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Eine linke Front gegen Deutschland

„Strike Germany“ – Künstler-Boykotte aus dem Ausland und das Versagen der Kunstszene nach den Terrorangriffen gegen Israel

Harald Tews
07.03.2024

Nimmt man die Berlinale zum Maßstab, dann kann man sich bei der Oscar-Verleihung am Montag auf einiges gefasst machen. Preisträger könnten dann bei ihren Reden mit Palästinenserschal auftreten, ihre teuren Designerroben mit Botschaften zum Waffenstillstand in Gaza beschriften wie „Cease fire now“ (stellt das Feuer ein) und den Staat Israel der Apartheid und des Genozids bezichtigen.

Genauso unverhohlen geschah das bei der kürzlich erfolgten Verleihung der Goldenen und Silbernen Bären bei der Berlinale, als Filmschaffende und Jurymitglieder die offene Bühne für anti-israelische Propaganda nutzten. Und was tat das Publikum, darunter Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner und Kulturstaatsministerin Claudia Roth? Es applaudierte zum Skandal (die PAZ berichtete).

Als sich Roth Tage später zu der Aussage genötigt sah, dass es „bei Linksradikalen diesen ekelhaften offenen Antisemitismus“ gebe, stellte sich der scheidende künstlerische Berlinale-Chef Carlo Chatrian hinter die kritisierten Künstler: „Unabhängig von unseren eigenen politischen Ansichten und Überzeugungen sollten wir alle bedenken, dass die Meinungsfreiheit ein entscheidender Teil davon ist, was Demokratie ausmacht“, ließ er in den sozialen Medien wissen.

Diesen Satz sollten sich jene Kulturschaffenden hinter die Ohren schreiben, die sich zum Boykott gegen Deutschland entschlossen haben. „Strike Germany“ heißt der im Internet veröffentlichte Aufruf, den inzwischen rund 1900 Intellektuelle aus aller Welt unterschrieben haben mit der festen Absicht, auf keinen Kulturveranstaltungen mehr in Deutschland aufzutreten.

Prominenteste Unterzeichnerin ist dabei die französische Literaturnobelpreisträgerin Annie Ernaux, die zuvor schon ihre Sympathie für die gegen Israel gerichtete Bewegung „Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen“, kurz BDS, bekundet hat. Gegen die Veröffentlichung ihrer Bücher in Deutschland hat sie freilich laut ihres Suhrkamp Verlags nichts einzuwenden. Der Rubel muss ja rollen.

Dass Deutschland ins Boykott-Visier gerät, liegt laut „Strike Germany“ an den „McCarthyistischen Maßnahmen deutscher Kultureinrichtungen ..., die die freie Meinungsäußerung einschränken, insbesondere den Ausdruck von Solidarität mit Palästina“. Als Beweis dieser Behauptung dienen drei oder vier Fälle, in denen eine Ausstellung mit offenkundigen BDS-Unterstützern abgesagt oder die Zusammenarbeit mit ihnen aufgekündigt wurde.

Größtes Aufsehen erregte dabei die auf das Miniatur-Format geschrumpfte Verleihung des Hannah-Arendt-Preises in Bremen an die jüdische Publizistin Masha Gessen für ihre engagierte Berichterstattung über Russland. Als sie kurz vor der Preisverleihung den Krieg Israels im Gazastreifen mit der Liquidierung der jüdischen Ghettos durch die SS gleichgesetzt hatte, schlug eine solche Woge der Empörung hoch, dass sich die Heinrich-Böll-Stiftung und der Bremer Senat zu einer wenig feierlichen Verleihung in kleinem Rahmen entschlossen.

Den Hannah-Arendt-Preis hat Gessen trotz allem nicht verschmäht und sich sogar dafür brav bedankt. Boykottiert wurde sie nicht. Dennoch haben inzwischen einige Künstler ihren Fall zum Vorwand genommen, einen Bogen um Deutschland zu machen. Die Zahl ist allerdings überschaubar. Beim Berliner Festival für Medienkunst und digitale Kultur „transmediale“ sowie dem CTM-Festival für elek­tronische Musik Anfang Februar musste man auf einige unbedeutende Videokünstler und DJs verzichten. Und bei der Berlinale waren es zuletzt gerade einmal drei – wenig namhafte – Filmemacher, die abgesagt hatten, weil ihrer Meinung nach in Deutschland eine „faschistische und rassistische Zensur“ herrsche.

Selbst die Wissenschaft, die von freiem Meinungsaustausch lebt, ist inzwischen davon betroffen. So berichtete die Germanistin Eva Conzen in der „FAZ“, dass sie für eine Tagung zu einem unverfänglichen literaturwissenschaftlichen Thema eine Absage aus den USA unter Berufung auf „Strike Germany“ erhalten habe.

Hat man früher von Deutschland stets gefordert, dass es seiner Verantwortung für den Holocaust gerecht werde, so kritisiert man jetzt die daraus konsequenterweise folgende deutsche Staatsräson gegenüber Israels Sicherheit. Dass die Hamas am 7. Oktober 2023 ausgerechnet auf einem Musikfestival einen Mini-Holocaust mit über 1100 Toten anrichtete, wird auch in „Strike Germany“ völlig ausgeblendet. Es ist außerdem paradox, dass sich Künstler mit den Palästinensern solidarisieren, aus deren Reihen die Mörder der Besucher eines Musikfestivals stammen und welche die Meinungsfreiheit anders als in Deutschland mit Füßen treten.

Zu befürchten ist, dass sich die „Strike Germany“-Unterzeichner ins eigene Fleisch schneiden. Wer hier nicht ausstellt, auftritt oder veröffentlicht, verzichtet letztlich auf üppige Gagen und viel Reputation. Andererseits lässt sich der Verlust einiger antisemitischer Aktivisten, denen die Politik wichtiger ist als die Kunst oder die Wissenschaft, leicht verschmerzen.


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