20.04.2024

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Spuren der Vergangenheit

Ein Kaiser-Pavillon in Swinemünde

Die einst jüngste Stadt Preußens und erstes preußisches Seebad bietet viele Sehenswürdigkeiten

Wolfgang Reith
29.05.2023

Die Stadt Swinemünde, die heute 41.000 Einwohner zählt, liegt im kleineren, jetzt polnischen Teil der Insel Usedom. Von den insgesamt 445 Quadratkilometern gehört der größte Teil mit 354 Quadratkilometern zu Mecklenburg-Vorpommern. Schon in den Jahren 1875 bis 1880 war der südöstliche Zipfel von Usedom mit dem Ort Caseburg abgetrennt worden, als man einen zwölf Kilometer langen Kanal („Kaiserfahrt“) grub.

Das Gebiet ist seither nur noch von der Nachbarinsel Wollin aus über eine Brücke erreichbar. Auch die Verbindung zwischen Usedom und Wollin war bisher nur durch Fähren möglich. Ende Mai des Jahres soll jedoch die Eröffnung des neuen, seit 2018 im Bau befindlichen Swinetunnels erfolgen. Seit dem Beitritt Polens zum Schengen-Raum am 21. Dezember 2007 fielen die Personenkontrollen an der Grenze, und seither kann man zwischen Ahlbeck und Swinemünde ungehindert am Strand entlanglaufen.

Auch die Usedomer Bäderbahn, die bis 2008 an der Grenze endete, fährt seither bis nach Swinemünde, und für viele deutsche Urlauber, die auf die Insel kommen, gehört ein Besuch des polnischen Teils zum Pflichtprogramm. Immerhin war Swinemünde bis 1945 Deutschlands größtes Seebad und zugleich Verwaltungszentrum der Inseln Usedom und Wollin.

Der Frieden von Stockholm
Als 1720 mit dem Frieden von Stockholm auch die Swinemündung an Brandenburg-Preußen fiel, gab es dort nur zwei unbedeutende Dörfer: Westswine auf Usedom und Ostswine auf Wollin, denn die Swine trennt die beiden Inseln voneinander. Erst Friedrich der Große erkannte die strategische Bedeutung der Lage, da die Swine die kürzeste Verbindung von der Ostsee nach Stettin und weiter in die Oder bildet. Deshalb ordnete er den Ausbau eines Hafens und die Gründung einer Stadt an. Ab 1743 begann die Entwicklung, doch es dauerte noch Jahrzehnte, bis aus den Dörfern beidseits der Swinemündung ein Gemeinwesen wurde.

1754 zählte die Siedlung gerade einmal 670 Einwohner, und am 3. Juni 1765 wurde der Ort durch königliche Kabinettsorder unter dem Namen Swinemünde zur Immediatstadt (unmittelbar dem König unterstellt). Der Aufbau der Verwaltung ging nur schleppend voran, erst 1806 entstand ein Rathaus und man sprach von der „jüngsten Stadt Preußens“.

Inzwischen wuchs auch die Bevölkerung: Lebten 1796 nur 2123 Menschen in Swinemünde, so hatte sich die Zahl bis 1850 auf 4427 Einwohner mehr als verdoppelt. Dazu trug auch die Tatsache bei, dass die Stadt 1823 zum ersten preußischen Seebad erklärt wurde.

Theodor Fontane verlebte von 1827 bis 1832 seiner Kindheit dort, weil sein Vater in jener Zeit die Stadtapotheke führte. Ab 1848 erfolgte die Anlage einer Festung, 1853 wurde Swinemünde Garnisonsstadt. Insbesondere Kaiser Wilhelm II. weilte hier oft zu Besuch, weshalb der Ort bald auch zu den sogenannten Kaiserbädern zählte. Nach 1918 wurde Swinemünde Marinestandort, Flottenstützpunkt und Ausbildungsbasis. Mit dem verheerenden Bombenangriff vom 12. März 1945, der die Stadt weitgehend in Schutt und Asche legte, endete ein historisches Kapitel.

Obwohl die Polen sich nach 1945 darum bemühten, Swinemünde möglichst schnell wieder als Seebad zu etablieren, blieb dies anfänglich unmöglich, weil das Kurviertel mit seinen Villen am Strand und der Promenade, die den Krieg zum Teil unbeschadet überdauert hatten, bis 1960 von Offizieren der Baltischen Rotbannerflotte und deren Familien requiriert war. Erst als die Sowjets sich allmählich zurückzogen, konnte der Kur- und Badebetrieb in bescheidenem Umfang wieder aufgenommen werden.

Nach den politischen Umwälzungen von 1989/90 begann ein Neuanfang, die alte Bausubstanz wurde restauriert und modernisiert. Viel Neues kam hinzu, und inzwischen gehört Swinemünde neben Misdroy, Kolberg und Zoppot zu den beliebtesten Badeorten an der polnischen Ostseeküste. Das Verhältnis zu den deutschen Nachbarn ist hervorragend, seit der Grenzöffnung gibt es einen Kooperationsvertrag mit dem benachbarten Seebad Heringsdorf.

Inzwischen hat Swinemünde den Seebädern auf der deutschen Seite Usedoms sogar den Rang abgelaufen. Immer mehr Deutsche kommen im Urlaub hierher. Ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis und freundlicher Service sind dafür ein überzeugendes Argument. Darüber hinaus trifft man dreisprachige Informationen auf Deutsch, Polnisch und Englisch an.

Die Swine teilt die Stadt in zwei Areale: Zentrum und Kurbereich liegen im Westen auf der Insel Usedom, die östlichen Vororte befinden sich auf der Insel Wollin. Fährt man mit dem Schiff in den Hafen ein, erblickt man zunächst zwei Molen, die vor dem Versanden schützen sollen. Charakteristisches Zeichen auf der Westseite ist eine weiße Leuchtbake in Form einer Windmühle, während auf der Ostseite der Leuchtturm steht, der in den Jahren 1857 bis 1859 erbaut wurde.

Mit 68 Metern Höhe war er damals der höchste Leuchtturm der Welt, ist noch heute der höchste Leuchtturm an der Ostsee und das weithin sichtbare Wahrzeichen der Stadt. Von seiner Aussichtsplattform hat man einen grandiosen Blick über die gesamte Stadt und ihre Umgebung, darunter auf die Festungen am Westufer der Swine, dem Westfort und der Engelsburg. Ersteres, auch als Westbatterie bezeichnet, ab 1857 erbaut und 1863 erweitert, diente der Verteidigung der Swinemündung.

Interessante Befestigungsanlagen
Heute befindet sich ein Museum über die Geschichte der Anlage darin. Die Engelsburg, 1854 nach dem gleichnamigen Vorbild in Rom errichtet, wurde zu Beginn des Zweiten Weltkrieges (1940) ausgebaut und modernisiert. Nach dem Krieg waren hier bis 1992 sowjetische Streitkräfte stationiert, heute wird die Anlage für verschiedene Ausstellungen (Malerei, Mineralien, Kunstschmuck) genutzt, außerdem beherbergt sie ein Militärmuseum.

Seit einigen Jahren kann man auch das Fort Gerhard (Ostbatterie) mit seinem ausgedehnten Bunker- und Gängesystem besichtigen. Es liegt am östlichen Swine­ufer auf Wollin, wurde in den Jahren 1856 bis 1863 erbaut und mit einem Wassergraben umgeben. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde es von der Marine übernommen, nach dem Zweiten Weltkrieg nutzte es bis 1961 das sowjetische Militär.

Heute ist ein historisches Museum darin untergebracht, das über die Geschichte der weitläufigen Anlage informiert. Die Touristenführer, oft polnische Germanistikstudenten, tragen mitunter preußische Uniformen (mit Pickelhaube und Feldmütze) aus der Zeit von vor 1914 und verabschieden sich nach Abschluss des Rundgangs mit einem Salut aus einer alten Kanone.

Zu den weiteren Sehenswürdigkeiten der Stadt zählen das Kurviertel sowie das alte Rathaus, das den Angriff von 1945 überstand und in dem ein Museum für Hochseefischerei sowie im oberen Stockwerk ein Heimatmuseum untergebracht sind, welches auch die deutsche Vergangenheit der Stadt nachzeichnet.

Neben der bereits genannten „Kaiserfahrt“ erinnert seit 2009 am Hafen auch ein schickes Restaurant mit dem Namen „Des Kaisers Pavillon“ (in Frakturschrift!) an die Ära des alten Kaiserbades, als Kaiser Wilhelm II. regelmäßig hierherkam. Das Restaurant bestand seit 1992 in Heringsdorf und musste nach dem Auslaufen des Mietvertrages umziehen. In den drei deutschen Kaiserbädern fand sich kein neues Domizil, dafür jedoch in Swinemünde direkt am Hafen in der Swinestraße [ul. Ignacego Daszyńskiego].

Seither kommen nicht nur deutsche Stammgäste aus Heringsdorfer Zeiten hierher, sondern auch polnische Swinemünder, die mal die „deutsche Küche“ ausprobieren möchten.


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