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Operation Urgent Fury

„Eine eklatante Verletzung des Völkerrechts“

Vor 40 Jahren begann der Angriffskrieg der Vereinigten Staaten gegen Grenada. Gegen 7300 Angreifer hatten knapp 2000 Verteidiger keine Chance

Wolfgang Kaufmann
24.10.2023

Der kleine karibische Inselstaat Grenada erlangte 1974 seine Unabhängigkeit von Großbritannien. Allerdings blieb er Mitglied des Commonwealth und Königin Elisabeth II. weiterhin sein Staatsoberhaupt. In dieser Funktion ließ sich die Monarchin vor Ort von einem Generalgouverneur vertreten.

1979 wurde der demokratisch gewählte erste Premierminister Grenadas, Eric Gairy von der Grenada United Labour Party (GULP), durch die marxistische Rebellenorganisation New Jewel Movement (NJM) unter Maurice Bishop gestürzt. Anschließend errichtete die NJM ein Revolutionsregime, das die Verfassung außer Kraft setzte, freie Wahlen verhinderte und politische Gegner verfolgte.

Außerdem kooperierte es eng mit der UdSSR und anderen Ostblockstaaten sowie auch mit Kuba, Libyen und Algerien, wobei in der Regel der kubanische Auslandsgeheimdienst DI die Kontakte knüpfte. In diesem Zusammenhang erhielt die winzige grenadische Armee zwölf Schützenpanzerwagen beziehungsweise amphibische Spähpanzer sowie zwölf Flugabwehrkanonen und eine größere Zahl an Sturmgewehren aus sowjetischer Produktion.

Parallel hierzu trafen rund 900 Militärangehörige und zivile Berater aus Kuba, der Sowjetunion, Bulgarien, Libyen und der DDR auf Grenada ein. Das größte Kontingent stellten die knapp 800 Kubaner, unter denen sich angeblich gut 600 Bauarbeiter befanden. Allerdings gestand der ranghöchste kubanische Militär auf Grenada, Oberst Pedro Tortolé Comas, später ein, dass diese Männer ebenfalls bewaffnet gewesen seien.

Andererseits wurde auf der Insel tatsächlich gebaut. Rund zehn Kilometer südwestlich der Inselhauptstadt St.

George's entstand bei Point Salines ein neuer Flughafen mit einer Pistenlänge von 9,7 Kilometern. Dieser sollte offiziell der Ankurbelung des Tourismus dienen, hätte aber auch von großen sowjetischen Transportmaschinen genutzt werden können.

Es fehlte nur noch ein Anlass
Aus all diesen Gründen nahmen der damalige US-Präsident Ronald Reagan und dessen Berater ab Frühjahr 1983 an, dass auf Grenada ein sowjetisch-kubanischer Vorposten entstehen solle, der unter anderem als Drehscheibe Moskaus für Waffenlieferungen an die kommunistischen Guerillas in Süd- und Mittelamerika die Interessen der Vereinigten Staaten bedrohen könne. Das hatte ein militärisches Eingreifen der USA gemäß der von Theodore Roosevelt proklamierten „Politik des dicken Knüppels“ gegenüber Lateinamerika zur Folge. Zunächst fehlte hierzu jedoch ein konkreter Anlass.

Der bot sich aber bereits wenige Monate später, als innerparteiliche Konkurrenten Bishops um den Vizepremierminister Bernard Coard und General Hudson Austin den Revolutionsführer stürzten und ihn am 19. Oktober 1983 mit einigen seiner Anhänger exekutieren ließen, Austin die Errichtung einer Militärdiktatur ankündigte und Grenada schließlich in Chaos und Bürgerkrieg zu versinken drohte.

In dieser Situation bat der unter Arrest gestellte damalige Generalgouverneur Paul Scoon die USA über geheime diplomatische Kanäle um eine Intervention, und die sechs Mitgliedsstaaten der Organisation Ostkaribischer Staaten (OECS) richteten gemeinsam mit Barbados und Jamaika am 21. Oktober ein Hilfeersuchen an Washington.

Dort wurde ohnehin erwogen, einzugreifen, nun auch aus Sorge um das Schicksal der über 600 jungen Landsleute, die an der 1976 gegründeten privaten internationalen St. George's University School of Medicine studierten. Am 25. Oktober 1983 begann die US-amerikanische Operation Urgent Fury (dringende Wut), die US-Invasion in Grenada.

Durchgeführt wurde sie von der zu diesem Zwecke zusammengestellten Combined Joint Task Force (CJTF) 120 unter Vizeadmiral Joseph Metcalf. Anders als im aktuellen Ukrainekrieg waren in diesem Falle die Angegriffenen den Angreifern personell wie materiell hoffnungslos unterlegen. Auf der Seite Grenadas standen neben rund 1200 einheimischen Soldaten knapp 800 Kubaner, die besonders verbissen kämpften. Dem standen etwa 7000 US-Amerikaner gegenüber, zu denen die zusammen zirka 300-köpfigen Kontingente der Caribbean Peacekeeping Force (CPF) aus Antigua, Barbados, Dominica, Jamaika, Saint Lucia und Saint Vincent hinzukamen. Auf einen Verteidiger kamen also fast vier Angreifer.

„Tiefes Bedauern“ der UN
Angesichts dieses Zahlenverhältnisses verwundert es nicht, dass die Gegenwehr nach vier Tagen erlosch. Bis zu diesem erfolgreichen Ende am 29. Oktober hatte die Operation Urgent Fury insgesamt 112 Menschenleben gefordert. 19 US-Soldaten standen 45 Angehörige der Streitkräfte Grenadas und 24 Kubaner gegenüber sowie 24 grenadische Zivilisten, von denen 18 die irrtümliche Bombardierung einer psychiatrischen Klinik das Leben gekostet hatte. An Verwundeten hatten die USA 19, Grenada 45 und Kuba 59 zu beklagen. Die Invasoren machten 638 Gefangene.

Obwohl anders als gegenwärtig Russland in der Ukraine damals die USA in Grenada ihre Kriegsziele sehr schnell erreichten und sich die Situation in dem 344 Quadratkilometer großen Inselstaat umgehend wieder stabilisierte, war das internationale Echo auf die Aktion verheerend. So stimmte der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen am 28. Oktober mehrheitlich für eine Resolution, die den Angriff verurteilte – allerdings am Ende durch ein Veto des Angreifers blockiert wurde. Dem folgte am 2. November die Resolution 38/7 der UN-Generalversammlung, welche die „bewaffnete Invasion in Grenada, die eine eklatante Verletzung des Völkerrechts darstellt, tief bedauert“. Die Entschließung wurde mit 108 zu neun Stimmen bei 27 Enthaltungen verabschiedet.

Nach dem Regime Change ernannte Generalgouverneur Scoon in und für Grenada einen Beirat, der das Land bis zu den nächsten freien Wahlen im Dezember des Folgejahres verwaltete. Seitdem ist Grenada eine parlamentarische Monarchie.


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