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Dem Reichsbankgesetz vom 14. März 1875 folgte die Gründung der Reichsbank und die Beendigung des Währungschaos im neu gegründeten Deutschen Reich
Von Lissabon bis Zypern, von Athen bis an die finnisch-karelische Grenze – der Euro ist die europäische Währung. Neben der Freizügigkeit sollte die Einheitswährung das Zusammenwachsen der Staaten in der Europäischen Union aus einem Währungschaos heraus begünstigen und eigentlich auch für Stabilität sorgen. Nicht alle Hoffnungen haben sich erfüllt.
Das war allerdings bei der Begründung der Deutschen Reichsbank nicht anders. Die Gründung des deutschen Kaiserreichs am 18. Januar 1871 hatte ein einheitliches Geldwesen erforderlich gemacht. Denn entscheidendes Hemmnis für einen großen Binnenmarkt war die bis dahin praktizierte Kleinstaaterei mit verschiedenen Geldverfassungen. Das Reich setzte sich nämlich nicht nur aus 25 verbündeten Staaten zusammen, sondern auch aus sieben Währungsgebieten mit 119 verschiedenen Sorten Gold-, Silber- und Scheidemünzen. Im Zahlungsverkehr zugelassen waren zudem noch alte Münzen aus dem vorangegangenen Jahrhundert sowie ausländische Münzen mit eigenen Rechensystemen. Zudem ließen sich die Länder in finanziellen Notlagen immer wieder zur Entwertung hinreißen oder das Metall selbst nutzte sich im Umlauf ab, sodass der faktische Metallwert der Münzen oft vom Nennwert abwich. Im Zahlungsverkehr mussten daher häufig umständliche Verhandlungen über Auf- und Abschläge geführt werden. Kurzum: Es gab einen kaum durchschaubaren Dschungel an Zahlungsmitteln und Wechselkursen.
Über die Verfassung der Reichsbank ist seit ihrer Gründung leidenschaftlich gestritten worden. Sie war zwar Staatsorgan, aber in der Form eines Aktienvereins mit ausschließlich privatem Kapital ausgestattet. Die 120 Millionen Mark Einlagekapital gehörten rund 7600 Anteilseignern, darunter 1462 Ausländern. Die neue Reichsbank unterstand dem Reichskanzler unter beratender Mitwirkung eines Ausschusses von Anteilseignern. Diesen blieben allerdings die klassischen Rechtspositionen von Aktionären nach dem Handelsgesetzbuch verwehrt. Die Reichsbank sei ein „Institut des Reiches, zu dessen öffentlich-rechtlichen Zwecken sie dient und betrieben wird“, musste dann später aus gegebenen Gründen auch das Reichsgericht per Urteil feststellen. Das Vermögen der Reichsbank war dennoch in privater Hand und nicht in der des Fiskus.
Keine reine Staatsbank
Über die Einführung der Reichsbank selbst herrschte zwar weitgehende Einigkeit, allerdings wurde auch noch lange nach dem Reichsbankgesetz vom 14. März 1875 die Forderung erhoben, die Reichsbank zu einer reinen Staatsbank umzubauen. Das wurde allerdings ebenso lange mit der Argumentation abgelehnt, eine Staatsbank könne durch einen unglücklichen Kriegsverlauf gefährdet werden.
Letztlich setzte sich die allgemeine Anerkennung der Autorität des Bankpräsidiums durch; es wirkte unabhängig von Parteipolitik. Mit Folgen: Fragen der Geldverfassung und Währungspolitik spielten im Reichstag schnell keine Rolle mehr. Öffentliche Kritik an der Reichsbank wurde nicht geübt beziehungsweise blieb unterhalb der Wahrnehmungsgrenze.
Das Reichsbankgesetz legte den 32 deutschen Privatnotenbanken Kontingente auf und führte zu Beschränkungen bei den Geschäftsfeldern. Daher gaben viele Banken schnell das Notengeschäft auf.
Die französischen Reparationszahlungen unterstützten den Umstieg von diversen Silberwährungen zur Mark. Die Mark war ab 1876 offizielle Währung im Kaiserreich.
Erster Reichsbankpräsident war der 1814 in Marienwerder geborene Hermann von Dechend, ein in der preußischen Finanzverwaltung tätiger Jurist. Dechend hatte in Berlin und Bonn Jura und Kameralwissenschaften studiert. Nach Stationen an diversen Gerichten wechselte er in die preußische Verwaltung. 1844/45 absolvierte er noch eine technisch-gewerbliche Ausbildung. Im Revolutionsjahr 1848 stieg er in die Bankwirtschaft ein. Schon bald wurde ihm die Leitung der Preußischen Darlehenskasse übertragen. Ab 1851 war er Mitglied im Hauptbankdirektorium der Preußischen Bank. Dechend stieg bis 1864 zum Präsidenten der Preußischen Bank auf, die er zu einer führenden europäischen Zentralbank aufbaute, bis der Reichskanzler ihm 1876 das Präsidentenamt der neuen Reichsbank übertrug, das er bis 1890 ausübte und mit Autorität und Verlässlichkeit versah.
Auflösung der Notenbank 1945
Die Reichsbank nahm zum 1. Januar 1876 die Geschäfte auf und wurde zur Zentralnotenbank des Reichs. Von 1876 bis 1884 gedruckte Reichsbanknoten tragen Dechends Unterschrift. Auf ihn ist es zurückzuführen, dass die Reichsbank sich nicht zu einer Privatnotenbank entwickelt hat und dass sie ihre Unabhängigkeit sogar gegen den starken Reichskanzler Otto von Bismarck behauptet hat. Im Streit zwischen reiner Goldwährung oder Bimetallismus setzte er sich für eine vermittelnde Lösung ein: Goldwährung verbunden mit umfangreicher Versorgung mit Silberkurantgeld. Dem Druck, Silber verstärkt abzustoßen, widersetzte er sich, da er einen Preisfall für Silber und eine unzureichende Geldzirkulation fürchtete, zumal Gold knapp war.
Dechend, zu dem Zeitpunkt bereits preußischer Staatsrat, starb 76-jährig 1890 in Berlin und wurde auf dem Friedhof I der Jerusalems- und neuen Kirche vor dem Halleschen Tor beigesetzt.
Bis zu ihrer Auflösung 1945 zeichnete die Reichsbank für die nationale Geldpolitik des Deutschen Reichs verantwortlich, wobei bis 1935 noch das Notenprivileg auf Landesnotenbanken delegiert war. Doch schon 1906 nahmen nur noch vier Landesnotenbanken dieses Recht wahr.
Die Reichsbank existierte rund sieben Jahrzehnte und hatte mit zwei Weltkriegen sowie einer der größten Hyperinflationen der Geldgeschichte zu kämpfen, in deren Folge auch die sogenannte Papiermark gedruckt wurden.
Mit der Gründung der Reichsbank vor 150 Jahren war die Geldreform abgeschlossen – und das uneinheitliche Geldwesen in Deutschland – abgesehen vom Nachkriegs-Notgeld nach 1945 und dem sozialistischen Billiggeld der DDR – passé. Die zuletzt rund 20.000 Anteilseigner der aufgelösten Reichsbank wurden durch das Gesetz über die Liquidation der Deutschen Reichsbank und der Deutschen Golddiskontobank von 1961 entschädigt.