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Ein Berliner gründete die erste Bahnhofsmission – Testfahrten zu den sozialen Auffangstationen an Bahnhöfen im Rheinland
Sollte ein Reisender im Bahnhof einer Großstadt stranden, dann braucht er Hilfe. Dafür sind die Bahnhofsmission zuständig, von denen es mehr als 100 über ganz Deutschland verteilt gibt. Die Anfänge der Bahnhofsmission liegen in der beginnenden Industrialisierung in Deutschland. Immer mehr alleinstehende junge Frauen und Mädchen strömten auf der Suche nach Arbeit und Auskommen vom Land in die wachsenden Städte. Die dort angesiedelte Blech- und Metallindustrie oder die Anstellung als Dienstmädchen blendeten mit ihren Versprechungen.
Dabei drohten aber Gefahren durch unseriöse Vermittler. Um den Mädchenhandel, Prostitution und „sittliche Gefahren“ zu bekämpfen, taten sich ab 1882 Frauen aus dem gehobenen Bürgertum und dem Adel zusammen, um orientierungslosen jungen Damen bei der Suche nach Arbeit und Unterkunft zu helfen.
Im Jahr 1894 gründete der evangelische Pfarrer Johannes Burckhardt die erste evangelische Bahnhofsmission in Berlin. Im Jahre 1897 kam dann ein katholisches Gegenstück in München hinzu. Heute sind die hauptsächlich von ehrenamtlichen Mitarbeitern geführten Bahnhofsmissionen ökumenisch ausgerichtet. Von kleineren Unterstützungen wie einer Tasse Kaffee oder einem Pflaster über Reisehilfen bis zur Vermittlung in Therapieeinrichtungen reicht die Hilfspalette.
Soweit zur Theorie. Doch wie sieht die Praxis aus? Die Reise beginnt in Kleve am Niederrhein. Die Regionalbahn fährt von dort nach Düsseldorf. Wie in der Region so üblich, gibt es weder in Kleve noch entlang der Strecke eine Bahnhofsmission – und das, obwohl am Bahnhof von Weeze für Reisende in Richtung Weeze-Flughafen ein Umstieg erforderlich und Kevelaer ein Wallfahrtsort ist. Am Hauptbahnhof von Krefeld gibt es zwar gut sichtbar Räumlichkeiten der Bahnhofsmission, anders als im Internet angegeben wirken sie aber schon seit Jahren verwaist.
Am Zielort Düsseldorf angekommen, befindet sich die Bahnhofsmission im Quergang zwischen Nordtunnel und Eingangshalle. Auf den ersten Blick sieht es hier luxuriös aus, was beispielsweise an der Lounge für Kinder liegt. Der Hauptraum der Bahnhofsmission liegt aber direkt neben dem Eingangsbereich der öffentlichen Toilette. Und viel schlimmer noch: Bedingt durch eine Glaswand ist der Aufenthaltsraum komplett einsehbar. So wird schnell und leicht sichtbar, dass sich hier regelmäßig einkommensschwächere Freunde berauschender Substanzen mit erhöhtem Beratungs- und Hilfsbedarf aufhalten. Eine Einladung zum Verweilen sieht anders aus.
Fährt der Reisende mit dem Zug weiter nach Elberfeld, macht die Bahnhofsmission schon einen deutlich angenehmeren Eindruck. Hier gibt es allerdings nur wenige Sitzplätze, bei gutem Wetter sind es zwei direkt vor der Eingangstür. Der Besucher erhält dafür auf Wunsch Kaffee und eine kleine Mahlzeit wie belegte Brötchen oder – sofern vorhanden – auch Suppen. Die Bezahlung erfolgt auf freiwilliger Basis. Die ehrenamtlichen Mitarbeiter bieten bei Bedarf freundlicherweise Gespräche und eine Begleitung zum Bahngleis an.
Die letzte Fahrt führt von dort aus bis zum Kölner Hauptbahnhof. Die dortige Bahnhofsmission schießt im wahrsten Sinne des Wortes den sprichwörtlichen Vogel ab. Neben einem Heißgetränk (Kostenpunkt: 50 Cent), einer Aufenthaltsmöglichkeit und einer Toilette ist die dortige Bahnhofsmission auch schon positiv durch Live-Musik in den Fußgängerpassagen im Bahnhof, die Teilnahme am Kölner Krippenweg, den Besuch des karnevalistischen Dreigestirns sowie Filmaufnahmen für eine Dokumentation des ZDF über Ehrenamtler aufgefallen.
Auf dem Heimweg wird noch Station in der Duisburger Bahnhofsmission gemacht. Sie liegt etwas unscheinbar in einem Seitenarm der Empfangshalle. Sie ist eine Mischung aus Aufenthaltsraum, Kaffeetankstelle (Kostenpunkt: 40 Cent), kostenlose Essensausgabe (Brot) und Kleiderkammer. Immerhin ist auch sie eine Ruhe-Oase in einem betriebsamen Umfeld.