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Wohnungsmarkt

Enteignungspläne drohen zu scheitern

Staatsrechtler: Das Gesetz macht „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ einen Strich durch die Rechnung

Norman Hanert
11.10.2021

Parallel zu den Wahlen zum Bundestag und zum Landesparlament haben die Berliner am 26. September auch über die Initiative „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ abgestimmt. Doch obwohl der Volksentscheid mit 56,3 Prozent eine hohe Zustimmung erhalten hat, ist eine Umsetzung des Vorhabens keineswegs sicher. Die SPD-Spitzenkandidatin und Wahlgewinnerin Franziska Giffey hatte bereits im Wahlkampf deutlich gemacht, dass sie den Enteignungsplänen gegen große Wohnungsunternehmen ablehnend gegenüber steht. Durch Vergesellschaftung würden Entschädigungssummen in Milliardenhöhe fällig, „die nicht dazu führen, dass auch nur eine einzige neue Wohnung entsteht“, so Giffey.

Als voraussichtlich nächste Regierende Bürgermeisterin von Berlin kündigte Giffey dennoch an, das Ergebnis der Abstimmung respektieren zu wollen. Sie schränkte jedoch ein, erst müsse rechtlich geprüft werden, ob ein entsprechendes Gesetz auch umgesetzt werden könne. Wenige Tage vor dem Volksentscheid hatte bereits der Staatsrechtler Ullrich Battis ein Rechtsgutachten vorgelegt, das er für den Verein „Neue Wege für Berlin“ verfasst hat. Der wirtschaftsnahe Verein setzt sich für den Neubau von 100.000 Wohnungen im mittleren Preissegment ein, um die Lage auf dem Berliner Wohnungsmarkt zu entschärfen.

Giffey ist sowieso dagegen

In ihrem Gutachten weisen der emeritierte Berliner Professor sowie seine Mitverfasser von der Kanzlei GSK auf massive juristische Probleme im Zusammenhang mit dem Berliner Vergemeinschaftungsplan hin. An sich sieht der Artikel 15 des Grundgesetzes durchaus die Möglichkeit vor, „Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel“ in Gemeineigentum zu überführen. Bei der Vorstellung seines Gutachtens erklärte der Staatsrechtler allerdings, er könne „sicher voraussagen, dass es vom Bundesverfassungsgericht kassiert wird“. Wie beim Mietendeckel fehle es dem Land Berlin an der Gesetzgebungskompetenz, um überhaupt ein Vergesellschaftungsgesetz für Wohnungen zu erlassen. Battis und seine Mitautoren sehen diese Kompetenz beim Bund. Dieser habe aber bereits umfassende Regelungen im Bereich des sozialen Mietrechts erlassen, die dieselbe Sachmaterie betreffen. Und die Bundesländer dürften keine Gesetze zur Regelung von Sachverhalten erlassen, die der Bund bereits per Gesetz geregelt hat, so Battis.

Als ganz entscheidenden Punkt, warum das geforderte Vorgehen vor Gericht scheitern werde, sehen Battis und seine Mitautoren den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit an. Demnach sei der Eingriff in Privateigentum nicht erforderlich, „da dem Gesetzgeber etliche andere Maßnahmen zur Steuerung des Wohnungsmarktes zur Verfügung stehen“.

Für das Bundesverfassungsgericht könnte im Zusammenhang mit der Enteignung großer Wohnungsunternehmen auch die Frage der Gleichbehandlung eine Rolle spielen. Die Initiatoren des Volksentscheids „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ zielen auf Unternehmen mit mehr als 3000 Bestandswohnungen in Berlin ab. Die betroffenen Firmen können durchaus mit Recht argumentieren, dass es sich dabei um eine völlig willkürlich gesetzte Marke handelt. Bei der Vorstellung des Gutachtens ging Battis auch auf die Kosten des Vorhabens ein. Laut Schätzungen von Immobilienexperten sind von dem Plan zur Vergemeinschaftung ein Dutzend Unternehmen mit insgesamt etwa 243.000 Wohnungen betroffen.

Kosten bis zu 40 Milliarden Euro

Nach den Vorstellungen der Initiative „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ sollen die Unternehmen „deutlich unter Marktwert“ entschädigt werden. Vor diesem Hintergrund nannte die Initiative Entschädigungskosten, die in einem Bereich von 7,3 bis 13,7 Milliarden Euro liegen. Battis argumentiert dagegen, bei der Festsetzung der Entschädigungssumme dürfe der Verkehrswert der Immobilien „nicht beliebig weit unterschritten werden“. Zur Begründung für eine „echte Entschädigung“ verwies der Rechtsgelehrte auf siebzig Jahre Rechtsprechung. Dementsprechend geht Battis von Entschädigungskosten aus, die bis zu 40 Milliarden Euro betragen können.

Ein Konzept der Enteignungsaktivisten sieht obendrein vor, dass eine Anstalt öffentlichen Rechts Schuldverschreibungen ausgibt, mit denen die Wohnungsunternehmen entschädigt würden. Die Schuldverschreibungen sollen dann über einen Zeitraum von 40 Jahren aus Mieteinnahmen getilgt werden. Aus Sicht der Gutachter stellt dieser Weg aber eine verfassungsrechtlich unzulässige Umgehung der Schuldenbremse dar. Battis sprach im Zusammenhang mit den Vorstellungen einiger Akteure sogar von einer „ungeheuren Naivität“, wenn Zuwendungen des Länderfinanzausgleichs zur „Einführung des Sozialismus in Berlin“ genutzt werden sollten.


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Kommentare

Lutz Gerke am 22.10.21, 07:35 Uhr

Wenn die "Pläne" scheitern, dann will die Politik das so, und wenn die Enteignung kommt, auch.
Die EU-Kommission entscheidet, was durchgeht und was scheitert.

Während des Bankencrashs entstand eine neue Bewegung, Occupy. Ich fand die sehr gut, aber den Banken gefiel die nicht, der Regierung gefiel die nicht und der Presse ebenfalls nicht.
An Occupy konnte man sehen, wie schnell der Staat eine Bewegung ersticken kann.

Theo Tuell am 14.10.21, 15:54 Uhr

Ich störe mich etwas an der Formulierung "drohen zu scheitern". In diesem fall wäre das Scheitern doch etwas sehr Positives und Wünschenswertes. Da passt das Wort "drohen" doch überhaupt nicht. Ich würde eher Formulierungen verwenden wie z.B. "Scheitern wegen Verfassungswidrigkeit zu erwarten" oder "Scheitern zeichnet sich ab" etc.
Was mich wundert ist, dass offensichtlich verfassungswidrige "Volksbegehren" überhaupt zugelassen werden. Oder wäre ein Volksbegehren zur "Abschaffung des Grundgesetzes" zulässig?

Ich halte den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auch für den entscheidenden Gesichtspunkt. Aber dieser Grundsatz scheint immer mehr unter die Räder zu kommen bzw. oft gar nicht mehr angewendet zu werden. Oder ist es etwa verhältnismäßig, dass man wegen einer "Pimmel-Beleidigung", deren Urheberschaft unstrittig ist, eine Hausdurchsuchung mit allem Pipapo veranstaltet? Doch wohl kaum.

Tom Schroeder am 11.10.21, 16:06 Uhr

Obwohl Deutsche Wohnen und Vonovia mit zu den unverschaemtesten Vermietern gehoeren, die es im Lande gibt, gilt letztendlich immer noch die Garantie des persönlichen Eigentums - also auch das Eigentum der Firmen. Ansonsten wäre ein Wirtschaften kaum möglich und man käme auf den Stand der sozialistischen "Wirtschaftssysteme" (waren es denn welche?). Dass die Menschen die Mieten gut bezahlen können müssen ist auch klar- also mehr Wohnungsbau und weniger Reglementierungen und künstliche Verteuerungen - Sch.... auf das Klima. Wird das Leben aufgrund der Teuerungen unerträglich, wird man auch in D wieder sehen, dass die Politik nicht unendlich überziehen kann.

Siegfried Hermann am 11.10.21, 08:39 Uhr

Hier gehts mal wieder darum, Leute, die schon bis zum Hals unendlich Steuergeld nachgeworfen wird, noch mehr hinterher zu werfen!!! Es wurden/werden nur die Wohnklos "aufgekauft", die hoffnungslos "überschuldet" und absolut unrentabel sind.
Warum nicht das Pferd von hinten aufsatteln!?!?
WER hat denn vor Jahren VÖLLIG UNTER WERT und ohne jede Not die Wohnungen an die Wohnhaie verschachert??? Genau. Sozen, Linke, Grünen und sonst Buntes!!!
Und weil jede Menge Korruptions-geld geflossen ist, ist die Sache ganz einfach. Das Geschäft wird rückgängig gemacht, die Schreibtischtäter in den Knast gesteckt und als Abschreckung das 4x der damaligen Verkaufssumme von den Korrupierenden einkassiert, notfalls mit dem "Gerichtsvollzieher" und Beschlagnahmung weiteren "Firmeneigentums".
Und dieses ganze "Rechts"-Gequatsche der Mafia-Anwälte gleich mit in die Tonne.
So einfach ist datt!!

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