Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung
Der Ministerpräsident des Freistaates Mecklenburg-Schwerin von 1921 bis 1924 wurde vor 90 Jahren in Berlin ermordet
Johannes Stelling wurde am 12. Mai 1877 in Hamburg geboren. Auguste Christiane Dorothea Elisabeth Koch, seine Mutter, stammte aus Röbel am Müritzsee, war Köchin und heiratete nach der Geburt des Jungen den Hamburger Schneider Claus Hinrich Stelling. Johannes besuchte die Volksschule in Hamburg, konnte trotz intellektueller Begabung wegen finanzieller Nöte keinen weiterführenden Bildungsweg beschreiten und absolvierte ab 1892 eine Lehre zum Handlungsgehilfen. Er wurde dabei schon früh mit den sozialen Widersprüchen der Hansestadt konfrontiert, schloss sich der Gewerkschaftsbewegung an und trat 1901 der SPD bei. Der junge Mann, der sich autodidaktisch weiterbildete und gut argumentieren konnte, fiel im Parteiapparat auf. So wundert es nicht, dass er schließlich eine Anstellung als Redakteur beim sozialdemokratisch orientierten „Lübecker Volksboten“ bekam.
Stelling verfasste seine linken Artikel, heiratete, war nebenbei als Gewerkschaftsfunktionär tätig und wurde 1905 Lübecker Chef des Transportarbeiter- Verbandes. 1907 wurde der Sozialdemokrat in die Lübecker Bürgerschaft gewählt, in der er sich für die sozialen Belange der Unterprivilegierten einsetzte und mit Verhandlungsgeschick pragmatische Lösungen und Verbesserungen erreichte.
In den revolutionären Ereignissen am Ende des Ersten Weltkrieges und der erzwungenen Abdankung des deutschen Kaisers sah Stelling eine Chance für einen demokratischen Neuanfang. Er war kein Mann des Barrikadenkampfes, sondern des friedlichen Wechsels durch parlamentarische Mehrheiten. Der gemäßigte Linke, der weit über Lübeck hinaus bis nach Mecklenburg den Ruf eines pragmatischen und kompromissbereiten linken Aktivisten genoss, gehörte als Abgeordneter der Weimarer Nationalversammlung an. Er zählte zu den Gründern der Weimarer Republik, gehörte ab 1919 Innenminister als Innenminister der Regierung des Freistaates Mecklenburg-Schwerin, ab 1920 dem Reichstag und ab 1921 dem Landtag von Mecklenburg-Schwerin an.
Langjähriger Parlamentarier
In der Folge zeigte der Karrierist und Multifunktionär der SPD auch bei der Bewältigung schwierigster Probleme seine Fähigkeiten. Sein riesiges Arbeitsfeld als Innenminister reichte von der Ausarbeitung einer demokratischen Verfassung für Mecklenburg sowie fortschrittlicher neuer Gesetze über die Neugestaltung des Ministeriums, den Aufbau einer kommunalen Selbstverwaltung und die Neuordnung des Polizeiwesens bis zur Ausarbeitung des Abfindungsvertrages für den abgedankten Großherzog. Stelling sorgte im demokratischen Geist für tragfähige Lösungen.
Am 19. Januar 1921 wurde der sozialdemokratische Pragmatiker wegen seiner Verdienste, die der SPD einen Stimmenzuwachs bescherten, Ministerpräsident von Mecklenburg-Schwerin. Ihm gelang die schwierige Kooperation mit den bürgerlichen Parteien, weil er kompromissfähig war und stets Unmögliches möglich machen wollte. Er fungierte drei Jahre als Regierungschef, war weiter Mitglied des Reichstags und gehörte dem SPD-Zentralvorstand an.
Als bei den Wahlen 1924 für die SPD Stimmenverluste zu beklagen waren, verlor Stelling das Amt des Ministerpräsidenten und übernahm andere Ämter. Er fungierte in Berlin als Sekretär im Parteivorstand der SPD, führte 1924 bis 1928 den Gau Berlin-Brandenburg des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold und saß in dessen Bundesvorstand.
Gauführer im Reichsbanner
Die „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten 1933 wurde für Stelling zur bitteren Erfahrung und Zäsur. Es begann die sprichwörtliche Treibjagd auf alle NS-Kritiker. Die Köpenicker Blutwoche bildete einen ersten Höhepunkt des Mordterrors. Sie dauerte vom 21. bis zum 26. Juni 1933. Die Aktion im Berliner Stadtteil Köpenick stand unter dem Kommando des SA-Sturmbannführers Herbert Gehrke und wurde von der SA-Standarte 15 durchgeführt.
Nach den Reichstagswahlen von 1933, die in Berlin noch 1.377.000 Stimmen für SPD und KPD erbracht hatten, statuierte die SA ein Exempel an den NS-Gegnern. Etwa 500 von ihnen wurden Opfer der Aktion. Die Angaben über die Zahl der Ermordeten schwanken zwischen 24 und 91. Stelling gehörte zu den ersten Opfern und starb nach brutalen Prügelattacken am 22. Juni 1933 im damaligen Köpenicker Amtsgerichtsgefängnis.
Einige Tote wurden in Säcke geschnürt und in den umliegenden Gewässern entsorgt. In den Säcken, die danach bei der Grünauer Fähre angeschwemmt wurden, befand sich auch der Leichnam von Stelling. Der Reichsjustizminister Franz Gürtner erließ für die von SA-Angehörigen begangenen Straftaten am 25. Juni 1933 einen „Gnadenerweis“. Das sicherte den SA-Tätern die Straffreiheit. Stelling hinterließ eine Witwe und die gemeinsame Tochter Gertrud Eleonore.
In Berlin-Köpenick erinnern seit 1969 ein Denkmal und seit 2013 eine Dauerausstellung im ehemaligen Gefängnis des Amtsgerichtes an die Köpenicker Blutwoche. Diese Gedenkstätte ist jeweils am Donnerstag zwischen 10 und 18 Uhr geöffnet. Dazu gibt es eine Fülle von Schriften, die sich mit dem Geschehen
beschäftigen.
sitra achra am 14.06.23, 11:58 Uhr
Aber die Schlägerbanden der Sozen und der Kommunisten haben ja niemand gemeuchelt,z.B. Erich Mielke, die liebten die Demokratie über alles und waren die Guten und Braven, wer's glaubt.
Zu Stelling, dem Supersozen, fällt mir der herzergreifende Spruch am Ende von Marie von Ebner-Eschenbachs Erzählung "Krambambuli" ein: Schad' um den Hund.