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Traugott Hahn als Pfarrer
Foto: Archiv des Gießener WingolfTraugott Hahn als Pfarrer

Traugott Hahn

Ein wahrer Märtyrer

Der baltendeutsche Kämpfer gegen den Bolschewismus kam vor 150 Jahren zur Welt

Bodo Bost
10.02.2025

Auf dem Großen Friedhof in Lettlands Hauptstadt Riga steht neben der Neuen Kapelle der Rigaer Märtyrerstein, der Gedenkstein „Für unsere Märtyrer“. Das Denkmal erinnert an die sogenannten baltischen Märtyrer – eine Reihe von evangelischen Geistlichen, die während der bolschewistischen Besatzung des Baltikums im Lettischen Unabhängigkeitskrieg und im Estnischen Freiheitskrieg in den Jahren 1918 und 1919 getötet wurden.

Dort ist eine Reihe von Pastoren aufgeführt, die, so die Inschrift, „als Märtyrer in den baltischen Landen während der Zeit der bolschewistischen Schreckensherrschaft und Christenverfolgung 1918/1919“ starben. Unter ihnen ist zumindest einer, der vor eineinhalb Jahrhunderten das Licht der Welt erblickte: Traugott Hahn.

Verzicht auf rettende Flucht
Der Spross einer baltischen Pastorenfamilie kam am 13. Februar 1875 im livländischen Rauge (Rõuge) zur Welt. In dieser südlichsten Gemeinde des heutigen Estland war sein Vater, Elieser Traugott Hahn, Gemeindepfarrer. Nach dem Abitur an der St.-Petri-Schule in Petersburg, studierte Traugott Hahn wie sein Vater evangelische Theologie, erst in Dorpat (Tartu) und danach in Göttingen. Dort verfasste er eine wissenschaftliche Abhandlung zu dem in der zweiten Hälfte des vierten Jahrhunderts in Nordafrika lebenden donatistischen Bischof und Kirchenschriftsteller Tyconius. Aufgrund eines Augenleidens seines Vaters, der seit 1886 an der St. Olaikirche in Reval als Pastor wirkte, kehrte er 1898 zu diesem zurück und diente als Hilfsprediger in der Gemeinde seines Vaters. Anfang des Jahres 1902 erhielt er einen Ruf als Universitätsprediger nach Dorpat. Dort promovierte er in praktischer Theologie mit seiner Göttinger Arbeit. 1903 heiratete er Anny von zur Mühlen, die Tochter des Direktors der estländischen Adelsbank in Reval. Das Ehepaar bekam vier Kinder, die Mädchen Annemarie, Elisabeth und Beate Frieda Rosalie sowie den Sohn Wilhelm. Letzterer studierte in Tübingen ebenfalls Theologie und wurde 1950 ordentlicher Professor für Praktische Theologie an der Universität Heidelberg, deren Rektor er ab 1958 auch für zwei Jahre war. Von 1962 bis 1964 saß der Christdemokrat im Bundestag und von 1968 bis 1980 im Landtag von Baden-Württemberg. Außerdem war er von 1974 bis 1978 Kultusminister des südwestdeutschen Bindestrichstaates.

Traugott Hahn wurde 1909 zum Professor für praktische Theologie in Dorpat ernannt. Im letzten Kriegsjahr, am 24. Februar 1918, zogen überraschend deutsche Truppen in die Stadt ein. Die Idee eines deutschen Herzogtums entstand. Die Universität nahm wie zu Friedenszeiten den Lehrbetrieb in deutscher Sprache wieder auf. Trotz aller Freude und Dankbarkeit sah Traugott Hahn, dessen Vater in dieser Zeit einer der politischen Führer der Baltendeutschen war, skeptisch in die Zukunft. Mit dem Rückzug der deutschen Armee verließen viele Deutsche, darunter auch sein Vater, fluchtartig das Land. Anny und Traugott Hahn rangen im Gebet um Gewissheit, ob sie ebenfalls gehen oder bleiben sollten – sie blieben.

Gemeinsam wider die Bolschewiki
Am Sonntag, dem 21. Dezember 1918, wurde über dem Rathaus von Dorpat ein rotes Banner gehisst. Estland wurde von Einheiten der Roten Armee überschwemmt. Am 29. Dezember wurden Gottesdienste verboten, sämtliche Kirchen der Stadt wurden zum Volkseigentum erklärt. Hahn nahm Verbindung mit Bischof Platon – bürgerlicher Name: Paul Kulbusch – auf, der 1917 als erster Este zum Bischof von Riga und Vikar von Tallinn gewählt und am letzten Tag des Jahres in Reval (Tallinn) zum Bischof geweiht worden war. Silvester und Neujahr feierten sie Gottesdienste im kleinen Kreis, der orthodoxe und der protestantische Klerus entschieden gemeinsam zu handeln. Die Initiative ging von Hahn aus. Platon übernahm die Führung des Widerstands.

Am 2. Januar 1919 wurde Platon verhaftet und wenig später auch die orthodoxen Erzpriester Michael Bleive und Nikolai Beschanizki, weil sie trotz des Verbots weiterhin Gottesdienste feierten. Am 3. Januar 1919 wurde auch Hahn im Haus seiner Freunde in Haft genommen. Insgesamt sperrten die Bolschewisten fast 500 Gegner im Hof der Kreditbank ein.

Am Morgen des 14. Januars mussten die Gefangen sich zum Appell aufstellen. Zuerst wurde Platon aufgerufen. Er musste seine Überkleider ablegen, dann wurde er im Keller erschossen. Traugott war der vierte, dessen Name aufgerufen wurde, die niedrige Treppe zum Keller hinunterzusteigen, um dort erschossen zu werden. Insgesamt ermordeten die Kommunisten an diesem 14. Januar 1919 23 Mitglieder der gesellschaftlichen Elite der Stadt. Neben den drei orthodoxen Würdenträgern und Hahn starb auch der evangelische Pastor der Stadt, Moritz Wilhelm Paul Schwartz. Tragischerweise wurde noch während der Erschießungen Dorpat von estnischen Truppen befreit. Sie kamen zu spät.

Die Rettung war nahe
Die drei orthodoxen Geistlichen wurden im Jahr 2000 von ihrer Kirche heiliggesprochen. Die Glaubensmärtyrer von Dorpat gelten heute als Vorbilder für Ökumene und gelebtes Christentum über die konfessionellen und nationalen Grenzen hinweg.


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