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Ukrainepolitik

Einsamer „Diener des Volkes“

Gegenoffensive gescheitert, Verbündete wanken – Der ukrainische Präsident steht zunehmend in der Kritik

Manuela Rosenthal-Kappi
18.12.2023

Niemand glaubt so an unseren Sieg wie ich. Niemand.“ Dieses Zitat des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj war die Titelschlagzeile des „Time“-Magazins Ende November. Es stammt aus einer Rede, die dieser im September in Washington gehalten hatte. Zu diesem Zeitpunkt war die ukrainische Gegenoffensive bereits gescheitert.

Die Bilanz des einst gefeierten „Dieners des Volkes“ sieht düster aus. Nach 22 Monaten Krieg hält Russland etwa ein Fünftel des ukrainischen Territoriums besetzt. Ein nennenswerter Durchbruch der russischen Verteidigungslinien ist den ukrainischen Streitkräften nicht gelungen. Das globale Interesse am Ukrainekonflikt sowie die Bereitschaft, dem Land weitere Milliardenhilfen zur Verfügung zu stellen, sind rückläufig. Erschwerend kommt hinzu, dass der Angriff der Hamas auf Israel und der laufende Krieg in Gaza derzeit die Öffentlichkeit mehr in ihren Bann ziehen und die internationale Hilfe – vor allem aus den USA – dorthin umgelenkt wird. Wegen des klammen US-Haushalts und den Vorbehalten der Konservativen im US-Kongress könnten die Hilfen aus Washington im neuen Jahr sogar ganz wegfallen.

Selenskyj gibt sich überzeugt davon, den Krieg noch gewinnen zu können, und unternimmt große Anstrengungen, die Verbündeten davon zu überzeugen. Doch auch wenn hierzulande die kleinsten ukrainischen Erfolge die Schlagzeilen der Medien beherrschen, während nur Russlands Verluste gezählt werden, kann diese Mainstream-Berichterstattung nicht über die wahre Katastrophe, in der sich die Ukraine befindet, hinwegtäuschen.

Selbst ehemalige Verbündete fallen Selenskyj mittlerweile in den Rücken. Laut „Time“ befindet sich der Präsident nicht nur mit seinem Generalstabschef im Konflikt, sondern auch mit den meisten anderen militärischen Führern. Im September feuerte er Verteidigungsminister Oleksij Resnikow.

Sein größter Widersacher ist Generalstabschef Walerij Saluschnyj, der als Kandidat für das Amt des Präsidenten bei den Präsidentschaftswahlen gehandelt wird, die regulär am 31. März 2024 stattfinden müssten. Saluschnyj und Beamte verschiedener Ebenen beschuldigen sich gegenseitig, für die Misserfolge im Feld und das Scheitern der Innen- und Außenpolitik verantwortlich zu sein.

Vorbereitung auf Friedensgespräche
Währenddessen berichten Soldaten von der katastrophalen Situation an der Front mit extrem hohen Verlusten. Sie kritisieren die Führung scharf wegen der schlechten Versorgung mit Lebensmitteln, Trinkwasser und geeigneter Ausrüstung.

Offensichtlich konnte Russland sich auf die lange angekündigte Gegenoffensive gut vorbereiten und seine Taktik ändern. Fortwährende Drohnenangriffe auf den ukrainischen Vorstoß behinderte die Operation. Militärbeobachter sprechen schon länger von einer Pattsituation und sagen einen lange dauernden Stellungskrieg voraus.

Seit Russland gezielt die Infrastruktur der Ukraine angreift, gibt es Probleme mit der Energieversorgung der Zivilbevölkerung. Machten die Bürger im vergangenen Winter die Russen dafür verantwortlich, so werfen sie nun der Regierung vor, nicht rechtzeitig vorgesorgt zu haben. Es gelingt Selenskyj immer weniger, Optimismus zu verbreiten. Seine Zustimmungswerte sind daher auf 30 bis 40 Prozent gesunken.

Immer häufiger geben ehemalige Berater und Unterstützer des ukrainischen Präsidenten Zeitungen wie „The Economist“ oder „Time“ Interviews, in denen sie die Führung kritisieren. US-Zeitungen schreiben offen über die Probleme, etwa über bürokratischen Stillstand, die schlechte Arbeitsmoral und die um sich greifende Korruption.

Obwohl die deutsche Ampelregierung gerade angekündigt hat, die militärische Unterstützung der Ukraine von derzeit 5,4 Milliarden Euro auf 10,5 Milliarden im kommenden Jahr fast zu verdoppeln, beginnt im Westen die Bereitschaft zu bröckeln, einen endlosen Konflikt zu unterstützen. Stattdessen macht sich eine Ermüdung sowie die Erkenntnis breit, dass dieser Krieg nicht zu gewinnen ist und dass mit Russland Gespräche geführt werden müssten.

Laut dem US-Sender NBC, der sich auf US-Regierungsquellen beruft, haben schon im November erste Gespräche mit Kiew über Friedensverhandlungen stattgefunden, bei denen auch grob umrissen wurde, was die Ukraine eventuell aufgeben müsse. Das konservative Lager in den USA will den Ukrainekonflikt schnell beenden. Neben Donald Trump und dem ehemaligen Berater des Pentagons Douglas Macgregor gab auch der Ökonom Jeffrey Sachs US-Präsident Joe Biden die Schuld am Ausbruch des Kriegs in der Ukraine. Der Professor sagte, dass die unbedachte Politik Washingtons zur Katastrophe in der Ukraine geführt und das Land ohne ausgereiften Plan in die Schlacht geschickt habe. Russland sei in der Luft, auf dem Boden und mit Raketen überlegen. Der ehemalige US-Offizier Scott Ritter glaubt, dass der Westen schon in den kommenden Monaten versuchen werde, Selenskyj und das Problem Ukraine loszuwerden.

Bisher lehnte Selenskyj Friedensgespräche mit dem Feind ab, gerät dabei jedoch zusehends in die Isolation. Auf dem Nachrichtenportal X (Twitter) schrieb er dieser Tage überraschend, dass er einen Plan für Gespräche habe.


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Kommentare

Rolf Kunz am 30.12.23, 09:54 Uhr

Plötzlich, da Selenskyj die Gefallenen ersetzen muss, spielen die rund 190.000 fahnenflüchtige Ukrainer auf deutschem Boden eine Rolle. In der Ukraine sterben die Soldaten und die eigentlich dem Kriegsrecht unterstehenden männlichen Ukrainer leben hier vom reichlichen Bürgergeld. Reichlich deswegen, weil auch noch die Miete mit Nebenkosten vom deutschen Steuerzahler bezahlt wird.
Nun erscheint in immer mehr Kommentaren zum Ukraine-Krieg der staatstreuen Presse der Hinweis, dass diese Ukrainer eigentlich kämpfen und sterben sollten. Letzteres wird nicht erwähnt. Warten wir ab, wie weit die Treue zu Kiew bei Scholz & Co. reicht.

sitra achra am 29.12.23, 12:47 Uhr

Die Sowjetunion hatte im Budapester Memorandum die territoriale Integrität der Ukraine anerkannt. Freund Putin hingegen hat die Rechtsnachfolge bestritten.
Also ist es unsere Pflicht, den Ukrainern modernste atomare Mittelstreckenraketen zu liefern, die sie im Gegenzug für die Bestandsgarantie freiwillig abgegeben haben, damit sie Russland ein Ultimatum stellen können.
Die Russen sind darüber hinaus von der UNO dazu zu verpflichten, für die von ihnen verübten Verbrechen und Kriegsschäden zur Verantwortung geradezustehen.
Ich denke, dass eine nach gerechtem Friedensschluss endlich objektiv informierte und aufgeklärte russische Zivilgesellschaft mit diesen Maßnahmen voll und ganz einverstanden wäre. Darüber hinaus würde sie die abgrundtiefe Verlogenheit der derzeitigen Usurpatoren im Kreml und ihre faschistische Grausamkeit in Ewigkeit verdammen und ihre Namen für alle Zeiten aus ihrem Gedächtnis löschen.

Rolf Kunz am 26.12.23, 18:32 Uhr

Man muss die Dinge allerdings der Reihe nach beurteilen, so wie diese sich entwickelt haben.
Da war im Frühjahr 2014 der vom Ersten unterstützte Putsch gegen die gewählte Regierung. Eine der ersten Massnahme der Putschisten, die niemand gewählt hatte, war die Diskriminierung der russischen Sprache der knapp 6 Millionen Ukrainer mit russischen Wurzeln. Auf der Krim leben nicht nur 97% Russen, sondern es existierte ein Flottenvertrag mit Russland aus dem Jahre 1992. Dessen Einhaltung war nun fragwürdig geworden und deshalb unterstützte Russland die Sezessionsbestrebung der Russen auf der Krim. Der Rest der Geschichte sollte eigentlich bekannt sein.

Ottfried Wallau am 21.12.23, 21:15 Uhr

Vielen Dank für diesen differenzierten & ehrlichen Beitrag. - Es kann doch auf Seiten der Ukraine (und ihrer NATO/EU Partner) jetzt nur noch darum gehen, Verhandlungen einzuleiten, um das Leben möglichst vieler Ukrainerinnen & Ukrainer zu retten.
Ein wenig Selbstkritik & Demut würden NATO & EU auch nicht schlecht stehen.

Udo Dotzki am 20.12.23, 03:47 Uhr

Spiegel.de - das ukrainische Militär bittet Präsident Selenskyj um weitere 500000 Soldaten.

Gregor Scharf am 18.12.23, 13:10 Uhr

Die Ukrainer haben bekommen, was sie wollten und sie kämpfen bis auf den heutigen Tag. Man kann aber ein so großes Land nicht von aussen permanent mit Waffen versorgen, noch dazu in den Kampf schicken ohne Luftunterstützung. Das hat schon bei der Wehrmacht in Stalingrad nicht funktioniert.
Die lange Vorgeschichte zu diesem Krieg wird uns auch nicht komplett berichtet, was im Nachhinein einer zwingenden Aufarbeitung bedarf. So gab es genügend Anzeichen und ebenso viele Möglichkeiten, diesen Krieg zu verhindern.
Das Ganze ist politisch völlig verfahren und daran tragen alle Beteiligten die Schuld. Jahrhundertealte Zwistigkeiten wurden aufgewärmt und propagandistisch aufbereitet.
Sich jetzt die Hände zu reichen, erfordert wesentlich mehr Mut, als weiterhin den Abzug zu betätigen. Eine weitere Chance auf Friedensverhandlungen wird es womöglich nicht geben. Ich wünsche den Kriegsparteien angesichts des bevorstehenden Weihnachts- und Neujahrsfestes, dass sie sich auf Verhandlungen besinnen.
Ruhm und Ehre den Soldaten und Gefallenen auf beiden Seiten. Was für ein Potenzial an gross- und einzigartigen Menschen wurde und wird da verheizt?

Dr. Holz Michael am 18.12.23, 11:59 Uhr

Das Verhalten Selenskis erinnert stark an die Situation "im Bunker 1945". Der größte Feldherr aller Zeiten fabulierte noch Ende April 1945 von der Entsatz Armee Wenk, welche es nur auf dem Papier gab. Selenski wurde von den US-Maidan-Putschisten aufgebaut und er wird fallen wie die Marionetten in Afghanistan.

Udo Dotzki am 18.12.23, 11:26 Uhr

Es werden Milliarden deutsche Euro in der Ukraine versenkt, diese Geldspende wurde gerade verdoppelt. Von 5,xx Millarden auf über 10 Milliarden Euro.
Was tun unsere Regierenden für die Folgen der covid Geschädigten. Mehr als zwei Millionen leiden, liegen im Bett und keinen interessiert es ernsthaft. Unglaublich!
Frau Vorsitzende des Verteidigungs Ausschusses wird nicht müde in ihren öffentlichen Auftritten Russlands Niederlage herbeizureden.
Gebt ihr eine Infanterie Ausrüstung und dann darf sie gerne in der Ukraine siegen.

Udo Dotzki am 18.12.23, 07:09 Uhr

Die Ukraine besiegt Russland, - Dank westlicher Hilfe!

Heute ist weder der erste April, noch entspricht die Nachricht der Wahrheit.

Die Ukraine kann diesen Krieg nicht gewinnen. Selenskyj könnte aus Geschichte lernen und es macht Sinn auf seine Generale zu hören. Das Ungleichgewicht im Kräfteverhältnis ist zu groß, von Anfang an. Und die Gefahr eines Weltkrieges? Groß! Miteinander reden und die Sache in Ordnung bringen wäre eine Lösung? Die andere wäre ein Duell zwischen Selenskyj und Putin. Das hätte was und tausende Soldaten wären noch am Leben. Wenn die Herren Krieg führen müssen, dann sollen sie auch kämpfen.

Was nutzen der Ukraine die modernste Waffentechnik, wenn sie nicht bedient werden können,....... auch aus Personalmangel.

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