20.09.2025

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
Bild: Verlag

Deutsches Schicksal

Eine Idylle vor dem Sturm

Christian Hardinghaus erinnert anhand der Figur einer Buchhändlerin an das Leid der Ostpreußen nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs

Dirk Klose
20.09.2025

Die 18-jährige Frieda Wehlau macht im Frühjahr 1940 Abitur in Königsberg. Sie ist nicht nur eine Bücherfreundin, sondern – anders kann man sie nicht bezeichnen – bibliomanisch, aber auf sympathische Art. Durch einen glücklichen Zufall kann sie eine Lehre als Buchhändlerin im Haus der Bücher am Paradeplatz beginnen, das der Kenner unschwer als die damals größte Buchhandlung Europas Gräfe & Unzer erkennt. Sie steigert sich derart in ihre Arbeit, dass ihr Chef, als Otto Konopke wunderbar geschildert, sie geradezu zu Urlauben in den Ostseebädern Rauschen und Cranz zwingen muss.

Jedes Ostpreußenbuch endet wohl mit der Katastrophe von 1945. Während ihres Urlaubs in Cranz erlebt die junge Frau im August 1944 die Bombardierung ihrer geliebten Stadt. Die Tage bis Kriegsende werden immer schwieriger, und als die Rote Armee die Stadt erobert, beginnt ein unbeschreibliches Chaos mit Hunger, Kälte, Seuchen und Tod. Die junge Frau kann sich als Krankenschwester in das St. Elisabeth-Krankenhaus retten, wo sie fast verhungerte und oft sterbende Kinder betreut. Selbst oft am Ende ihrer Kraft treibt sie ihre Phantasie voran. Sie erzählt und erfindet Märchen und kann so die Kinder ein wenig von allem Elend ablenken.

Christian Hardinghaus lässt seinen Roman „Die Buchhändlerin von Königsberg“ versöhnlich ausklingen. Im Sommer 1946, nachdem fast 100.000 Deutsche an Hunger und Krankheit gestorben waren, weist die Sowjetunion die restlichen Deutschen aus. Frieda kann mit einem der ersten Transporte Richtung Westen fahren. Mit dem Sommer 1950 endet das Buch – etwas unvermittelt in München, wo Frieda mit ihrem aus russischer Gefangenschaft heimgekehrten Mann lebt.

Der Autor erinnert mit diesem Buch an das Schicksal Ostpreußens. Er stattet es mit Lokalkolorit aus: Die Familie lebt in der Vorstadt, zur Bücherei geht die Frieda über die Vorstädtische Langgasse zum Pregelufer, überquert am Hundegatt die grüne Brücke, dann die Kneiphofsche Insel und erreicht den Paradeplatz. In Rauschen rudert sie mit dem jungen Offizier Hans auf dem Mühlenteich und fährt mit der Drahtseilbahn über die Stadt.

Hardinghaus hat zahlreiche Zeitzeugen befragt. Besonders dankbar zeigt er sich gegenüber Ursula Dorn, deren bewegende Lebensgeschichte „Wolfsmädchen“ auch in der PAZ (19/2023) vorgestellt wurde. Man kann darüber diskutieren, ob man das Elend in Königsberg romanhaft einfangen kann. Akzeptiert man das, liest man dieses von freundlicher Menschlichkeit bestimmte Buch recht gern.

Christian Hardinghaus: „Die Buchhändlerin von Königsberg“, Piper Verlag, München 2025, broschiert, 386 Seiten, 15 Euro


Hat Ihnen dieser Artikel gefallen? Dann unterstützen Sie die PAZ gern mit einer

Anerkennungszahlung


Kommentar hinzufügen

Captcha Image

*Pflichtfelder

Da Kommentare manuell freigeschaltet werden müssen, erscheint Ihr Kommentar möglicherweise erst am folgenden Werktag. Sollte der Kommentar nach längerer Zeit nicht erscheinen, laden Sie bitte in Ihrem Browser diese Seite neu!

powered by webEdition CMS