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Ingeborg Odelga, die literarische Stimme der Deutschen um Oppeln, erhielt die Auszeichnung „Brücken des Dialogs“
Die Oppelner Philharmonie war am 14. November Schauplatz der Preisverleihung für die Auszeichnung „Brücken des Dialogs“. Der Preis wurde vor zwölf Jahren vom Oppelner Marschallamt und dem Haus der deutsch-polnischen Zusammenarbeit, das der Deutschen Minderheit nahesteht, ins Leben gerufen. Ausgezeichnet werden Institutionen, Organisationen und Menschen, die den deutsch-polnischen Dialog fördern.
In der Kategorie Institution hat das Museum des Neustädter Landes in Neustadt/Oberschlesien [Prudnik] den Preis erhalten. Zu den preisgekrönten Verbänden 2022 zählt der Bildungsverein Pro Liberis Silesiae, der drei deutsch-polnische Montessori-Kindergärten und -Grundschulen in der Woiwodschaft Oppeln betreibt. In der Kategorie Menschen wurde die 96-jährige Heimatdichterin Ingeborg Odelga ausgezeichnet.
„Wäre Ingeborg Odelgas Leben ein fertiges Buch, dann wäre es ein langer und spannender Roman. Es hätte einige traurige Kapitel, aber auch Passagen, die mit Glück und Erfolg gefüllt wären. Und es würde eine Frau beschreiben, die sich immer treu geblieben ist, die bescheiden, aber zielsicher ihr Leben lebt und mit viel Mut immer wieder etwas Neues wagt“, sagte Anna Durecka aus Groß Döbern [Dobrzeń Wielki]. Die Germanistin und Journalistin bewundert die Autorin, weil sie den heimatverbliebenen Deutschen um Oppeln immer wieder Mut zum Engagement macht.
Odelga lebt in ihrem Geburtshaus direkt am Ring des zwölf Kilometer von Oppeln entfernten Städtchens Proskau [Prószków]. Sie liebt ihren kleinen Garten, in dem ein über 100 Jahre alter Birnbaum steht. Diesen hat bereits ihre Mutter gepflegt. Der Baum hat bereits einen Blitzeinschlag überstanden, „er ist so widerstandsfähig wie ich“, sagte Odelga. Sie kam im Leben viel herum, aber ihr Weg führte immer wieder zurück nach Proskau.
Ihr erstes Gedicht verfasste sie im Arbeitsdienst. Ein halbes Jahr musste sie fern der Heimat schwer arbeiten und auf einem Strohsack schlafen. Damals hat sie sich ihr Leid von der Seele geschrieben. Mit 13 Jahren zog Odelga nach Berlin, wo sie eine Krankenschwesterausbildung abschloss. Nach Proskau kehrte sie 1945 zurück und musste sich der neuen Realität im nun polnisch verwalteten Oberschlesien stellen. Ohne Polnischkenntnisse durfte sie nur als Stationshilfe im Krankenhaus arbeiten. Doch bald schon holte sie die Krankenschwesterfortbildung und das Abitur nach. 1950 nahm sie ihren Dienst als Krankenschwester auf, den sie 30 Jahre lang ausübte. Nach der Pensionierung diente sie als Rotkreuzschwester in den um Proskau liegenden Dörfern. Dadurch lernte sie viele Menschen kennen, die ihr vertrauten. Sie sammelte unter ihren Bekannten und Verwandten, damals noch verbotenerweise, Unterschriften, mit denen sie sich zum Deutschtum bekannten. Als die Deutsche Minderheit als Organisation zugelassen wurde, war sie euphorisch. „Ich habe meine Bekannten und Verwandten zu mir eingeladen und sagte: ‚Wir werden hier in meiner Küche deutsche Lieder singen': ,Hohe Tannen', ,Lustig ist das Zigeunerleben', ,Am Brunnen vor dem Tore', auch Kirchenlieder sangen wir. Eine Nachbarin spielte Ziehharmonika“, erinnert sich Odelga.
Mitte der 90er Jahre wurden der deutschen Volksgruppe in Oberschlesien knapp bemessene Sendezeiten in öffentlich-rechtlichen Radiosendern zur Verfügung gestellt. Der Oppelner Sender delegierte damals einen eigenen Redakteur ab, der die Sendung „Nasz Heimat“ (Unsere Heimat) gestaltete. Eines Tages kam ein Aufruf zur Hörerbeteiligung, und so schnappte sich Odelga ihren Eichendorff-Band und klopfte beim Sender an. „Es trifft sich gut, wir wollen gerade aufzeichnen“, hörte sie vom zuständigen Redakteur. „Und so kam ich direkt von der Straße ans Mikrofon“, erinnert sie sich.
Odelgas Stimme blieb 20 Jahre auf Sendung. Und weil ihr irgendwann die Gedichte ausgingen, begann sie ihre eigenen vorzulesen. „Man sollte immer ein Ziel im Leben haben, in Bewegung bleiben, außerdem standfest sein, genügsam und bescheiden leben.“ Anfang des Jahres hat der Proskauer Verband der Deutschen Minderheit eine Auswahl von Odelgas Gedichten – von ihr vorgetragen – als CD herausgebracht. „Poesie in meinem Leben“ heißt das mit 20 Gedichten bestückte Album.
sitra achra am 30.11.22, 11:30 Uhr
Selbst wenn Schlesien wieder zurückgegeben würde, mit wem wollten wir es "peuplieren"? Waschechte Deutsche wie Frau Ingeborg gibt es schon längst nicht mehr, nur Flaschenetikette für deutsche Flaschen ohne Inhalt.
Chris Benthe am 26.11.22, 07:58 Uhr
Wunderbare Geschichte. Tapfere, edelmütige Frau. So waren viele Deutsche einmal, wie der unerschütterliche Birnbaum in ihrem Garten. Danke für den Einblick.