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Verblichene Pracht: Seit Jahren bietet Schloss Steinort – hier im August 2021 – einen prekären Eindruck. Die bisherigen Wieder- herstellungsarbeiten galten vor allem der Sicherung der Fundamente des Bauwerks
Foto: NehringVerblichene Pracht: Seit Jahren bietet Schloss Steinort – hier im August 2021 – einen prekären Eindruck. Die bisherigen Wieder- herstellungsarbeiten galten vor allem der Sicherung der Fundamente des Bauwerks

Ostpreußen heute

Ein masurisches Kleinod erwacht zu neuem Leben

Die Wiederherstellung des Herrenhauses Steinort macht allmählich Fortschritte

René Nehring
15.09.2021

Lange sah es so aus, als wäre Steinort dem Untergang geweiht. Während die meisten Orte Masurens seit dem Fall des Eisernen Vorhangs einen Aufschwung verzeichnen konnten, verfielen das Schloss der Grafen Lehndorff am Steinorter See (einem Nebengewässer des Mauersees) und die umliegenden Wirtschaftsgebäude Jahr für Jahr ein bisschen mehr.

Seit den 1950er Jahren als Sitz eines staatlichen Landwirtschaftsbetriebs genutzt, fiel Steinort nach dem Fall des Eisernen Vorhangs zunächst in die Hände eines österreichischen Investoren, der mit den Erhaltungs- und Sanierungsmaßnahmen überfordert war, und anschließend an eine Warschauer Firma, die sich lediglich um den am Ufer errichteten Segelhafen kümmerte und Schloss samt Park und Wirtschaftsgebäuden verfallen ließ.

Auch die Übernahme des Herrenhauses durch die 2007 nach dem Vorbild der Deutschen Stiftung Denkmalschutz gegründete Polnisch-Deutsche Stiftung Kulturpflege und Denkmalschutz im Jahre 2009 brachte keine Wende. Denn der Stiftung fehlte neben den finanziellen Mitteln für die Sanierung auch ein Nutzungskonzept für die Zeit danach. So konnten lediglich kleinere Sicherungsarbeiten erfolgen.

Ein Sachse in Preußen

Bewegung in das Projekt kam erst mit dem Dresdner Bauingenieur Prof. Dr. Wolfram Jäger. Durch die Lektüre des 2010 erschienenen Buches „Doppelleben. Heinrich und Gottliebe von Lehndorff im Widerstand gegen Hitler und von Ribbentrop“ der Grünen-Politikerin Antje Vollmer hatte der Sachse Interesse an Ostpreußen sowie an der Geschichte Steinorts und der Familie Lehndorff gefunden. Als dann in der sächsischen Burg Kriebstein Teile des wertvollen Interieurs des ostpreußischen Herrenhauses gefunden wurden und der Freistaat Sachsen erklärte, die Stücke an die Lehndorffs zurückgeben zu wollen, begann Jäger, sich vertiefter mit Steinort zu befassen. Dabei sah er, wie dringend bauliche Hilfe notwendig ist.

Als Professor an der TU Dresden machte sich Jäger, der bereits beim Wiederaufbau der Frauenkirche mitgewirkt hatte, mit einigen Studenten auf den weiten Weg nach Osten, um zunächst den Zustand des Herrenhauses Steinort und dessen Schäden genau zu erfassen. Professor und Studenten waren gleichermaßen fasziniert, bot der Ort doch eine große Bandbreite an baulichen Gegebenheiten wie Mauerwerk, Holzbalkendecken und Dachkonstruktion sowie auch Probleme wie Pilz- und Insektenbefall, an die Studenten im Zusammenhang mit dem historischen Bauen herangeführt werden müssen. Anschließend befassten sich die Studenten in wissenschaftlichen Arbeiten mit Steinort und den Herausforderungen seiner Wiederherstellung.

Das erste Sanierungsprojekt war – finanziert von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt – die Sicherung der Keller. Um von der öffentlichen Hand weitere Gelder zu bekommen, entwickelte Jäger eine Nutzungskonzeption, die neben der Einrichtung von Museumsräumen zur Geschichte des Ortes und Veranstaltungsräumen auch die Ansiedelung eines Wissenschaftskollegs vorsieht, in dem Studenten zu Themen wie der Bau- und Kunstgeschichte der Herrenhäuser in Ostpreußen oder dem nachhaltigen Waldbau forschen können. Für die Jahre 2019 und 2020 bewilligte der Bundestag dafür jeweils 500.000 Euro, die angesichts der anstehenden Aufgaben kaum mehr als der sprichwörtliche Tropfen auf den heißen Stein sind. Doch immerhin hat Steinort die Aufmerksamkeit der deutschen Politik erreicht, wofür Jäger insbesondere den Bundestagsabgeordneten Eckhard Pols und Patricia Lips dankbar ist.

Erfassung der Bausubstanz

Seine rechte Hand ist die Italienerin Debora Di Sante, die vor einigen Jahren als Erasmus-Studentin von der Universität L'Aquila nach Dresden kam und zu den Hochschülern gehörte, die mit ihrem Professor nach Steinort aufbrachen. Im Rahmen ihrer Diplomarbeit nahm Di Sante unter anderem eine genaue Vermessung der vorhandenen Räume vor, kartierte die Schäden am Mauerwerk und in den historischen Holzbalken und führte Recherchen zu Alter und Material noch vorhandener Wandbemalungen durch. Mit diesem Wissen entwirft sie nun die Baupläne für die Sanierung der einzelnen Räume und für die technischen Installationen.

Für die ordnungsgemäße Umsetzung der Pläne sorgt insbesondere der heute in Masuren ansässige, jedoch aus der Schweiz stammende Bauunternehmer Matthias Hohl mit seinen Leuten. Handwerklich solide und geduldig widmete sich Hohl zunächst der Fundamentsicherung und der Komplettierung der Regenwasserkanalisation sowie der Drainage, die arg in Mitleidenschaft gezogen waren, um nun – auf sicherem Fundament – den weiteren Ausbau vorantreiben zu können.

Spannend ist, wie der Schweizer nach Ostpreußen fand. Aufgewachsen am Zürichsee, wo auch der Dichter Ernst Wiechert bis zu seinem Tode 1950 lebte, hatte Hohl in der Schule einen Deutschlehrer, der von Wiecherts Werken so begeistert war, dass er diese seinen Schülern immer wieder empfahl. So wuchs in Hohl schon früh das Verlangen, die von Wiechert beschriebenen ostpreußischen Landschaften sehen zu können. Deshalb reiste er bereits in den 1970er Jahren nach Osten und kam seitdem immer wieder – bis er irgendwann blieb.

Neues Leben in alten Gemäuern

Allmählich werden die Baufortschritte auch für die Besucher des Ortes sichtbar. Ein erster Schritt war die Eröffnung eines Info-Raumes im Erdgeschoss, ein weiterer die Eröffnung des „Café Nona“ vor wenigen Tagen. Benannt ist das Café, das derzeit kaum mehr ist als ein Raum zum Kaffeetrinken, jedoch in Kürze eine richtige Küche haben wird, nach Marie-Eleonore v. Haeften, der ältesten Tochter Heinrich v. Lehndorffs, die alle nur „Nona“ nannten. Hier will Jäger künftig Touristen zum Verweilen und zur tieferen Beschäftigung mit dem Ort und seiner Geschichte einladen.

Den idealen Anlass für die Eröffnung des Cafés bot der diesjährige Kultursommer, bei dem erstmals die neu gestiftete Lehndorff-Medaille verliehen wurde: an Antje Vollmer für ihr Buch „Doppelleben“ und an den früheren polnischen Botschafter in Deutschland Janusz Reiter für seine Verdienste um die deutsch-polnische Verständigung. Am Abend zuvor wurde bereits der Abschluss der Sicherungsarbeiten an der Lehndorffschen Begräbniskapelle auf dem Steinorter Friedhof in einer kleinen Andacht begangen.

Die Laudatio auf Reiter hielt der deutsche Botschafter in Warschau, Arndt Freytag v. Loringhoven. Als im Anschluss an die Verleihung der Schauspieler Michael Mendl – vor dem illuminierten Herrenhaus – den letzten Brief Heinrich Lehndorffs an die Gemahlin Gottliebe vor seiner Hinrichtung vortrug, lief allen Anwesenden ein Schauer über den Rücken. Und es offenbarte sich einmal mehr die ganze Magie dieses besonderen Ortes preußisch-deutscher Geschichte.

Am Morgen danach enthüllten Professor Jäger und Botschafter Loringhoven gemeinsam mit „Nonas“ Sohn Dirk v. Haeften den Namen des neuen Cafés im Schloss Steinort. Bis zur vollständigen Sanierung des Herrenhauses ist es freilich noch ein weiter Weg. Doch immerhin sind die ersten Schritte vielversprechend.


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Kommentare

Heinz Schürmann am 17.09.21, 15:04 Uhr

Interessanter Artikel. Seit vielen Jahren besuche ich regelmäßig Steinort mit Gruppen.
Heinz Schürmann

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