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Beruf

„Eine völlig neue Welt“

Gleichberechtigung einmal andersherum – Eine männliche Hebamme berichtet von den Erfahrungen in einem „Frauenberuf“

Silvia Friedrich
22.04.2024

Das aus dem Althochdeutschen stammende Wort „Hebamme“ bezeichnet eine alte Frau, die das Kind aufhebt. Hebammen betreuen, helfen und unterstützen Frauen vor, während und nach der Geburt eines Kindes. Im Laufe der Jahrhunderte haben diese Tätigkeit ausschließlich Frauen ausgeübt. Doch im Zuge der Gleichberechtigung streben inzwischen auch Männer diesen Beruf an. Jonas Küppers studiert Hebammenwissenschaft an der Fachhochschule FHM Bielefeld. Er ist der einzige Mann neben 14 Mitstudentinnen und erklärt im PAZ-Interview, was ihn an diesen „Frauenberuf“ fasziniert.

Herr Küppers, noch immer wollen Jungen häufig Pilot, Kapitän oder Rennfahrer werden. Wie kamen Sie ausgerechnet zu diesem Berufswunsch?
Tatsächlich bin ich erst sehr spät auf diesen Beruf aufmerksam geworden. Meine beste Freundin machte eine Ausbildung zur Hebamme und ich parallel meine Ausbildung zum Heilpraktiker. Sie erzählte mir immer wieder von ihren Kreißsaal-Einsätzen. Das waren echt spannende Geschichten, und ich merkte, wie mich das Thema gefesselt hat. Nie zuvor habe ich während meiner Schulzeit oder danach viel über den Beruf der Hebamme gehört. Das war also eine völlig neue Welt. Ich wollte mehr hierüber erfahren und beschloss, ein Praktikum in einem großen Kreißsaal zu machen. In dem Krankenhaus, wo ich dieses Praktikum absolvierte, kommen jedes Jahr über 3500 Kinder zur Welt. Ich habe dort vier Wochen Praktikum gemacht und war bereits nach meiner ersten Geburt total „geflasht“. Bei so einem schönen Moment im Leben einer Familie dabei zu sein, ist echt etwas ganz Besonderes. Und solche Momente durfte ich dann noch 15-mal während meines Praktikums erleben. Um ehrlich zu sein, wusste ich aber schon nach der ersten Geburt, dass ich den Beruf erlernen möchte.

Wie viele Hebammen gibt es in Deutschland und wie viele davon sind männlich?
Meines Wissens gibt es hier knapp unter 30.000 Hebammen. Es wird geschätzt, dass bisher nur ungefähr 30 davon Männer sind. Ich hoffe, das ändert sich bald.

Seit wann „dürfen“ Männer diesen Beruf erlernen und ausüben?
Das dürfen Männer schon jahrzehntelang. Bis Ende 2019 hieß die männliche Bezeichnung für Hebammen noch Entbindungspfleger. Seit 2020 werden nun alle in diesem Beruf als Hebamme bezeichnet. Egal ob Frau oder Mann.

Wie ist es, als einziger Mann in einem bisherigen „Frauenberuf“ zu arbeiten?
Ich muss sagen, dass ich es schöner fände, wenn mehr Männer in diesen Beruf kämmen. Es werden zwar immer mehr, aber man ist schon noch sehr oft der einzige Mann im Kreißsaal. Man wird zwar in der Regel herzlich aufgenommen, aber dennoch würde ich mich über ein wenig mehr männliche Unterstützung freuen.

Werden Sie von Schwangeren oder Kolleginnen ernst genommen, oder gibt es Vorbehalte, weil Sie ein Mann sind?
Die meisten Schwangeren freuen sich, wenn ich sie mitbetreue. Sie reagieren in der Regel sehr offen und finden es toll, dass auch Männer in dem Beruf sind. Die meisten Kolleginnen sehen das genauso. Ein paar alteingesessene Hebammen reagieren da manchmal nicht so herzlich, weil sie der Meinung sind, dass Männer nicht in den Beruf passen. Aber jeder hat halt seine Meinung, und die jüngeren Hebammen sind da in der Regel offen.

Mit welchen Schwierigkeiten muss ein Mann in diesem Beruf rechnen – oder gibt es gar keine?
Ganz selten fühlt sich mal eine Frau unwohl, wenn ein Mann sie bei der Geburt betreut. Das kommt nicht oft vor, aber das muss man dann einfach respektieren und darf man nicht persönlich nehmen.

Wie war die erste Geburt, bei der Sie Unterstützung gaben?
Das ist immer etwas Besonderes und immer noch sehr aufregend. Da fehlt auch einfach noch die Routine. Und jede Frau ist anders. Ich war sehr aufgeregt, aber es hat alles gut geklappt, die Frau hat das richtig toll gemacht. Sie war nach der Geburt glücklich, als ihr Kind geboren war. Und mit der Betreuung war sie, glaube ich, auch ganz zufrieden.

Wie ist der Ausbildungsweg zur Hebamme?
Seit 2020 muss man ein dreieinhalb- bis vierjähriges Studium absolvieren, um Hebamme zu werden. Man hat immer zwei bis drei Monate Theoriephase in der Uni. Dort lernt man alles, was man theoretisch wissen muss, übt praktische Dinge im Skillslab (Trainingsraum, in dem Fertigkeiten und Fähigkeiten geübt werden) und schreibt auch öfter mal eine Klausur. Danach folgen zwei bis drei Monate praktischer Einsatz. Hier arbeitet man im Kreißsaal, auf der Wochenbettstation oder bei freiberuflichen Hebammen und sammelt praktische Erfahrungen. Am Anfang ist es viel Zugucken, ehe man auch selbstständig Tätigkeiten übernimmt.

Wie sieht ein typischer Arbeitstag einer Hebamme aus, und welches sind Ihre Hauptaufgaben?
Im Kreißsaal betreuen Hebammen die Schwangeren vor, während und noch zwei Stunden nach der Geburt. Man berät die Frauen zu Schwangerschaftsthemen und führt eigenständig Untersuchungen durch. Unter der Geburt leitet man den Gebärenden zum Umgang mit den Wehen an und behält die ganze Zeit den Gesundheitszustand von Mutter und dem ungeborenen Kind im Blick. Nach der Geburt werden Mutter und Kind noch einige Zeit überwacht. Die erste Untersuchung des Neugeborenen wird auch von Hebammen durchgeführt. Man hilft der Mutter beim Stillen, und nach zwei Stunden wird sie auf die Wochenbettstation verlegt.

Würden Sie Jungen zuraten, ebenfalls diesen Beruf zu ergreifen?
Absolut. Der Beruf ist total vielfältig, und man trägt sehr viel Verantwortung. Hebammen arbeiten sehr selbstständig. Nach dem Studium kann man sich aussuchen, ob man im Kreißsaal arbeitet, auf der Wochenbettstation oder ob man sich selbstständig macht. In der Selbstständigkeit kann man Vorsorgeuntersuchungen in der Schwangerschaft durchführen. Man besucht die Frauen nach der Geburt und führt die Geburtsnachbetreuung von Mutter und Kind durch. Man kann als selbstständige Hebamme auch Hausgeburten anbieten und die Frauen bei ihnen zu Hause bei der Geburt begleiten. Es gibt super viele Möglichkeiten, als Hebamme zu arbeiten. Ich habe nicht einmal alle genannt. Männer können diesen Beruf genauso ausüben wie Frauen. Auch Männer können einfühlsam sein. Wer einen spannenden und abwechslungsreichen Beruf sucht, mit überwiegend sehr schönen Tätigkeiten, dem gefällt der Hebammenberuf bestimmt. In Italien ist es übrigens ganz normal, dass Männer in diesem Beruf arbeiten. Da ist es absolut nicht ungewöhnlich, einen Mann im Kreißsaal anzutreffen. Warum das in Deutschland bisher noch so anders ist, verstehe ich gar nicht.

Was ist das Schönste in Ihrem Beruf?
Für mich ist die Betreuung unter der Geburt am schönsten. Bei diesem Prozess dabei zu sein und neues Leben mit auf die Welt zu begleiten, ist einfach krass.


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Kommentare

Kersti Wolnow am 25.04.24, 05:56 Uhr

Der Zeitgeist macht aus Männern Memmen und aus Frauen Amazonen (BW). Die Welt steht auf dem Kopf. Als ich für meinen privaten Deutschunterricht Diktattexte im Netz suchte, fand ich nur Propagandamaterial, Jungen als Kindergärtner-Berufswunsch, die Mär vom CO², Klima, bunte Menschen. Ich stellte mir dann Texte mit preußischer Geschichte zusammen. Die bRD ist viel schlimmer als die dDR, weil die Propaganda ganz offensichtlich gegen den Verstand und die Naturgesetze arbeitet und uns danach zu denken und zu handeln auffordert. Das sind permanente, aggressive Angriffe auf die Seele.

Berlin 59 am 23.04.24, 20:14 Uhr

Das hat uns noch gefehlt. Wissen die Frauen eigentlich was da auf sie zukommt? Aber die Meinung der Frauen interessiert bei solchen Sachen sowieso niemanden. Nebenbeigesagt, Eisenbahnverkehrsbetriebe suchen dringend Lokführer, Rangierer, Wagenmeister usw. usf.!

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