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Zwischen Bewunderung und Verachtung – Maurice de Vlaminck im Von der Heydt-Museum in Wuppertal
Skandal und Empörung in der Pariser Kunstszene im Jahr 1905: Eine Handvoll Künstler um Henri Matisse stellte einige Gemälde – meist Landschaftsbilder – mit leuchtenden, grellen Farben aus. Die Künstler überschritten alle damals üblichen Konventionen. Die Gegenstände wurden nicht mehr naturgetreu abgebildet, Formen radikal vereinfacht dargestellt und Farben pur „mit Schmackes“ auf die Leinwand „gehauen“. Kritiker fanden damals Begriffe wie „Farbenrausch“ und sogar „wilde Bestien“ (Französisch: fauves) für diese Kunst und diese Künstler. Der Fauvismus war geboren.
Einer dieser sogenannten „Fauve“ war Maurice de Vlaminck (1876–1958). Der Name deutet schon auf die flämische Herkunft hin. Tatsächlich stammte der Vater aus Flandern. Maurice wird allerdings in Paris geboren. Als Zwölfjähriger erhielt er zwar schon Malunterricht, doch eine akademische Ausbildung absolvierte er nicht. Stattdessen bestritt er seinen Lebensunterhalt in jungen Jahren als berufsmäßiger Radrennfahrer, als Mechaniker, als Boxer, als Musiker und mit Militärdienst.
Zur Malerei fand er erst als 24-Jähriger zurück. Im Jahr 1900 lernte er den Maler Andrè Derain kennen, mit dem er sich auf der Seine-Insel Ile de Chatou in Paris ein Atelier teilte. Landschaften entlang der Seine, die er als geübter Radfahrer abfuhr, waren die von Vlaminck bevorzugten Gegenstände seiner Malerei. Sein Vorbild war Vincent van Gogh. Satte Farben, ungemischt direkt aus der Tube, und ein dynamischer Pinselstrich kennzeichneten seine Bilder. Auf traditionelle Regeln der Kunst nahm de Vlaminck keine Rücksicht. So wurden er, Derain und andere Maler um Henri Matisse schließlich seit jener legendären Ausstellung im Salon d'Automne 1905 mit Attributen wie „rebellisch“ und „wild“ bedacht. „Die Begriffe“, meint die Wuppertaler Kuratorin Anna Storm, „waren anfangs sicher negativ besetzt, entwickelten sich dann aber zum Markenzeichen der Künstlergruppe.“
Der Fauvismus galt als modern, ja avantgardistisch und beeinflusste damals zahlreiche Künstler wie zum Beispiel den aus Russland stammenden Marc Chagall, dessen farbenprächtige Bilder den fauvistischen Einfluss belegen. Beeindruckt war wohl auch der Wuppertaler Bankier und Sammler August von der Heydt, denn er erwarb bereits 1911 das Vlaminck-Gemälde „Stillleben“, das in der Ausstellung zu sehen ist.
Nach dem Wehrdienst im Ersten Weltkrieg wandte sich Vlaminck von der Pariser Avantgarde ab. Die Farben seiner Bilder wurden nun gedämpfter, die Gegenstände erhalten mehr Kontur – kurzum: Der „Rebell“ wurde bürgerlicher. 1928 heiratete er Berthe Combe, wurde Vater zweier Töchter. Vlamincks Verhältnis zum Nationalsozialismus erschien widersprüchlich: In der Ausstellung „Französiche Kunst der Gegenwart“ in Berlin 1937, die auch von Hitler und Göring besucht wurde, war er vertreten. Gleichzeitig wurden Vlamincks Gemälde in acht deutschen Museen als „entartete Kunst“ beschlagnahmt.
Manche Kunsthistoriker stufen de Vlaminck sogar als „NS-Kollaborateur“ ein. Nach einer Deutschlandreise 1941 lobte er überschwänglich die nationalsozialistische Kunst- und Kulturpolitik. Auch war er gut bekannt mit dem Bildhauer Arno Breker. Bei einer Breker-Ausstellung im besetzten Paris 1942 schloss er sich dessen Schmähungen gegenüber Pablo Picasso an. Jener Picasso, von dem er sich 35 Jahre zuvor noch hatte inspirieren lassen und den er bewundert hatte.
Nach dem Krieg wurde über de Vlaminck ein einjähriges Ausstellungsverbot in Frankreich verhängt. Sein Spätwerk bis zu seinem Tod 1958 blieb wenig erforscht und ist noch nicht vollständig verzeichnet.
„Maurice de Vlaminck. Rebell der Moderne“, bis 18. Mai im Von der Heydt-Museum, Turmhof 8, Wuppertal, geöffnet täglich außer montags von 11 bis 18 Uhr, donnerstags bis 20 Uhr, Eintritt: 12 Euro, www.von-der-heydt-museum.de