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Kirchenpolitik

Eine verzwickte Beziehung

Der Theologe Thomas Schüller plädiert für eine stärkere Trennung von Kirche und Staat, damit eine Erneuerung der Kirche möglich werde

Dirk Klose
20.04.2024

Das Buch „Unheilige Allianz“ thematisiert das Verhältnis von Staat und Kirche in Deutschland. Thomas Schüller geht aus von der nicht enden wollenden Zahl der Missbrauchsfälle und der wohlwollend akzeptierten kirchlichen Machtfülle im sozialen und Bildungsbereich. Für die einen ist der Autor, katholischer Theologe und Lehrstuhlinhaber an der Universität Münster, vermutlich ein „Nestbeschmutzer“, vielen anderen mag sich ein Stoßseufzer „endlich“ entringen. Schüller sagt, ihm gehe es um die „Bestandsaufnahme einer Allianz, die schon lange nicht mehr heilig ist, weil Politik und Kirchen immer weiter auseinanderdriften, gleichzeitig aber auf Gedeih und Verderb aufeinander angewiesen sind“.

Er nennt als neuralgische Punkte vor allem Arbeitsrecht, Wissenschaft, Kirchensteuer, Vermögensrecht, Bildung und Pflege. Eklatanteste Fälle sind ihm Arbeits- und Strafrecht: In kirchlichen Einrichtungen steht das kirchliche über dem staatlichen Arbeitsrecht. Geschiedene, Homosexuelle oder gleichgeschlechtliche Paare laufen Gefahr, ihren Arbeitsplatz zu verlieren. Durch Urteile des EuGH in Luxemburg bahnt sich jetzt ein geradezu revolutionärer Wandel an. An Universitäten haben die Kirchen, in Konkordaten und Kirchenstaatsverträgen geregelt, ein Vetorecht, wonach auf kirchliches Verlangen ein missliebiger Gelehrter (berühmtester Fall ist der von Hans Küng in Tübingen) abzuberufen ist. Was beide Seiten wissen und nicht daran rühren wollen: Die großen Sozialeinrichtungen wie Caritas (katholisch) und Diakonie (evangelisch) sind nach der öffentlichen Hand die größten Arbeitgeber. In manchen Städten sind fast alle Krankenhäuser und Kitas in kirchlicher Hand. Wer mag an diesen Strukturen rühren? Ein im Grundgesetz seit Jahrzehnten gefordertes Ablösegesetz scheint wie Dornröschen ewig zu schlummern.

Das Ansehen beider Kirchen erodiert, nicht zuletzt durch nicht enden wollende Missbrauchsfälle. Nur noch die Hälfte der Deutschen bekennt sich zu einer der christlichen Kirchen, die mit ihrem, so Schüller, ständigen „Mantra der Gemeinwohldienlichkeit“ den Staat immer wieder bei seinem schlechten Gewissen, nicht genug für Arme, Schwache und Kranke zu tun, treffen.

Das Buch ist engagiert geschrieben, und man kann dem Autor eigentlich in nahezu allen Punkten nur zustimmen. Wer eine tröstende Seelsorge bei Priestern oder Pfarrern erfahren hat, mag umso mehr bedauern, dass die Kirchen fast mehr Angriffspunkte bieten als Parteien und Verbände im weltlichen Bereich.

Thomas Schüller: „Unheilige Allianz. Warum sich Staat und Kirche trennen müssen“, Hanser Verlag, München 2023, gebunden, 208 Seiten, 22 Euro


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Kommentare

Kersti Wolnow am 29.04.24, 07:52 Uhr

Wie sagte neulich Maximilian Krah in seinem 6 Stunden langen Interview (habe nicht bis zu Ende hören können) "Die Kirche hat ihr spirituelles Feld verloren". Das ist genau das, was ich bei meinem Eintritt in die bRD im Herbst 1989 noch vor Maueröffnung hier gesucht und nicht gefunden habe. Sie unterstützt eine total zerstörende und demotivierende Politik, der sie beim Abbau der Moral und Ethik kräftig mithilft statt ihr in den Arm zu fallen.
Kirchenfeiertage werden abgebaut, aber übermorgen ist Adolfs 1. Mai. Man versteht das alles nicht mehr. Unserem Leben fehlt seit gut 30 Jahren eine ethische Ausrichtung, die weder die KIrche noch der Staat vorgibt. Ich nenne es "Egal-Gesellschaft".

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