Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung
An der Ostsee, in Flüssen und Seen wurde schon vor der Ordenszeit eine intensive Fischwirtschaft betrieben
Ostpreußen war ein Paradies für Fischer. Diese konnten ihrer Arbeit sowohl in der Ostsee sowie dem Kurischen und dem Frischen Haff als auch an zwei Dutzend Flüssen und rund 1140 Binnenseen nachgehen. Daher gab es allein im Bereich der ostpreußischen Küste um die einhundert Fischerdörfer, die sich wie die Perlen einer Kette zwischen Vogelsang im Westen und Nimmersatt im Nordosten aufreihten. Dazu kamen fast 2000 Betriebe der Binnenfischerei.
Der Fischfang in der Ostsee profitierte davon, dass der Meeresgrund hier meist sandig war und somit den weitgehend ungehinderten Einsatz von Netzen aller Art erlaubte. Zu den wichtigsten Häfen für die Küstenfischerei in Ostpreußen zählten Pillau und Memel sowie ab 1902 dann auch Neukuhren an der Küste des Samlandes. Von hier liefen unter anderem die Motorkutter zu den Hauptfanggebieten für Dorsche, Heringe, Sprotten und andere Seefische aus.
Noch wichtiger für die ostpreußische Wirtschaft als die Ostseefischerei war die Hafffischerei. In den beiden Brackwasserseen zwischen dem Festland und der Kurischen beziehungsweise Frischen Nehrung tummelten sich Aale, Stinte, Zander, Barsche und etwa zwei Dutzend weiterer Fischarten. Deren Fang erfolgte mit Hilfe charakteristischer Segelkähne wie den Kurren- und Keitelkähnen, von denen es schließlich so viele gab, dass eine zu starke Reduzierung der Bestände drohte.
Die Binnenseen mit ihrer Gesamtfläche von fast 1200 Quadratkilometern beherbergten vor allem Brassen, Plötzen, Hechte, Karauschen, Bleie und Maränen. Auch hier waren die Erträge sehr ergiebig, währenddessem hatte die Flussfischerei eine geringere Bedeutung. Diese erhielt durch den winterlichen Fang von Neunaugen und Quappen ein besonderes lokaltypisches Gepräge. Bei den Fischern in Ostpreußen kamen ganz unterschiedliche Fanggeräte und -techniken zum Einsatz: Treib-, Zug-, Strand-, Stell-, Flunder und Sacknetze, Lachs- sowie Aalangeln, Reusen und Fangkörbe.
Gefischt wurde auf dem Gebiet des heutigen Ostpreußen schon lange vor der Expansion des Deutschen Ordens im
13. Jahrhundert durch die ortsansässigen Prußen und Kuren. Deren Nachkommen arbeiteten auch später überdurchschnittlich oft im Fischereigewerbe, während sich die deutschen Kolonisten eher als Bauern oder Handwerker betätigten. Mittelalterliche Quellen berichten, dass es bei der Ankunft der Ordensritter bereits eine sehr intensive Fangwirtschaft gab. Diese kam alsbald unter die Aufsicht des Ordens beziehungsweise der Bischöfe. So ernannte der Deutsche Orden bis 1400 rund 40 Fischmeister, welche die Nutzungsrechte an der Fischerei in den jeweiligen Gewässern vergaben und in diesem Zusammenhang sogenannte Keutelbriefe ausstellten, in denen unter anderem die Netzarten, Maschenweiten, Fangbezirke sowie jährlich zu zahlenden Abgaben für das Fischereiprivileg geregelt waren.
Fischmeister mit hohem Ansehen
Das Amt des Fischmeisters muss ein sehr hohes Ansehen genossen haben, was sich unter anderem daran ermessen lässt, dass der Fischmeister von Putzig, Heinrich Reffle von Richtenberg, im Jahre 1470 zum Ordenshochmeister avancierte. Die Wichtigkeit der Fischerei für den Orden und den Klerus resultierte nicht zuletzt aus den zahlreichen Fastentagen, die es damals zu berücksichtigen galt und die eine kontinuierliche Versorgung mit Fisch erforderten.
Ungeachtet dessen erließ der Deutsche Orden zu keinem Zeitpunkt eine umfassende fischereipolizeiliche Ordnung. Dies taten erst die weltlichen Herrscher in Ostpreußen nach der Umwandlung des Ordenslandes in ein Herzogtum. Historisch überliefert ist die Fischereiverordnung vom 30. Januar 1589, in der ältere Bestimmungen Erwähnung fanden, die verbessert werden sollten. Seitdem existierten Regelungen zum Fischfang sowie auch zum Fischhandel und zu den Fischpreisen, zu Nebenerwerbstätigkeiten der Fischer wie Bernsteinsuche, Jagd und Aufsammeln von Strandgut, zum Verhalten in Seenotfällen sowie zum persönlichen Auftreten der Fischer und Garnmeister. Diesbezüglich gab es unter anderem Vorschriften über die Einhaltung der Sonntagsruhe und ein allgemeines Verbot des Fluchens, Scheltens oder leichtfertigen Schwörens und des Fischverkaufs während der Gottesdienste.
Die Verordnung von 1589 wurde in den Jahren 1620, 1640, 1721, 1728, 1738, 1774, 1797 und 1843 ein ums andere Mal revidiert, präzisiert oder erweitert, bis schließlich am 7. März 1845 die neue Allgemeine Fischereiordnung für die Provinz Ostpreußen erschien, die ihrerseits am 30. Mai 1874 eine Novellierung erfuhr, bevor das Preußische Fischereigesetz vom 11. Mai 1916 den juristischen Rahmen setzte.
Hinter all diesen Regelungen über den Fischfang stand seit der Zeit des Deutschen Ordens stets auch der Wunsch der jeweils politisch Verantwortlichen, den Fischbestand durch ausgeklügelte Schutz- und Schonbestimmungen zu erhalten und jegliche Form von Raubfischerei zu unterbinden. Insofern befanden sich der Fischfang und der Artenschutz in den Gewässern Ostpreußens durchaus im Einklang.