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Eisengussmedaillen führen Gleiwitz in die deutsche Geschichte

Baron Münchhausen oder die Grimms haben heute auch bei polnischen Kindern eine Chance

Chris W. Wagner
05.05.2024

Märchen und Legenden, die vor 100 Jahren in oberschlesischen Kinderzimmern erzählt wurden, sind Thema eines Bildungsangebotes im Museum des Kunsteisengusses in Gleiwitz [Gliwice]. Inspirationen holen sich die Museumspädagogen in ihren kunst- und industriegeschichtlichen Sammlungen.

Das Kunsteisenguss-Museum entstand aus der durch Friedrich Wilhelm Graf von Reden (1752–1815) im Jahr 1796 gegründeten Königlich Preußischen Eisengießerei zu Gleiwitz. Es war die zweite Hütte Preußens nach der Eisenhütte im oberschlesischen Malapane [Ozimek]von 1754. Am Bau der Königlich Preußischen Eisengießerei in Gleiwitz war der Bauingenieur und Konstrukteur John Baildon (1772–1846) beteiligt.

Als erster Modelleur wurde 1816 der Potsdamer Friedrich Ludwig Beyerhaus von Berlin nach Gleiwitz berufen. In Gleiwitz wirkten neben dem Bildhauer aus Königshütte Theodor Kalide (1801–1863)auch Künstler wie der Neuruppiner Karl Friedrich Schinkel, der aus Paprotzan [Paprocany] bei Kattowitz [Katowice] stammende August Kiss oder Christian Daniel Rauch, dessen Denkmal Friedrich des Großen im Forum Fridericianum in Berlin steht. In Gleiwitz entwarfen sie Skulpturen, Medaillen und Medaillons.

Vorlage für Geschichtsexkursionen
Diese zahlreichen, über hundertjährigen Medaillen, auf denen Märchengestalten abgebildet sind, dienen den Museumspädagogen als Vorlage für ihre Geschichtsexkursionen. Eisengussobjekte mit dem Lügenbaron von Münchhausen auf einer Kanonenkugel, dem Herrn der Berge – Rübezahl, dem Rattenfänger von Hameln und Grimmschen Märchengestalten oder Fabelwesen werden polnischen und oberschlesischen Kindern erklärt. „Wie sehen Greife aus? Was konnte man in ihren Nestern finden? Was verband die kriegerischen Skythen mit Greifen? All das können Teilnehmer unserer Workshops erfahren“, so Ewa Chudyba, Pressesprecherin des Museums zu Gleiwitz. „Möglicherweise haben oberschlesische Kinder von diesen Wesen bereits von ihren Eltern oder Großeltern vor dem Schlafengehen gehört“, meint sie.

Aber auch das Gebäude selbst, in dem sich seit 2010 das Kunsteisenguss-Museum befindet, ist Teil der den Kindern dort erzählten Geschichte. Die einstige Maschinenhalle der Gleiwitzer Grube [kopalnia Gliwice] sowie das benachbarte Zeughaus wurden von den Charlottenburger Architekten Emil und Georg Zillmann in den Jahren 1912 bis 1914 erbaut. Sie bilden das Zentrum für Bildung und Wirtschaft „Neues Gleiwitz“ und befinden sich im Stadtteil Trinneck [Trynek] südöstlich der Gleiwitzer Innenstadt.

Gleich neben dem Kunsteisenguss-Museum ist der Gleiwitzer Sitz des Hauses der deutsch-polnischen Zusammenarbeit angesiedelt, der sich seit 1998 als Nachfolger der Friedrich-Ebert-Stiftung in der Republik Polen der Pflege des deutschen Kulturerbes in Oberschlesien verschrieben hat und eng mit den Gleiwitzer Museen zusammenarbeitet.

Charme des Schmucks bleibt
In seiner pädagogischen Arbeit mit Kindern bringt das Kunsteisenguss-Museum diesen auch die preußische Königin Luise näher, die zur Popularisierung der Gleiwitzer Erzeugnisse beigetragen habe. „Sie liebte den sogenannten sentimentalen Schmuck des 19. Jahrhunderts und besonders den gusseisernen. Wir erklären die Bedeutung der aus hochwertigem Gips hergestellten, an Metallfassungen befestigten und mit Acrylfarbenverzierten Schätze, zeigen Armbänder mit pflanzlicher Ornamentik, kunstvolle Medaillons mit weiblichen Profilen, Plaketten und Medaillons an Halsketten oder Reliefbilder mit mythologischen Motiven. Der Charme des Schmucks,den Frauen Anfang des 19. Jahrhunderts liebten, wirkt heute noch“, verspricht Chudyba.


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