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Der vor 50 Jahren gestorbene Diplomat, Essayist und Historiker Carl Jacob Burckhardt bekleidete das Amt von 1937 bis 1939
Am 3. März dieses Jahres ist es ein halbes Jahrhundert her, dass mit Carl Jacob Burckhardt ein Mensch von dieser Erde abberufen worden ist, der bereits zu Lebzeiten in den Olymp der Dichter und Denker aufgestiegen war, zum einen als Historiker und Literat, zum anderen als gleichermaßen gelehrter und geschickt-pragmatischer Diplomat sowohl in schweizerischen als auch internationalen Diensten, zuletzt von 1944 bis 1948 als Präsident des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz.
Angelegentlich einer seiner zahlreichen Ehrungen, der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels im Jahre 1954, hielt Bundespräsident Theodor Heuss die Laudatio in Frankfurt am Main und kam auf die dem deutschen Publikum sicherlich am nachhaltigsten in Erinnerung gebliebene politische Station im Dienste des Vorläufers der Vereinten Nationen zu sprechen: „Das war schon ein herrlicher und auch die Völkerbundleute in Genf ehrender Vertrauensbeweis in Takt, Einsicht, Umsicht und innere geistige Freiheit, daß in einer Zeit – 1937 –, da die Welt schon voll war von der Gereiztheit der Seelen, Burckhardt aufgefordert wurde, Hoher Kommissar in dem Freistaat Danzig zu werden, der künstlich ausgeklügelten Rechts- und Sachkonstruktion der argen Verlegenheiten von 1919, völkerrechtlich und ‚geopolitisch', um den Begriff zu gebrauchen, nun seit Jahren die eigentliche Reizstelle der politischen Lage in Europa. Der äußere Status war da, er war zu wahren, im Innern, durch das totalitäre Verfahren, die Reste stadtbürgerlicher Selbstbesinnung schon vernichtet.“
Am 10. September 1891 wurde Carl Jacob Burckhardt in Basel in eine Akademiker-Familie hineingeboren. Nach gymnasialer Grundlegung in seiner Vaterstadt und in Glarisegg ließ man ihn gut gerüstet das Geschichtsstudium in Basel, München, Göttingen und Zürich absolvieren. Auf die Promotion 1918 folgte ein diplomatisches Intermezzo als Gesandtschaftsattaché der Eidgenossenschaft in Wien bis 1922, dem die literarische Freundschaft mit Hugo von Hofmannsthal entsprang. Nach seiner Habilitation an der Universität Zürich 1926 erreichte ihn ebendort drei Jahre darauf sein erster Ruf auf einen Lehrstuhl der Geschichte, gefolgt von einer Professur in Genf ab 1932.
Die Sicht bedeutender Zeitgenossen
Wenn der Bundespräsident in Frankfurt von einer „künstlich ausgeklügelten Rechts- und Sachkonstruktion der argen Verlegenheiten von 1919“ sprach, so deckt sich sein Urteil von 1954 mit demjenigen vieler weitsichtiger Zeitzeugen zur Abtretung des zu 96 Prozent deutschen Gebietes der beiden Städte Danzig und Zoppot sowie der Kreise Danziger Höhe, Danziger Niederung und Großes Werder unter Bruch des Selbstbestimmungsrechtes der Völker.
Bereits zwischen der ultimativ erzwungenen Unterzeichnung des Friedens von Versailles am 28. Juni 1919 und dessen Inkrafttreten am 10. Januar 1920 äußerte der französische Abgeordnete Marcel Sembat am 4. September 1919 in der Deputiertenkammer die Warnung, „daß Danzig den Keim zu einem neuen Krieg in sich trage“.
Nachdem sich diese düstere Prophezeiung 1939 erfüllt hatte, resümierte der seit 1932 im Amt befindliche polnische Außenminister Józef Beck: „Das Statut der Freien Stadt Danzig war zweifellos die bizarrste und komplizierteste Schöpfung des Versailler Vertrages. Es war schwer, etwas anderes anzunehmen, als daß es einzig mit dem Zweck geschaffen worden war, den Ursprung beständiger Konflikte zwischen Deutschland und Polen, oder zum allermindesten ein Tauschobjekt zu bilden, das gelegentlich benützt werden konnte, um polnische Interessen zugunsten Deutschlands zu opfern.“
Burckhardts eigene Sicht
Wie sah nun Burckhardt selbst die Ausgangslage seines Völkerbund-Postens? Seinem Herkommen aus einem neutralen Lande gerecht werdend, nahm er die polnische genau wie die deutsche Seite ernst, wenn wir ihn erneut aus seinem 1960 in München erschienenem Buch „Meine Danziger Mission 1937–1939“ zu Wort kommen lassen, in dem er eingangs „Streiflichter zum Danziger Problem“ schildert: „Bei den Friedensverhandlungen schlug die ‚Cambon-Kommission' die bedingungslose Abtretung Danzigs durch das Reich an Polen vor, aber Lloyd George erklärte, es handle sich um rein deutsches Gebiet. Der Begriff ‚rein deutsches' Gebiet wurde von den Polen mit ethnischen und mit überzeugend wirkenden historisch wirkenden Argumenten bestritten. Die deutsche Delegation in Versailles dagegen erklärte, die Lösung Danzigs aus dem Reichsverband stehe in schroffstem Gegensatz zu den Prinzipien Präsident Wilsons. Der Versuch, Danzigs Verkehrswesen und die Vertretung seiner Interessen nach außen den Polen zu überlassen, müsse zu einer dauernden Kriegsgefahr im Osten führen. Die deutsche Regierung sehe sich gezwungen, die geplante nationale Vergewaltigung Danzigs abzulehnen und sie müsse die klare Forderung stellen, Danzig und seine Umgebung beim Deutschen Reich zu belassen. Vor dieses Problem gestellt, schritt man zu einer Kompromißlösung: man erfand die Freie Stadt Danzig, die nicht frei, sondern in jeder Beziehung bedingt, wohl eines der kompliziertesten Gebilde darstellte, das jemals dem theoretischen Denken improvisierender Völkerrechtler entsprungen ist. Ein Miniaturstaat wurde ins Leben gerufen, der, ohne wirkliche Unabhängigkeit, nur über sehr bedingte Souveränitätsrechte verfügte; ein wesentlicher Teil dieser Rechte wurde an Polen abgetreten, und in das tatsächlich als Ursprung ständiger Konflikte wie geschaffene Statut wurde nun auch noch als Garant der Völkerbund eingeschaltet mit im Konfliktfalle nicht durchzusetzenden Rechten. Weder die Freie Stadt, noch die Republik Polen, noch der Völkerbund besaßen klar definierte Befugnisse. Eine eindeutige, selbst eine harte Lösung der polnischen Hafenfrage hätte niemals die Gefahren enthalten, die seit dem Beginn das Entstehen der Freien Stadt Danzig für die polnische Republik und den Frieden im Osten mit sich brachte.“