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Georg Friedrich Rogall brachte frischen geistigen Wind in Ostpreußens Hauptstadt – gegen lähmende lutherische Orthodoxie
In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts entstand eine neue Reformbewegung innerhalb des europäischen Protestantismus, genannt Pietismus. Diese basierte auf der Annahme, dass es nötig sei, die im Ansatz steckengebliebene lutherische Reformation zu Ende zu führen und deutlich stärker als bisher auf gelebte Frömmigkeit, Gemeinschaftssinn und das intensive Studium der Bibel zu setzen. Das wiederum stieß vielfach auf den Widerstand der altprotestantischen Orthodoxie sowie des absolutistischen Staates, der alle Abweichungen von den Dogmen der etablierten Landeskirche mit großem Argwohn betrachtete.
Eine Ausnahme in dieser Hinsicht war jedoch Preußen, wo der Pietismus beizeiten sogar einflussreiche Gönner bis hinauf ins Königshaus fand. Die Ursache hierfür lag darin, dass sich die Ideale der Bewegung über weite Strecken mit den berühmten preußischen Tugenden wie Gottesfurcht, Fleiß, Bescheidenheit, Toleranz und Ordnungssinn deckten. Deshalb protegierte der Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. auch den pietistischen Theologen Georg Friedrich Rogall.
Gebildet und des Königs Liebling
Dieser war in Königsberg aufgewachsen, wo er am 14. April 1701 das Licht der Welt erblickt hatte, und studierte bis 1723 Evangelische Theologie an der Albertus-Universität in Königsberg sowie der Brandenburgischen Universität in Frankfurt an der Oder und der Friedrichs-Universität in Halle. Dabei entfremdete sich Rogall in der Saalestadt zunächst von seinem Studienfach, was zuerst einmal zum eifrigen Besuch von Vorlesungen über Philosophie, Naturlehre und Mathematik führte. Dann aber sorgten die zunehmend engeren Kontakte zu dem Hauptvertreter des Halleschen Pietismus, August Hermann Francke, für ein Wiedererwachen des Interesses an der Theologie. Gleichzeitig besann sich Rogall unter dem Einfluss des charismatischen Gründers der Franckeschen Stiftungen auf die christliche Pflicht der tätigen Nächstenliebe. So fungierte er beispielsweise als Religionslehrer am Waisenhaus, das Francke zwischen den Jahren 1698 und 1700 mit großem Engagement errichtet hatte.
Streit mit dem König
Nach der Erlangung des Magistergrades kehrte Rogall 1724 nach Königsberg zurück, wo er bereits ein Jahr später zum Doktor der Theologie promovierte. Anschließend avancierte er sofort zum ordentlichen Professor für Philosophie und außerordentlichen Professor für Theologie an der Albertus-Universität. Dem vorausgegangen war eine heftige Kontroverse zwischen Friedrich Wilhelm I. und dem Dekan der theologischen Fakultät und Hofprediger an der Königsberger Schlosskirche, Johann Jacob Quandt. Letzterer gehörte zu den schärfsten Verteidigern der lutherischen Orthodoxie und sah in Rogall eine Person, welche unangenehm viel frischen Wind nach Königsberg mitbringen und so dem Pietismus in Ostpreußen den Weg bahnen könnte. Aber genau das wollte der König, weswegen er die Ernennung des 24-Jährigen gegen den Widerstand Quandts durchsetzte.
Es blieb im Falle Rogalls nicht bei zwei Universitätsprofessuren. Ab 1727 fungierte er noch als Inspektor und Prediger am königlichen Collegium Fridericianum, einer pietistischen Lehranstalt, die nach ihrer Gründung im Jahr 1698 zu einer der bedeutendsten Schulen in Ostdeutschland aufgestiegen war und ihre Zöglinge insbesondere auf das anspruchsvolle Universitätsstudium in Königsberg vorbereiten sollte. Dazu notierte einer der Absolventen später: „Das Fridericianum war das Fegefeuer zum Himmel Albertinas.“
Überarbeitet bis zum Tod
Im Jahr 1729 reüssierte Rogall dann noch insofern, als er zum Konsistorialrat ernannt wurde und für den Direktor des Kollegiums, Heinrich Lysius, die Amtsgeschäfte zu führen begann. Lysius war wie Rogall von Francke in Halle inspiriert worden und leitete die Schule auf besonders strenge Art und Weise. So führte er beispielsweise die Praxis der täglichen Gewissensforschung ein. Diese fromme Übung diente dem Zweck, die eigene Lebensführung zu reflektieren. Das missfiel einem der potentiellen Schüler der Lehranstalt namens Immanuel Kant, der dann aber trotzdem 1732 ins Collegium Fridericianum eintrat. Zu dieser Zeit war Rogall bereits in Nachfolge von Lysius Direktor der Bildungseinrichtung. Außerdem bekleidete er ab 1731 nun auch eine ordentliche Professur für Theologie. Im gleichen Jahr übertrug ihm die Kirche auf Betreiben von Friedrich Wilhelm I. zusätzlich noch die Funktionen eines Pastors am Königsberger Dom und Inspektors der Domschule.
Die kometenhafte Karriere Rogalls hatte allerdings auch eine fatale Kehrseite. Hierzu schrieb der Bibliothekar Christian Gottlieb Jöcher 1751: „Weil ihm nun der König dabey viel schwere und außer-ordentliche Geschäfte auftrug, so wurde er dadurch so entkräftet, dass er 1733 den 6. April, im 33. Jahre verstarb.“ Der frühe Tod des begnadeten Theologen war mitverantwortlich, dass die pietistische Bewegung nach dem Aufkommen der Aufklärung in die Defensive geriet und an gesellschaftlicher Relevanz verlor.