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18 Journalisten und Historiker widmen sich in dem „Spiegel-Wissen“-Buch „Verlorene Heimat“ dem Schicksal der Vertriebenen des Zweiten Weltkriegs
In Europa waren im 20. Jahrhundert rund 80 Millionen Menschen Opfer von Flucht und Vertreibung. Den größten Anteil hatten die Deutschen mit 14 Millionen, von denen über zwei Millionen auf der Flucht umgekommen sind. Diese Menschheitskatastrophe ruft das von der „Spiegel-Wissen“-Redaktion herausgegebene Buch „Verlorene Heimat. Das Schicksal der Vertriebenen des Zweiten Weltkriegs“ in Erinnerung, das 20 Beiträge von Journalisten und Historiker vereint.
Thematisch reicht es von Zwangsmaßnahmen gegenüber Juden und Polen vor und im Zweiten Weltkrieg über die Vertreibung der Deutschen und die dabei zu beklagenden Opfer, finnische Opfer in den Kriegen gegen die Sowjetunion, die Inte-gration der Flüchtlinge in Mittel und West-deutschland sowie die Organisation der Vertriebenen bis zum Thema Erinnern, wofür ein Interview mit der Leiterin des Berliner Dokumentationszentrums Flucht, Vertreibung, Versöhnung, Gundula Bavendamm, steht.
Alle Beiträge sind kurz und etwas selektiv, geben aber doch einen informativen Einstieg, so über Finnlands schmerzhaften Verlust Kareliens und die fabelhaft gemeisterte Aufnahme von 400.000 geflüchteten und vertriebenen Landsleuten, die Vertreibung der Polen und Ansiedlung der Deutschen im Warthegau, das dänische Flüchtlingslager in Oksboel und, besonders anregend, über neue Ansiedlungen, etwa in Nordrhein-Westfalen die „Vertriebenenstadt“ Espelkamp oder die „jüdische Stadt“ Föhrenwald, eine ganz außerordentliche Manifestation des Überlebenswillens. Gefragt wird auch – nach einem Rückblick auf deren Anfänge in der Bundesrepublik – nach der heutigen Bedeutung der Vertriebenenverbände. Deren oft kritisierter „Revanchismus“ sei erklärbar aus dem Schmerz über den Verlust der Heimat, er spiele aber, so die Autorin, inzwischen keine Rolle mehr. Gewürdigt wird die heutige Leistung der Verbände etwa bei der Integration syrischer Immigranten.
Das Buch gefällt wegen einiger origineller „Beigaben“: So werden neun Originalrezepte von Ostpreußen bis Siebenbürgen vorgestellt, Königsberger Klopse ebenso wie Powidltatschkerln aus Böhmen und Grumbieri Paprikasch von den Donauschwaben. Hinter mehreren Kapiteln gibt ein Stichwort „Schnelles Wissen“ knappe Informationen etwa zum Durchgangslager Friedland, zum Generalplan Ost oder zum Stand heutiger Immigration nach Deutschland. Am Ende stehen eine Chronik sowie Buch-, Film- und Museumsempfehlungen. Insgesamt ein guter Einstieg in dieses komplexe, hochemotionale Thema.
Felix Bohr/Solveig Grothe (Hg.): „Verlorene Heimat. Das Schicksal der Vertriebenen des Zweiten Weltkriegs“, Deutsche Verlags-Anstalt, München 2024, gebunden, 240 Seiten, 24 Euro