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Chortreffen im Berliner Humboldt-Forum mit Rockklassikern – Eine Textzeile von Udo Lindenberg wird dabei Opfer „woker“ Zensur
Das Chorkonzert „Vielstimmig“ dürfte am 16. und 17. November im Berliner Humboldt-Forum auf ein besonders großes Besucherinteresse stoßen. Wer wäre nicht neugierig zu hören, wie sich Udo Lindenbergs inzwischen schon klassisches Lied „Sonderzug nach Pankow“ ohne den „Oberindianer“ macht? Nachdem sich die Stiftung Humboldt-Forum dem „woken“ Zeitgeist unterworfen und angekündigt hatte, das anstößige „I-Wort“ aus der Textzeile zu streichen, entfachte dieser Entschluss bundesweit einen solchen medialen Aufschrei, dass man sich jede weitere Werbung für die Konzerte sparen konnte. Für Aufmerksamkeit ist gesorgt.
Bei der zweiten „Vielstimmig“-Ausgabe – die erste fand vor einem Jahr statt – kreist alles um das Jahresthema des Humboldt-Forums „Hin und weg – Der Palast der Republik ist Gegenwart“. Dazu werden Pop-Hits, Choräle, Schlager, Hymnen, Volkslieder, Balladen und Fugen an ungewöhnlichen Orten im Forum aufgeführt. Als Höhepunkte der Veranstaltung sammeln sich acht Berliner Chöre mit rund 200 Stimmen zweimal täglich auf den Galerien des großen Foyers, um von allen Seiten aus miteinander zu singen. Bei der Kooperation der Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss mit dem Chorverband Berlin soll dann auch Lindenbergs Versöhnungslied über die deutsche Teilung gesungen werden.
Der Ort der Aufführung ist gut gewählt. Auf dem Gelände des wiederrichteten Stadtschlosses der Preußenherrscher im Herzen Berlins, in dem das Humboldt-Forum ethnologische und asiatische Sammlungen präsentiert, befand sich früher der 2008 abgerissene Palast der Republik der DDR. Hier in „Erichs Lampenladen“ – so im Volksmund bezeichnet wegen der vielen Lampen des in der Regierungszeit des Staatschefs Erich Honecker errichteten Sitzes der DDR-Volkskammer – trat Udo Lindenberg 1983 anlässlich des Festivals „Rock für den Frieden“ auf. Auf Wunsch der DDR-Oberen verzichtete er darauf, seinen damaligen Hit „Sonderzug nach Pankow“ zu singen. Darin heißt es: „Ich muss da was klär'n mit eurem Oberindianer“ – gemeint war Honecker.
In den 1980er Jahren konnte man noch ungestraft das „I-Wort“ sagen. Heute schütteln sich viele Leute beim Wort „Indianer“, machen sprachlich einen weiten Bogen darum, ersetzen es durch unpassende Synonyme wie „Indigene“ oder „Native Americans“, lassen ihre Kinder beim Fasching nicht mehr im Indianerkostüm auftreten und verbannen alle „Winnetou“-DVDs und Karl-May-Bände aus ihren Regalen. Der Cancel-Culture fielen vor zwei Jahren beim Ravensburger Verlag sogar verlagsfrische Kinderbücher zu einem „Winnetou“-Film in einem Akt der Selbstzensur zum Opfer.
Das Wort „Indianer“ ist für viele heute ebenso toxisch wie „Neger“, „Zigeuner“ oder „Eskimo“. Für Zeitgenossen, die ihre „woke“ Gesinnung demonstrieren wollen, ist es, als verbrennen sie sich die Zunge beim Gebrauch dieser angeblich rassistischen Begriffe. Carmen Kwasny, Vorsitzende der Native American Association of Germany, weist darauf hin, dass „längst nicht alle Native Americans das Wort ,Indian' ablehnen“, denn es werde oft in Gesprächen im Alltag verwendet.
Die koloniale Fremdbezeichnung der nordamerikanischen Ureinwohner geht schließlich auf Christoph Kolumbus zurück, der bei seiner Seereise Richtung Westen irrtümlich glaubte, in Indien gelandet zu sein, als er die karibischen Inseln erreichte. Daher kann auch Kwasny am Begriff „Indianer“ nichts Rassistisches erkennen: „Vor dem geschichtlichen Hintergrund betrachtet, ist es äußerst problematisch, solche Verbotsentscheidungen über die Köpfe dieser Menschen hinweg zu treffen.“
Dass sich Honecker als DDR-Häuptling nicht rassistisch beleidigt sah, bewies die Tatsache, dass er von Lindenberg eine Lederjacke als Geschenk akzeptierte. Im Lied mutmaßte der Sänger, dass Honecker sich heimlich eine solche anziehe. Im Gegenzug revanchierte sich der DDR-Staatschef mit einer Schalmei als Gegengeschenk für Lindenberg.
Lindenbergs Lied ohne „Oberindianer“ macht keinen Sinn. Ersetzt wird es durch das Wort „Ober“ gefolgt von einem langgezogenen „i“. Dieser Gesang wird sich genauso „igitt“ anhören wie alles andere auf gendergerecht Umgebogene in unserer Sprache. Von Lindenberg wäre es konsequent gewesen, wenn er diesen Pfusch an seinem Lied untersagt hätte. Es scheint ihm nichts auszumachen.
Lindenbergs Hit ist nicht der einzige Rockklassiker, der an dem Chor-Wochenende im Humboldt-Forum zu hören sein wird. Im Rahmen der gemeinsamen Aufführungen aller acht Chöre im großen Foyer (Sonnabend um 15 und 17.30 Uhr sowie Sonntag um 14 und 16.30 Uhr) werden zwei weitere Lieder präsentiert, die sich aus verschiedenen Blickrichtungen dem Palast der Republik nähern. Rund 200 Sänger singen Arrangements von „Albatros“ von Karat und „Paradiesvögel“ von Silly – beides einstige DDR-Rockgruppen. An beiden Tagen haben die Besucher die Möglichkeit, spontan an Arbeitskreisen zu den Themen „Circle Singing“ und „Body Percussion“ mitzuwirken.
Insgesamt sind bei freiem Eintritt 40 Kurzkonzerte zu hören, die überall im Haus verteilt sind – auf Treppen, Fluren und Freiflächen, in Laboren und Ausstellungsräumen des Humboldt-Forums.