27.03.2025

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Traditionsstätte

Ein Zacken bricht aus der „Krone“

Wo Kaiser Wilhelm I., Wilhelm II., Kanzler Otto von Bismarck und „Sisi“ zu Gast waren: das Hotel „Zur Krone“ in Assmannshausen

Bettina Müller
08.02.2025

Es ist ein trauriger Anblick. Vom Glanz des weltberühmten Hotels „Zur Krone“ im hessischen Assmannshausen ist nichts mehr zu merken. Schaut man im Erdgeschoss durch das Fenster, so sieht man unter anderem ein staubiges Klavier. Silbernes Besteck harrt köstlicher Gourmetmahlzeiten. Draußen ist unübersehbar, dass die Natur anfängt, Besitz von dem Hotel und Restaurant zu ergreifen, in dem Prominenz aus aller Welt ein- und ausging. Seit zwei Jahren steht der Gebäudekomplex nun leer. Verstöße gegen den Denkmalschutz, aber auch gegen Brandschutzauflagen haben dafür gesorgt, dass der Rhein-Taunus-Kreis das Hotel schließen musste. Es soll immer noch im Besitz einer saudi-arabischen Eigentümergruppe sein.

Dabei liegen die Ursprünge des Traditionshotels sehr lange zurück: 1541 wurde dort eine Treidelstation eröffnet, in der die Treidelknechte beherbergt und beköstigt wurden, deren Pferde die Schiffe rheinaufwärts zogen. Die Besitzer wechselten in der Folge mehrmals. Die Pest und der Dreißigjährige Krieg taten ihr Übriges, die Gegend verarmte. Als schließlich 1789 die Französische Revolution ausbrach, häuften sich im Rheingau die Belagerungen durch französische Soldaten. Da war Assmannshausen nur noch ein verarmtes und unbedeutendes Dorf.

Den Wendepunkt brachte das 19. Jahrhundert. 1808 gab Nicolaus Strieth die Treidelrechte auf und aus dem Haus wurde das „Kronehaus“. Als die ersten Dampfschiffe auf dem Rhein fuhren und am 1. Mai 1827 die Preußisch-Rheinische Dampfschifffahrtgesellschaft ihren Betrieb aufnahm, wurde das Haus zu einem beliebten und viel besuchten Ausflugsziel.

1844 wurde das Hotel schließlich auch zu einem politischen Ort, als der Dichter Ferdinand Freiligrath in der „Krone“ seinen politisch gefärbten Gedichtband „Ein Glaubensbekenntniß“ verfasste. Und das barg für den Autor des Vormärz, der sowieso schon durch seine Forderung nach Pressefreiheit und der Abschaffung der Adelsherrschaft auffällig geworden war, die Gefahr der beruflichen Vernichtung durch die Zensur. Schon im Vorwort gab sich Freiligrath kämpferisch: „Kein Leben mehr für mich ohne Freiheit!“ Das Befürchtete trat tatsächlich ein: Freiligrath sah sich von der Polizei verfolgt und floh ins Exil, kehrte aber im Revolutionsjahr 1848 nach Deutschland zurück, wo man ihn 1851 in Düsseldorf wegen „staatsfeindlicher Umtriebe“ verhaftete.

Die Wiener „Gräfin von Hohenems“
Als 1870/71 der Deutsch-Französische Krieg wütete, war Erwin Brück der Besitzer der „Krone“, der auch das dazugehörige Weingut betrieb, das seinen hohen Ertrag dem erstklassigen Spätburgunder des Höllenberges in Assmannshausen verdankte. Als Kaiser Wilhelm I. höchstpersönlich die „Krone“ unter anderem anlässlich der Einweihung des Niederwalddenkmals am 28. September 1883 besuchte, war der vorläufige Aufschwung nicht mehr aufzuhalten.

Anfang der 1890er Jahre ging die „Krone“ mitsamt Weingut, Inventar und Name in den Besitz der Familie Hufnagel über. Durch Zukauf weiterer Häuser sowie einen Neubau machte Joseph Hufnagel, der vor allem ein internationales Renommee anstrebte, aus der „Krone“ ein imposantes Objekt.

Ganz dem Zeitgeist einer Vision vom „Romantischen Rhein“ entsprechend, wurden an mehreren Stellen verspielte Erker und Ecktürmchen angebracht, Fachwerk aufgeblendet, die Fassade umgestaltet. Aus dem einstigen kleinen bescheidenen Wirts- und Gasthaus war ein pseudoromantisches Hotel geworden, das Anfang Mai 1894 eröffnet wurde.

Und schon am 4. Mai desselben Jahres bestellte ein Baron Schönerer im Auftrag einer gewissen „Gräfin von Hohenems“ zehn Zimmer für eine Nacht. Groß war das Erstaunen, als sich herausstellte, dass es sich bei der Gräfin um keine Geringere als Ihre Kaiserliche und Königliche Hoheit Elisabeth von Österreich – Sisi – handelte, die, so bemerkte es der Hotelarzt, „Zeichen von Unter- und Mangelernährung“ aufwies.

Viele Namen berühmter Gäste sind historisch verbürgt: Dichter und Musiker wie Ernst Moritz Arndt, Clemens von Brentano, Achim von Arnim, Fürst Pückler-Muskau, Clara und Robert Schumann, Hoffmann von Fallersleben – sie alle ließen sich in der „Krone“ im Laufe der Zeit fürstlich bewirten. Sicherlich wurde auch der Jahrhundertwechsel in der „Krone“ weinselig begrüßt und die Spitzen des Bürgertums von der geschäftstüchtigen Familie Hufnagel unter der maßgeblichen Leitung von Joseph Hufnagel umsorgt, der Ende 1914 an Herzlähmung verstarb.

„Lieblos, ideenlos, farblos“
Hufnagel war tot, und auch der Erste Weltkrieg konnte dem Haus nichts anhaben. Ein kurzes der Weltwirtschaftskrise geschuldetes Tief am Anfang der 1930er Jahre mündete schließlich wieder in einen Aufschwung für die „Krone“, die als eines der ersten Hotels in Deutschland sogar ein hauseigenes Schwimmbecken besaß. Aus ganz Deutschland strömten auch nach dem Zweiten Weltkrieg jahrzehntelang Menschen an den Rhein, um die viel beschworene Rheinromantik zu suchen und vielleicht zu finden.

Noch im Jahr 2006, als das Haus zu der Gruppe „Privathotels Dr. Lohbeck“ gehörte, war es ein Fünfsternehotel. Offenbar bröckelte der Status und erste Verfallserscheinungen zeigten sich, was man heute anhand von Bewertungen in Online-Portalen nachvollziehen kann: „Essen lieblos, ideenlos, farblos. Vor 10 Jahren sehr gute Adresse. Heute definitiv nicht mehr zu empfehlen“, hieß es da zum Beispiel im Jahr 2013.

Sicherlich war man ambitioniert gewesen, die legendäre „Krone“ auch weiterhin zu den ersten Adressen Deutschlands gehören zu lassen. Doch offenbar ließen ein schlechtes Management gepaart mit den Widrigkeiten dieses überdimensionalen Objekts das Projekt scheitern, vor allem, weil das Hotel zu diesem Zeitpunkt wohl schon marode war und die Kosten für eine Sanierung ein Fass ohne Boden gewesen wären.

Das legendäre Hotel wird – wenn diesem Prozess niemand etwas entgegensetzt – bald ein „Lost Place“ sein. Solange die Büste des Freiheitsdichters Ferdinand Freiligrath, der dort dichterisch den Aufstand probte, den Vorbeigehenden grüßt, besteht Hoffnung. Noch erstrahlt sie in hellem Weiß.


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