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Ein schräges Stück Heimat

Besser spät als nie: In München wurde nach jahrzehntelangem Warten das Sudetendeutsche Museum eröffnet

Susanne Habel
20.10.2020

Zur offiziellen Eröffnung des Sudetendeutschen Museums waren wegen der Pandemie nur wenige prominente Gäste geladen, darunter der bayerische Ministerpräsident Markus Söder, die Kulturstaatsministerin Monika Grütters und Bernd Posselt, der Sprecher der Sudetendeutschen Volksgruppe. Die ersten Besucher zeigten sich begeistert vom Rundgang durch den Prachtbau im Münchener Osten unweit vom Gasteig. Das Museum, das für die Öffentlichkeit vom 30. Oktober an geöffnet ist, erstreckt sich auf einer Fläche von 1200 Quadratmetern direkt im Anschluss an das Sudetendeutsche Haus und zeigt auf fünf Etagen und mit 900 Exponaten die Geschichte dieser Volksgruppe.

Drei Millionen Sudetendeutsche wurden nach dem Zweiten Weltkrieg aus Böhmen, Mähren und Sudetenschlesien vertrieben. Davon landeten viele in der damaligen DDR, wo sie als „Umsiedler“ galten und sich nicht organisieren durften. Im Westen entstanden Vertriebenenverbände und auch etliche „Heimatstuben“ der Sudetendeutschen, die teilweise in kommunale Museen integriert wurden – aber kein zentraler Erinnerungsort.

CSU machte sich fürs Museum stark

Vor 30 Jahren, nach der deutschen Vereinigung, stellte die Bundesregierung den Vertriebenenverbänden den Bau von Landesmuseen für ehemalige deutsche Siedlungsgebiete in Aussicht. Unter den sudetendeutschen Institutionen und Heimatverbänden entbrannte eine heftige, lange Diskussion über ein zentrales Landesmuseum. Das erste Ergebnis war die Entscheidung für sudetendeutsche „Regionalmuseen“, von denen zwei inzwischen verwirklicht wurden: das Egerlandmuseum im oberfränkischen Marktredwitz und das Isergebirgsmuseum im schwäbischen Kaufbeuren-Neugablonz. Ferner gab es die Ostdeutsche Galerie in Regensburg mit Werken sudetendeutscher Künstler und das Böhmerwaldmuseum im Oberhausmuseum in Passau.

Um die Jahrtausendwende startete der damalige Vorstandsvorsitzende der Sudetendeutschen Stiftung, der CSU-Politiker Fritz Wittmann, eine Spendenaktion, um in München – wo schätzungsweise 200.000 Sudetendeutsche leben – ein zentrales Sudetendeutsches Museum zu schaffen. 2007 wurde ein Wissenschaftlicher Beirat gegründet. Mehrere Gründungsbeauftragte versuchten, eine Konzeption für ein Sudetendeutsches Museum zu erarbeiten.

Schließlich entschied man sich für das von der Volkskundlerin Elisabeth Fendl vorgelegte Konzept: Danach sollte auf der Basis der sudetendeutschen Sammlungen mit dinglichem Kulturgut ein modernes, an Exponaten orientiertes Museum geschaffen werden. So hatte das Sudetendeutsche Archiv, das bis zur Schließung 2006 in München rege tätig war, eine riesige Sammlung von Kulturgütern aus dem Sudetenland angelegt, die durch Sachspenden und Leihgaben ergänzt wurde.

Bei der Finanzierung teilten sich der Freistaat Bayern zu zwei Dritteln und der Bund zu einem Drittel die Baukosten von etwa 25 Millionen Euro. Die Sudetendeutsche Stiftung als Träger des Museums trug außerdem drei Millionen bei. Nachdem das Münchner Architekturbüro pmp architekten den Wettbewerb gewonnen hatte, baute man von 2015 bis Ende 2019 und nahm seither die Einrichtung und Bestückung des Museums mit seiner schrägen Fassadenkonstruktion vor.

Nun steht der wuchtige Bau mit Steinplattenverkleidung am Isarhochufer und lädt zur Zeitreise. Der Museumsrundgang beginnt im obersten Geschoss, das man über einen Lift vom Foyer aus erreicht. Von dort geht es über die Ausstellungsetagen immer treppab nach unten. Vom Treppenhaus öffnen sich dem Besucher aus auch Ausblicke ins Freie über die Isar auf München aus dem ansonsten aus konservatorischen Gründen fensterlosen, bunkerähnlichen Gebäude.

Geschichte, Wirtschaft und Kultur

Chronologisch werden zunächst die Vorgeschichte der Sudetendeutschen, von der ersten Besiedlung bis zur Epoche von Kaiser Joseph II., erläutert und die Landschaften vom Egerland im Westen bis zur Wischauer Sprachinsel im Südosten vorgestellt. Wirtschaft und Kultur sind die Hauptthemen der nächsten Etage mit Erzeugnissen sudetendeutscher Produzenten: Noch heute kennt man Kunert-Strümpfe, Znaimer Gurken, Pilsner Bier oder Gablonzer Schmuck. Auch Vereinswesen, Theater, Musik und literarisches Leben werden dargestellt.

Die Etage darunter ist der Geschichte der Nationalitäten- und Sprachenkonflikte gewidmet, die in den 1930er Jahren eskalierten und nach der Gründung der Tschechoslowakei nach Ende des Ersten Weltkriegs zum Aufstieg der Sudetendeutschen Partei bis hin zum „Anschluss“ an den NS-Staat führten. Schließlich geht es um die Vertreibung der Volksgruppe und die Nachkriegszeit mit dem harten Neubeginn und der Aufbauleistung der Heimatvertriebenen.

Alle Abteilungen sind barrierefrei und dreisprachig deutsch, tschechisch und englisch beschriftet. Wem all die Exponate, Texte, Filme und Medienstationen nicht genügen, der kann über einen Mediaguide vertiefende Informationen zu den einzelnen Abteilungen, Interviews mit Zeitzeugen oder Details zu Exponaten abrufen. Das Haus bietet Modelle zum Anfassen, Bücher und Zeitungen und Medienstationen. Damit richtet es sich besonders stark an ein junges Publikum, das durch zusätzliche Veranstaltungen im Museumspädagogikbereich im Untergeschoss sowie im benachbarten, technisch generalüberholten Sudetendeutschen Haus angesprochen werden soll. Dort gibt es die Alfred-Kubin-Galerie für Sonderausstellungen und den großen Adalbert-Stifter-Saal für Feiern.

• Sudetendeutsches Museum, Hochstraße 10, 81669 München. Ab 30. Oktober geöffnet täglich außer montags von 10 bis 18 Uhr. Bis Jahresende ist der Eintritt frei. Gruppen mit bis zu zehn Teilnehmern nur nach Anmeldung: Telefon (089) 4800 0337 oder E-Mail: museum-anmeldung@sudetendeutsche-stiftung.de


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Kommentare

sitra achra am 23.10.20, 16:54 Uhr

Eine rein museale Aufbereitung. Kein Haus der Sudetendeutschen als Begegnungsstätte, sondern ein Ort der Kapitulation vor verbrecherischen Nationen und ein oberflächlich relativierender Abgesang auf ein Kulturvolk, dessen Kultur auf brutalste Art und Weise vernichtet wurde. Dieses Einrichtung ist nur ein weiterer Sargnagel zum endgültigen Vergessen.

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