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Von der Marienburg zum Friedrichsdenkmal – Ein reich bebildeter Katalogband würdigt Friedrich Gilly, sein Werk und seine Freunde
Ein Buch über Friedrich Gilly kann nur schön sein. Sein Werk strahlt bis in die kleinsten Entwürfe Schönheit aus. Und auch wenn die Ausstellung, deren Katalog hier besprochen wird, schon zwei Jahre zurückliegt, so bleibt dieses reich bebilderte Buch. Fünfundzwanzig (Kunst-)Historiker taten sich für die Stiftung Stadtmuseum Berlin zusammen, um einen neuen Blick auf Friedrich Gilly zu werfen. Der Sohn des Baumeisters David Gilly, der im Alter von gerade einmal 28 Jahren im August 1800 im böhmischen Karlsbad starb, galt und gilt, obwohl er kaum ein Bauwerk, aber viele Entwürfe hinterlassen hat, als Künstlergenie, auch als „liebenswürdiger Mensch“, als Retter des im Verfall begriffenen Hochmeistersitzes des Deutschen Ordens, der Marienburg, und als Verherrlicher Friedrichs des Großen, dem er einen monumentalen Denkmalsentwurf für Berlin widmete.
Aufbauend auf dem grundlegenden Werk von Alste Oncken „Friedrich Gilly 1772–1800“ von 1935, in dem bereits der Großteil des Planmaterials veröffentlicht wurde, hatte sich das Berlin Museum 1984 mit Gilly befasst, waren 1997 von Fritz Neumeyer Gillys „Essays zur Architektur“ herausgegeben worden oder wandte sich 2007 die Kunstbibliothek zu Berlin in der Ausstellung „Neue Baukunst – Berlin um 1800“ Gilly wie seinem Umfeld zu. Dennoch ruht das Nachdenken nicht, und „Friedrich Gilly 1772–1800. Kubus, Licht und Schatten“ kann durchaus mit Neuem aufwarten, vor allem aber – und schon deshalb sei der Band allen Liebhabern nicht allein Gillys, sondern des Klassizismus schlechthin empfohlen – ist der Band hervorragend bebildert.
Architekt in großer Zeit
Die einleitenden Texte von Jan Mende und Fritz Neumeyer führen in Leben und Werk sowie die Zeit um 1800 ein, die Begegnung mit Goethe 1797, die Bedeutung von Schillers „Ästhetische Erziehung des Menschen“, die vereitelte Reise nach Italien und natürlich die Fahrt mit dem Vater nach Ostpreußen sind zu nennen. Barry Bergdoll geht auf Englisch der Rezeptionsgeschichte nach, lobt Onckens Doktorarbeit als „new standard of scholarly objectivity“ und zeigt die Bedeutung Gillys für viele Architekten noch des 20. Jahrhunderts. Typisch für Genauigkeit und Ehrlichkeit Christofer Herrmanns, des großen Forschers der Architektur des Deutschen Ordens, ist es zu fragen, ob sich denn zu den berühmten Marienburg-Ansichten „noch etwas grundsätzlich Neues“ sagen lässt. So fasst er zusammen. Anders Jerzy K. Kos; er bleibt mehr bei Vermutungen für das verwahrloste Mausoleum im schlesischen Dyhernfurt, schweift sich wiederholend ab und liefert trotz jener gerne von polnischen Historikern geäußerten negativen Hinweise auf ältere deutsche Historiker selbst nichts Neues.
Uwe Quilitzsch bringt Gilly mit dem Gartenreich Dessau-Wörlitz zusammen, Ulrich Leben beschreibt die Reise nach Paris und London sowie Gillys Beobachtungen zur Möbelkunst, während Eduard Wätjen Gillys Friedrichsdenkmal neben Entwürfe französischer wie deutscher Zeitgenossen stellt. Die 2022 verstorbene große Berliner Kunsthistorikerin Eva Börsch-Supan widmet sich Museumsentwürfen, darunter dem von Karl Friedrich Schinkel für die Kunsthalle in Königsberg.
Aus dem Freundeskreis Gillys stellt uns Berthold Freiherr Haller von Hallerstein den Baumeister Carl Haller von Hallerstein mit Planmaterial aus Privatbesitz vor. Gabriele Oswald rettet den Künstler Martin Friedrich Rabe und seine Möbel, die „fast vollständig in Vergessenheit geraten[en]“ sind.
Doch es müssen hier nicht alle Aufsätze genannt werden. Die sicherlich interessantesten Beiträge folgen unter „Interieur, Design und Skulptur“. Hier führt uns der brandenburg-preußische Schlösserforscher Guido Hinterkeuser in das nach 1945 abgerissene Schloss zu Schwedt an der Oder. Mit der ihm eigenen Gründlichkeit beschreibt er die entzückende „Rosenlaube“ und das „Chinesische Kabinett“. Das mit einem „[?]“ versehene Wort in: „Die Tapeten im Flügel wurden der Frangen [?] wegen abgenommen, und verkaufft“, heißt übrigens „Wanzen“.
Heraus ragt des Kunsthändlers Frank C. Möllers „Friedrich Gilly als Entwerfer von Vasen und Gefäßen“ mit der Vorstellung eleganter Flussglasgefässe. Wir erfahren, dass das preußische Königshaus die „zarten und zerbrechlichen Tafelaufsätze von Werner & Mieth gegenüber jenen der KPM“ bevorzugte und staunen über die Schönheit zahlreicher erhaltener Stücke. Engagiert ist der Text von Christina Petersen zu dem heute nur eingelagerten Fries der alten Münze zu Berlin, der längst ausgestellt gehört.
Der Band, den ein ansprechender Katalogteil mit farbigen Abbildungen abschließt, bereitet bis in Details Freude und auch Vergnügen, so jene Zeichnung Gillys eines „Kindes in ‚antikem' Wannen-Bett“, so wenn Christoph von Wolzogen uns nicht nur einen Kinderbrief zitiert, sondern auf versteckte zeichnerische Hinweise zur Freundschaft zwischen Gilly und Schinkel auf einem Buchtitel hinweist. Es gilt mit Freude zu entdecken.
Jan Mende (Hg.) Friedrich Gilly 1772–1800 Kubus, Licht und Schatten Lukas Verlag, Berlin 2023, 320 Seiten, 202 Abbildungen + Farbtafeln + Katalogteil. ISBN 978-3-86732-427-4