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Außergewöhnlich: Den Brückenkopf der Koserower Seebrücke bildet eine Veranstaltungsplattform mit einem Glockenturm, dessen Geläut an die versunkene Stadt Vineta erinnern soll
Foto: RosenthalAußergewöhnlich: Den Brückenkopf der Koserower Seebrücke bildet eine Veranstaltungsplattform mit einem Glockenturm, dessen Geläut an die versunkene Stadt Vineta erinnern soll

Mythos

Eine Welle über den Wellen

Der Seesteg in Koserow auf Usedom birgt die sagenhafte Geschichte der versunkenen Stadt Vineta

Erwin Rosenthal
14.11.2024

Erst mit seiner vierten Seebrücke ist dem Ostseebad Koserow, auf der Insel Usedom gelegen, der große Wurf gelungen. Den drei Vorgängern hatte die notwendige Höhe gefehlt, um den sturmgepeitschten Wellen und dem Eisgang der Ostsee Widerstand zu leisten. Sie gingen allesamt zugrunde.

Zwar ist die im Jahr 2021 eröffnete Koserower Brücke mit einer Länge von 280 Metern wesentlich kürzer als der Seesteg in Heringsdorf oder die neue Brücke in Prerow, sie macht dieses Defizit jedoch durch ihre ungewöhnliche Form mehr als wett. Anders als andere Seebrücken führt sie nicht schnurgerade in die Ostsee hinaus, sondern schlängelt sich wellenförmig aufs Meer, womit sie architektonisch einzigartig dasteht. In gewisser Weise ist sie eine Welle über den Wellen.

Den Brückenkopf bildet eine Veranstaltungsplattform, die ein acht Meter hoher Glockenturm ziert. Neben dem Turm befindet sich die Statue eines Mannes mit einer Glocke in der Hand, der auf die Ostsee hinausschaut, wo der Sage nach Vineta versunken ist. Handelt es sich vielleicht um den Glöckner von Vineta?

An jedem Mittwoch um 16 Uhr strömen stets mehr Besucher als gewöhnlich auf die Seebrücke. Zunächst wird dort die spannende Vineta-Sage vorgetragen. Hiernach soll Vineta „größer als irgendeine andere Stadt in Europa, selbst als die große und schöne Stadt Konstantinopel“, gewesen sein, „und es haben darin allerlei Völker gewohnt, Griechen, Slawen, Wenden, Sachsen und noch vielerlei andere Stämme“.

Das sagenhafte Vineta zeigt sich
Weiter heißt es: „Die silbernen Glocken der Stadt kann man noch jeden Abend, wenn kein Sturm auf der See ist, hören, wie sie tief unter den Wellen die Vesper läuten. Und am Ostermorgen, denn vom stillen Freitage bis zum Ostermorgen soll der Untergang von Vineta gedauert haben, kann man die ganze Stadt sehen, wie sie früher gewesen ist; sie steigt dann, als ein warnendes Schattenbild, zur Strafe für ihre Abgötterei und Üppigkeit, mit allen Häusern, Kirchen, Toren, Brücken und Trümmern aus dem Wasser hervor, und man sieht sie ganz deutlich über den Wellen.“

Wenn nach dem Vortrag und dem Gesang eines Kinderchores die beiden aus einer Kirche in Niedersachsen stammenden Glocken läuten, fühlt sich der Besucher für einen Moment 1000 Jahre in die sagenhafte Stadt zurückversetzt.

Ob es dort auch christliche Glocken gab, ist nicht sicher, denn „die Christen durften ihr Christentum nicht öffentlich bekennen, denn nur die heidnischen Götzen genossen eine öffentliche Verehrung“.

Als sicher gilt jedoch, dass die Stadt Wollin, auf der Nachbarinsel Wollin gelegen, auf den Trümmern jener Stadt erbaut wurde, die heute den Namen Vineta trägt. Diese, sich über vier Kilometer an der Dievenow hinziehende Stadt, hieß ursprünglich Jumne, Julin, Jumneta oder Vimneta. Durch einen Buchstabendreher entstand schließlich der heute übliche Name Vineta.


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