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Wo Inspektor Gamache skurrile Mordfälle aufklärt – Auf den Spuren der Autorin Louise Penny durch die herbstliche Provinz Quebec
Es sind kleine Städte und schön herausgeputzte Dörfer mit Holzhäusern, die den Charme dieser hügeligen Landschaft vor den Toren von Montreal ausmachen. In den liebevoll gepflegten Gärten leuchten die Herbstblumen in allen Farben, und überall sind Kürbisse kunstvoll zur Dekoration aufgetürmt. Die Landschaft lässt an Neuengland denken, das ja nur wenige Kilometer weit entfernt ist und im Herbst zur Laubfärbung von Touristen regelrecht überlaufen wird. Die Eastern Townships aber – so der wenig verheißungsvolle Name der Region im südöstlichen Quebec – sind wenig bekannt. Einige Besucher haben sich hierher verirrt, um ein Dorf zu suchen, das es gar nicht gibt und das dennoch weltweit berühmt ist.
Three Pines heißt der an sich eher beschauliche Ort, der aber immer wieder durch mysteriöse Morde in Aufruhr gerät. Three Pines ist der fiktive Schauplatz der Kriminalromane von Louise Penny, einer Erfolgsautorin. Gerade ist ihr neuestes Buch in deutscher Sprache erschienen. Es trägt den bezeichnenden Titel „Unruhe im Dorf“ und ist bereits ihr 17. Krimi.
Louise Penny lebt in Knowlton, einem kleinen Städtchen, das Three Pines zum Verwechseln ähnlich ist. Profunde Kenner ihrer Krimis begeben sich deshalb auf Spurensuche. Sie entdecken im nahen Georgeville Mr. Beliveau's General Store, die St.-Thomas-Kirche und das mystische Hadley House, von dem sich Penny zu ihrem Krimi „Das verlassene Haus“ inspirieren ließ.
Georgeville liegt am Lac (See) Memphremagog. In der Sprache der Abenakis, der indianischen „First Nation People“, heißt der See „wunderschönes Wasser“. Und der See ist wirklich schön. Er ist 44 Kilometer lang und erstreckt sich von Newport in Vermont bis nach Magog. Lange bevor europäische Siedler ins Land kamen, jagten und fischten die Abenakis hier, allerdings ohne an den Ufern des Sees sesshaft zu werden. Später waren Ausflugsdampfer auf dem See unterwegs.
Am anderen Ufer, inmitten der Hügel der Green Mountains, liegt die berühmte Abtei Saint-Benoît-du-Lac. Auch die 1912 von Benediktinermönchen aus Frankreich erbaute Abtei ist den Krimi-Lesern wohlbekannt. Sie erinnern sich daran, dass in einem der Bücher der von den Mönchen selbsterzeugte Käse serviert wird, und nicht zu vergessen – die stimmungsvollen gregorianischen Gesänge der etwa 30 Mönche. Beides kann man heute vor Ort nachempfinden, und wer auf der Suche nach innerem Frieden ist, quartiert sich auf bestimmte Zeit im Gästehaus der schweigsamen Mönche ein.
Jeder könnte der Mörder sein
In Knowlton mit seinen schönen viktorianischen Häusern, kleinen Cafés und Restaurants fällt es kundigen Lesern nicht schwer, in „Brome Lake Books“ Myrna's Bookstore zu erkennen. Über 8000 Bücher und Paperbacks stehen in den Regalen, und von Louise Penny gibt es nicht nur alle Bücher, sondern auch Souvenirs. Manchmal ist die in Toronto geborene Schriftstellerin sogar selbst vor Ort, liest aus ihren Büchern und erzählt, wie wichtig ihr das Zusammengehörigkeitsgefühl der Menschen in ihrer Wahlheimat Eastern Townships ist. „Weil jeder jeden im Ort kennt, sind meine Geschichten besonders brisant. Jeder kennt das Opfer, und jeder im Ort könnte Mörder sein.“
Wer sich noch nicht intensiv mit den Krimis von Louise Penny beschäftigt hat, kann sich einer geführten Three-Pines-Tour anschließen. Auf den Fußspuren des Serienhelden Inspektor Armand Gamache wird dabei noch Sarah's Boulangerie besucht. Dort kommen wunderbare Delikatessen aus der Region auf den Tisch, etwa edler Käse und kräftiger Wein – ganz wie es auch der Inspektor mag.
Ausgezeichnetes Essen bietet auch das Manoir Bellechasse. Dort feiert Gamache mit seiner Frau Reine-Marie jedes Jahr den Hochzeitstag und genießt im Feinschmecker-Restaurant Le Hatley ein mehrgängiges Menü. Das charmante Hotel heißt in der Realität Manoir Hovey und wurde vor rund 120 Jahren in Anlehnung an den einstigen Landsitz von George Washington in Mount Vernon erbaut. Heute bietet das am Ufer des Lac Massawippi gelegene Ensemble 39 Zimmer, Suiten und Villen – viele davon mit Himmelbett, offenem Kamin und Ausblick auf den See.
Die wohl schönste Jahreszeit für einen Besuch der Eastern Townships ist der Herbst. Im September und Oktober leuchten die Wälder im Farbenrausch des Indian Summer. Die Laubwälder strahlen blutrot und in leuchtendem Orange. Allein 20 verschiedene Ahorn- und neun Eichenarten zählt die kanadische Flora
– und jede von ihnen prunkt im Herbst mit unterschiedlichen Farbnuancen. In den Dörfern mit ihren weißen Kirchen stehen Bäume wie flammende Fackeln. Der Herbst ist auch die Zeit der Apfelernte. Das Obst wird zum Cidre, einem moussierenden Apfelwein, gekeltert.
Flüssiges Ahorn-Gold
Eine Reise zu Louise Penny wäre unvollständig ohne einen Besuch der Hauptstadt Quebec City. Unterwegs lohnt ein Stopp in einer Ahornsirup-Hütte. In der Sucrerie de la Montagne zum Beispiel erfahren die Besucher von Unternehmensgründer Pierre Faucher und seinem Sohn Stefan, wie das flüssige Gold hergestellt wird. „Nur im Frühling, wenn es nachts friert und am Tag schon angenehm warm wird, spendet der Baum Saft mit der richtigen Süße. Es bleiben uns nur wenige Wochen für die Ernte“, erklärt Stefan.
Aufgefangen wird der Saft in Blechbehältern, deren Inhalt jeden Morgen eingesammelt wird. Um Sirup zu erhalten, köchelt der Saft stundenlang in Metallbottichen. Das Geschmacksgeheimnis ist die richtige Temperatur – bei einem Holzfeuer keine leichte Sache. Doch die Fauchers kennen sich aus, betreiben das Handwerk seit 1978. Gleich vor Ort kann probiert werden – am besten passt der Sirup zu dünnen Pfannkuchen.
Québec City schließlich fühlt sich mit seinen gepflasterten, winkeligen Gassen, steinernen Stadttoren und trutzigen Bastionen wie ein Stück Europa in Nordamerika an. Die zweigeteilte Altstadt ist seit 1985 Weltkulturerbe der Unesco und blieb von Wolkenkratzern und Verkehrschaos verschont. Auch auffällige Logos von Restaurant- und Modeketten sucht man vergebens – sie müssen sich dem gediegenen Stil der Altstadt anpassen. Unverwechselbares Wahrzeichen von Quebec City ist das Château Frontenac, ein schlossähnliches Hotel mit Türmen und einem unverwechselbaren Kupferdach in der Oberen Stadt. Vor dem Château liegt Dufferin Terrace, eine 670 Meter lange Promenade mit Lauben, die zum Flanieren einlädt. Der Blick auf die Untere Stadt und den mächtigen St.-Lorenz-Strom ist ein beliebtes Fotomotiv.
Begeisterte Louise-Penny-Leser entdecken auch in Quebec City Schauplätze der Krimis. Im sechsten Band „Heimliche Fährten“ ist Gamache im eiskalten Winter in Quebec City auf der Suche nach einem Mörder. Die Leiche wurde im Keller des Morrin Centers gefunden, das einst ein Gefängnis war und später in eine Bibliothek umgewandelt wurde. Es bleibt wie immer spannend. Nur eins sei verraten: Der Inspektor findet den Mörder.
Louise Pennys „Gamache“-Serie erscheint im Züricher Verlag Kampa www.kampaverlag.ch