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Das „Heiligenhafener Sternsingerspiel“ – Fritz Grasshoff schrieb es für Flüchtlinge und Kriegsgefangene
Das „Heiligenhafener Sternsingerspiel“ hat eine einzigartige Entstehungsgeschichte. Es wurde nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs im Herbst 1945 von Fritz Grasshoff in Heiligenhafen an der Ostsee in Baracke 7 des Barackenlagers geschrieben. „Dieses Spiel habe ich ... für die Gefangenen und Flüchtlinge zu Heiligenhafen in Ostholstein geschrieben“, berichtete Grasshoff später: „Gefangene und Flüchtlinge spielten es unter der Leitung von Mathias Wiemann dort in Scheunen und Sälen vom 1. Advent bis zum Heiligen Dreikönigstage 1946 48mal.“
Der am 9. Dezember 1913 in Quedlinburg geborene Maler, Autor und Schlagertexter war als Kriegsgefangener in das britische Kriegsgefangenenlager in Ostholstein gekommen. Ebenso wie er harrten zigtausende Soldaten und Flüchtlinge in der kleinen Hafenstadt einer ungewissen Zukunft entgegen. Erstmals wieder im Frieden wollten die Menschen Weihnachten feiern. Doch was bedeutete das schon angesichts von Elend, Flucht und Gefangenschaft?
„Denen, die im Stall leben bei Ochs und Schaf; denen, die nachts schlaflos auf ihrer Schütte liegen und unter Tränen die Hände ballen; denen, die hart und ohne Hoffnung sind“, aber auch „den Herzen, die noch einen Funken Hoffnung bewahren“, wollte Fritz Grasshoff mit dem Sternsingerspiel ein „kleines Laternenlicht“ anzünden. „Vielleicht hat nach langen, langen Jahren Wartens und Blutens, Sterbens und Reifwerdens bei uns ein Gnadenschiff angelegt.“
Die Leitung des „Heiligenhafener Sternsingerspiels“ hatte der bekannte Schauspieler Mathias Wiemann, der selbst die Rolle des Caspar spielte. Unter seiner Obhut hatte sich in Heiligenhafen schon zuvor ein Soldatenensemble gegründet, das sich künstlerisch betätigte. Wiemann hatte auch Grasshoff ermuntert, das Weihnachtsspiel zu schreiben. Die Musik komponierte Walter Unger, ebenfalls ein Gefangenen-Kamerad.
Die Geschichte fing folgendermaßen an: „Bin ausgebombt und abgebrannt. Ein Wanderer im Vaterland“, so stellt sich „Caspar“ Mathias Wiemann in dem Stück vor. Nachdem die Heiligen Drei Könige zunächst unter Flüchtlingen und Soldaten weilen und karge Geschenke sammeln, kommen sie zu den Hirten auf dem Feld und schließlich zu Maria und Joseph, um die Geschenke weiterzureichen.
„Seid ihr die Krippe und das Haus, dann füllt euch Gott mit Liebe aus. Kommt Gottes Kind in euch zur Welt, ist Fried und Freude euer Zelt. Seid Magd und Mutter ihr zugleich, dann ist in euch das Himmelreich.“ Dies sagen die Drei Heiligen Könige im Wechsel am Ende des Stückes und beschließen es mit dem Weihnachtslied „Stille Nacht, Heilige Nacht“.
Das „Sternsingerspiel“ ist nie ganz in Vergessenheit geraten, was auch daran liegt, dass es eine gedruckte Fassung gibt, die im Jahr 1946 erschien. Diese war die Grundlage für eine Wiederaufführung in der Stadtkirche zu Heiligenhafen im Advent 2005. Sie fand unter der Leitung von Pastorin Elisabeth Caesar und Pastor Carsten Sauerberg statt, die auch als Maria und Joseph auftraten.
Grasshoff, der sich nach dem Abitur als Kirchenmalerlehrling und Journalist betätigte, ehe er in den Krieg ziehen musste, weilte nicht sehr lange in Heiligenhafen. Bereits 1946 zog er nach Celle, wo er bis 1967 als freier Schriftsteller und Illustrator der eigenen Werke lebte. Später wohnte er in Zwingenberg an der Bergstraße. Er starb im Februar 1997 im kanadischen Hudson, wohin er 14 Jahre zuvor ausgewandert war.
Bekannt wurde er durch seine Lyrik über „unbürgerliche Existenzen“, wie es ein Autorenlexikon vorsichtig ausdrückt. Matrosen, Gauner, Zuhälter und Huren bevölkern seine Werke. So tragen seine Bücher auch Titel wie „Halunkenpostille“, „Seeräuber-Report“ oder „Grasshoffs unverblümtes Lieder- und Lästerbuch“.
Sein „Heiligenhafener Sternsingerspiel“ erscheint im Gegensatz dazu wie ein Relikt aus einer fremden Epoche. „Es wird eine andere Zeit werden“, schrieb Grasshoff im Dezember 1945 vorausblickend in einem Geleitwort zur ersten gedruckten Ausgabe des Spiels.
Der Heiligenhafener Chronist Otto Rohkohl kommentierte das „Sternsingerspiel“ später einmal so: „Der wachsende Wohlstand der Bundesbürger brachte es mit sich, dass die Beziehungen der Menschen zu diesem Stück geringer wurden, während die Verse der ,Halunkenpostille' sie auch heute noch ergötzen.“