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Grenzverkehr

Einfallstor für Corona

Anders als beim ersten Lockdown bleiben die Grenzen offen – Auch zur Pandemie-Hochburg Tschechien

Hermann Müller
21.01.2021

Trotz extrem hoher Infektionszahlen in Tschechien sperren sich Bundesregierung und die Länderchefs gegen Grenzschließungen. Stattdessen überbieten sich Spitzenpolitiker mit Vorschlägen für immer schärfere Pandemiemaßnahmen im Inland.

Noch bevor Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Ministerpräsidenten am 19. Januar die Schraube bei den Pandemie-Maßnahmen erneut angezogen haben, waren Politiker wie Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow und der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach mit Forderungen nach einem möglichst „harten Lockdown“ vorgeprescht.

Corona-Brennpunkt Böhmen

Beide Politiker sprachen sich beispielsweise dafür aus, die Wirtschaft stärker als bisher runterzufahren. Deutlich zurückhaltender waren Ramelow, aber auch seine Amtskollegen aus Sachsen, Bayern und Brandenburg, beim Problem der Grenzpendler. Auf Übersichtskarten zu den Corona-Infektionszahlen fallen bereits seit November vor allem Orte wie Passau, Regen, Bautzen, Zittau und die Landkreise Hildburghausen und Sächsische Schweiz-Osterzgebirge auf. Optisch auf geographischen Karten gut erkennbar, legen sich diese Städte und Regionen wie ein Band um den Corona-Brennpunkt Böhmen.

Tschechien insgesamt verzeichnet Infektionszahlen, die zu den höchsten in der Welt zählen. Mitte Januar lag die Sieben-Tage-Inzidenz in Tschechien bei 671 pro 100.000 Menschen. Der Durchschnittswert für die Bundesrepublik lag am 15. Januar bei 146.

Der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Marco Wanderwitz, hatte bereits im Dezember auf den kleinen Grenzverkehr aus Tschechien und die Arbeitspendler als wichtige Faktoren bei den hohen Infektionszahlen in Sachsen hingewiesen. Der CDU-Politiker sagte zudem, die Pandemiemaßnahmen auf der tschechischen Seite hätten dafür gesorgt, „dass Zehntausende Tschechen außer der Reihe zum Einkaufen nach Sachsen kamen“.

Stark betroffen ist mittlerweile auch Brandenburg: Das starke Infektionsgeschehen aus der sächsisch-böhmischen Grenzregion hat sich in den letzten Wochen immer stärker in Richtung Norden, nach Brandenburg ausgebreitet. Zudem sind auch die Regionen östlich von Oder und Neiße mittlerweile Corona-Risikogebiete.

Testpflicht für Grenzpendler

Sowohl die Bundesregierung als auch die Länderchefs haben sich bei der Problematik der hohen Infektionswerte in den Nachbarregionen und bei der Frage nach Gegenmaßnahmen bislang erstaunlich zurückhaltend gezeigt. Hierzulande gelten mittlerweile Kontakt- und Beherbergungsverbote, an Corona-Brennpunkten sogar nächtliche Ausgangssperren und Einschränkungen der Bewegungsfreiheit auf einen engen Radius um den Wohnort.

Im Fall der Pendler, die täglich aus Corona-Hochrisiko-Gebieten zur Arbeit nach Sachsen und Bayern fahren, hat die Politik allerdings bemerkenswert spät und zurückhaltend reagiert. Sachsens Corona-Quarantäne-Verordnung verpflichtet erst seit dem 18. Januar Grenzpendler aus Risikogebieten, sich zumindest einmal pro Woche testen zu lassen.

Der Freistaat Bayern hatte eine Testpflicht bereits vergangenes Jahr eingeführt. Nach einer Klage von zwei österreichischen Schülern kassierte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof die Regelung zunächst wieder ein. Die meisten Beobachter gehen zudem davon aus, dass eine Testpflicht für Grenzpendler aus Sicht der Politik bereits das Maximum an Maßnahmen darstellen wird.

Viele Kliniken und Pflegeheime in Sachsen, Bayern, Berlin-Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern sind auf die polnischen und tschechischen Pendler dringend angewiesen. Zu den rund 9000 Tschechen, die täglich zur Arbeit nach Sachsen pendeln, gehören fast 400 Ärzte.

Pflegepersonal aus dem Osten

Ähnlich stark sind Brandenburgs Kliniken und Pflegeheime auf polnische Arbeitskräfte angewiesen. Ministerpräsident Woidke begründete seine Ansage, „für Arbeitspendler muss die Grenze offen bleiben“, sogar ausdrücklich auch damit, dass „viele Polen in Brandenburg im Gesundheitswesen arbeiten“.

Angesichts dieser Bedeutung der Pendler für das deutsche Gesundheitssystem wäre eigentlich zu erwarten, dass Bund und Länder in den vergangenen Monaten effektive Teststrategien entwickelt haben. Ein Bericht des Senders rbb zu Zeitarbeitskräften in Berliner Kliniken und Pflegeheimen lässt allerdings genau daran Zweifel aufkommen. Recherchen des Senders ergaben, dass sogenannte „Springer“ tageweise in ganz verschiedenen Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen eingesetzt werden, ohne vor jedem Arbeitsantritt wenigstens einen Corona-Schnelltest zu erhalten.

Damit nicht genug gaben die befragten Fachleute zur Testpflicht der Zeitarbeitskräfte auch sehr abweichende Auskünfte. Die Berliner Senatsverwaltung für Gesundheit stellte am Ende klar: Bei Einsätzen in Pflegeheimen müssen die „Springer“ von den Zeitarbeitsfirmen alle zwei Tage getestet werden, nicht aber, wenn sie in Krankenhäusern arbeiten. Als Folge soll es laut rbb bei häufig wechselnden Einsatzorten möglich sein, dass Zeitarbeitspflegekräfte durchaus mehrfach durch die Maschen der Testvorgaben rutschen.


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