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Wirtschaft

Energiewende schlägt Umweltschutz – mal wieder

Im Streit um die giftige „Ewigkeitschemikalie“ PFAS offenbart sich die Doppelbödigkeit der „grünen“ Transformation in der EU

Dagmar Jestrzemski
22.08.2023

Aufgrund einer Initiative von Deutschland, Dänemark, den Niederlanden, Norwegen und Schweden bereitet die EU eine Beschränkung der Per- und Polyfluorierte Alkylsubstanzen (PFAS) vor, einer großen Klasse von einigen Tausend synthetischen Industriechemikalien. Im Zuge eines umfassenden REACH (Registration, Evaluation, Authorisation of Chemicals)-Beschränkungsprozesses ist ein Verbot aller bisher wesentlichen PFAS in der EU bereits 2025 möglich.

Von März bis September führt die europäische Chemikalienbehörde ECHA (European Chemical Agency) eine sechsmonatige öffentliche Anhörung zu PFAS durch. Diese als giftig geltenden Substanzen kommen in der Natur nicht vor und sind wasser-, schmutz- und fettabweisend. Da sie weder durch Wasser, Wärme oder Bakterien abbaubar sind, werden sie auch als „Ewigkeitschemikalien“ bezeichnet.

Ein Verbot könnte innovativen Alternativen den Weg bereiten. Doch während Umweltverbände und das Umweltministerium ein baldiges Ende von PFAS fordern, plädiert Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) für einen „differenzierten Umgang“ mit dieser Chemikaliengruppe, da es für die Anwendung in den „Schlüsseltechnologien auf dem Weg zur Klimaneutralität“ derzeit keine Alternativen gebe. Desgleichen warnten die Verbände der Autoindustrie (VDA), der Elektro- und Digitalindustrie (ZVEI) und des Maschinenbaus (VDMA) davor, dass für die Energie- und Mobilitätswende bei einem umfassenden Verbot eine „Vollbremsung“ drohe.

Schwere Schäden befürchtet
Die häufigsten Anwendungen von PFAS in Alltagsprodukten sind Oberflächenbehandlungen von Textilien, Metallen und Kunststoffen sowie Papier- und Kochgeschirrbeschichtungen. Für viele industrielle Produkte sind sie hochrelevant, so als Komponenten bei der Herstellung von Schmiermitteln, Bremsflüssigkeit, Pflanzenschutz- und Feuerlöschschäumen, Halbleitern und Kabeln.

PFAS reichern sich in der Umwelt, in den Nahrungsketten und im Menschen an. Sie sind ubiquitär, also überall verbreitet. Mehrere Studien kamen zu dem Ergebnis, dass diese Industriechemikalien gesundheitsschädigend sein können. So könnten PFAS Auswirkungen auf die Fruchtbarkeit haben, Entwicklungsstörungen bei Kindern verursachen oder das Risiko für einzelne Krebsarten erhöhen. Trotzdem gibt es keine Regeln, die den Gebrauch und die Entsorgung von PFAS systematisch erfassen und begrenzen.

Zunehmend größere Mengen von teils hochgiftigen PFAS werden infolge der sogenannten klimaneutralen Energieversorgung und bei der E-Mobilität produziert und eingesetzt. Ohne PFAS seien Produktion und Betrieb von E-Autos, Wärmepumpen, Lithium-Ionen-Batterien, Energiespeichern und Wasserstofftechnologien derzeit nicht möglich, erklären Branchenvertreter.

Für Wärmepumpen stehen als Alternative natürliche Kältemittel zur Verfügung, doch die Heizungsbauer wehren sich gegen eine baldige Umstellung. In den Schaltanlagen der Windräder wird das als höchst klimaschädlich geltende Gas Schwefelhexafluorid (SF6) verwendet. Deutschland ist der größte SF6-Emittent Europas.

PFAS sind in großer Menge in den Verbundstoffen der bis zu 80 Meter langen Rotorblätter der Windräder und in deren Beschichtung vorhanden. Bei dem Zerlegung ausgedienter Rotorblätter vor Ort und in noch größerem Umfang bei der Sprengung von Windrädern gelangen PFAS-kontaminierte Partikel in den Boden, der anschließend landwirtschaftlich nicht mehr nutzbar ist. Stillschweigend hingenommen wird auch der Eintrag von giftigem Mikroplastik durch den Oberflächenverschleiß der Rotorblätter in den Boden und in die Meere.

„Nachhaltiger Umbau“ misslungen
Laut der EU-Agentur ECHA könnten ohne einschränkende Maßnahmen allein in der EU in den kommenden 30 Jahren bis zu 4,4 Millionen Tonnen PFAS in die Umwelt gelangen. Unklar ist, mit welchem Anteil die dezentrale Stromerzeugung durch Naturenergien, zukünftige Wasserstoffproduktion und die E-Mobilität dabei berücksichtigt sind. Die Politik hat für das Ziel der sogenannten Transformation etliche schwerwiegende Nebenwirkungen in Kauf genommen, darunter auch, dass sich die „Ewigkeitsgifte“ in exponentiell gestiegenem Umfang in der Umwelt angereichert haben. Auch aus den Stellungnahmen der Wirtschaftsverbände geht hervor, dass ihr jeweiliges Geschäftsmodell aus dem Bereich der „grünen Technologien“ Vorrang vor einer sauberen Umwelt hat.

Politiker und Wirtschaftsvertreter sollten die jetzt aufgekommene Diskussion als Weckruf verstehen und bekennen, dass der im Green Deal der EU festgeschriebene „nachhaltige Umbau“ nicht gelungen ist. Schon die Bezeichnung ist aufgrund der bekannten Tatsachen widersinnig.


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