitern, um die Russen nicht zu provozieren – und stattdessen nach anderen Wegen zu suchen.

Ein denkbarer Ausweg wäre eine Rückbesinnung auf die OSZE, in der alle Konfliktparteien gleichberechtigte Mitglieder sind. Und ein erster möglicher Schritt zum langen Wiederaufbau von Vertrauen wäre die Reaktivierung von Formaten wie dem NATO-Russland-Rat, der einst geschaffen worden war, um im Falle eines Konfliktes wenigstens auf der Fachebene einen Gesprächskanal zu haben – und dann seit 2014 weitestgehend auf Eis lag.

Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs vor hundert Jahren hat gezeigt, in welche Katastrophe Europa und die Welt gleiten können, weil die Regierungen das gegenseitige Misstrauen nicht aus der Welt schaffen konnten. Dies sollte Warnung genug sein, das allseitige Geraune und Androhen von Sanktionen zu unterlassen – und stattdessen alle Bemühungen darauf zu richten, einen Konflikt, der niemandem nützt, endlich zu beenden.


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Kommentare

Mats Osrig am 24.01.22, 12:04 Uhr

Die Ukraine ein selbständiger Staat? Vielleicht auf dem Papier! Tatsächlich ist es ein Konstrukt, entstanden aufgrund der Lautsprecherei einiger Weniger in Kiew, welche die Irritation und Betäubung der Menschen zwischen Lemberg und Luhansk nach dem Zerfall der UdSSR ausnutzten, sowie der Politik der Angloamerikaner, die ihre Gegner klein und zersplittert halten wollen. Was ihnen im Falle Deutschlands ja auch gelungen ist!

Im Grunde wäre es recht einfach!
Der östliche Teil geht zurück an Russland, die westlichen Landesteile zurück an Polen - aber nur dann, wenn die Polen ihrerseits unsere Ostgebiete zurückgeben - wir wollen ja schließlich keinem neuen "Groß-Polen" Vorschub leisten.

Letztlich sollten alle in Folge der Weltkriege erfolgten Grenzänderungen in Europa auf den Prüfstand kommen und in einem gemeinsamen europäischen Abkommen festgelegt werden.
Allerdings - ich sehe keine deutsche Regierung, die Willens wäre, das Unrecht der durch kein Völkerrecht gedeckten Gebietsabtrennungen im Osten anzusprechen und die Rückführung einzufordern.
Lieber ergeht man sich lieber weiter in moralischem Herrenmenschen-Denken und Weltrettungsphantasien.

E. Berger am 22.01.22, 00:04 Uhr

Sobald die Ukraine in die NATO aufgenommen wurde, werden an der Grenze zu Russland Nuklear-Raketen aufgestellt, die in 5 bis 7 Minuten Moskau erreichen können.
Kein vernünftiger Mensch kann erwarten, dass Russland sich dies ohne Gegenwehr bieten lässt.

sitra achra am 20.01.22, 14:41 Uhr

Das Hauptsiedlungsgebiet der Russen, also ihre tatsächliche Heimat, ist das Gebiet um Moskau. Alles andere Gebiet ist im Lauf der Zeit brutal zusammengestohlen worden, s. auch Nordostpreußen in neuerer Zeit. Die Russen waren und sind noch immer eine Gefahr für ihre Nachbarn.
Im Krimkrieg hatten Briten und Franzosen die Absicht den russischen Kraken in kleine, ungefährliche Portionen zu teilen und den autochthonen Völkern ihre Freiheit wiederzugeben. Das ist zum Nachteil des Weltfriedens leider nicht geschehen, mit allen bösen Folgen, die das nach sich führte.
Hoffentlich müssen wir dieses Versäumnis nicht eines Tages bitter büßen. Wer überdies noch der aggressiven Politik Russlands seine Stimme leiht, ist an Naivität nicht zu toppen.

Siegfried Hermann am 20.01.22, 10:02 Uhr

Herr Nehring,
die Vorredner haben mit ihrer Kritik recht. Und bitte den Donbass nicht zu vergessen! Der seit Menschengedenken russisch. Nun gut.
Es sind nicht "die " Amis, die wieder überall zündeln. Es ist die Kabale-Biden-Administration wie wir sie von Obama kennen. Und Putin verhält sich sehr besonnen!
Und
Kobold-Lena hat mal wieder den Vogel abgeschossen, weil ihr " keiner zuhört", weil es dermaßen dümmlich und heuchlerisch ist und in einer jetzt lange Reihe von Katastrophen (Schwesterwelle, Fischer, Maas) das noch nach unten toppen kann.
Hiiillllffffeee!
Gott, schütze uns vor Sturm und Hagel und diesen unsäglich dummen Grünen.
Nebenbei:
Mal schaun, was die Staatsanwaltschaft und vor allem der Richter jetzt sooo anstellt.
Die haben allesamt soviel Dreck am stecken und müssten gleich wieder abrasiert werden! Aber, das ist eine andere Baustelle....

Alexander Schlesinger am 19.01.22, 13:29 Uhr

Ich finde es sehr schade, daß sie nachplappern, was Systemmedien vorgeben. Die Krim wurde nicht annektiert, da wurde das Volk befragt. Bei der Annexion der DDR hat mich keiner gefragt. Einfach mal Klappe halten. Und Rußland hat jedes Recht der Welt, dem arroganten Westen im allgemeinen und der NATO im Besonderen zu drohen.

Michael Holz am 19.01.22, 13:29 Uhr

"Seit der damaligen Annexion der Halbinsel Krim durch Russland ... "

"Die jüngste Eskalation begann mit der Aussage des US-Präsidenten Joe Biden im Dezember 2021, dass seine Geheimdienste Erkenntnisse über Pläne für eine russische Invasion in die Ukraine hätten."

Herr Nehring, Sie verwenden die politische Sprachweise der NATO. Es würde vielleicht besser sein, sich einmal die sogenannte "Annexion" der Krim anzuschauen, was dort tatsächlich passiert ist und wie die ethnische Zusammensetzung der Krimbewohner war und ist. Ist Ihnen bekannt, dass der Ukrainer Chrustschov in den 60er Jahren, die russische Krim aus Verwaltungsgründen und wegen seiner ethnischen Herkunft an die Ukraine übertragen hat? Im Zuge der Auflösung der UdSSR hätte die Krim sofort an Russland zurück übertragen werden müssen.
Und wenn Sie den amerikanischen Geheimdiensten vertrauen, können Sie auch davon überzeugt sein, dass im Irak Massenvernichtungswaffen immer noch lagern.
Die Amis lügen wie gedruckt, wenn es um ihre "nationalen Interessen" geht. Ich bin ein Freund der amerikanischen Bevölkerung aber nicht deren Geheimdienste und Politiker!!!

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