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Sie übernahm den Sitz der AdW am Gendarmenmarkt: Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
Bild: mauritius images / Schoening BerlinSie übernahm den Sitz der AdW am Gendarmenmarkt: Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften

„Theoria cum praxi“

Erkenntnis zwischen Fürst und Freiheit

Vor 325 Jahre gründete Kurfürst Friedrich III. die heutige Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften

Bernhard Knapstein
06.07.2025

Am 11. Juli 1700 legte Kurfürst Friedrich III. von Brandenburg mit der Gründung der Kurfürstlich Brandenburgischen Societät der Wissenschaften den Grundstein für eine der ältesten Wissenschaftsakademien Europas. 325 Jahre später ist die heutige Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW) nicht nur ein Hort des Wissens, sondern ein Spiegel der deutschen Geistesgeschichte mit all ihren Glanzlichtern, aber auch Schattenseiten. Die Akademiegeschichte spiegelt sowohl deutsche als auch europäische Geschichte: von Aufklärung und Aufstieg, von Missbrauch und Neuanfang. Sie ist ein Mahnmal für die Gefährdung wissenschaftlicher Freiheit, aber auch ein Symbol für die Resilienz der Vernunft.

Die Akademiegründung war kein isoliertes Ereignis, sondern Ausdruck einer europäischen Entwicklung. Die Fürsten hatten die Wissenschaft als Motor gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Entwicklung erkannt. Kurfürst Friedrich III., der sich 1701 in seinem souveränen Herzogtum Preußen selbst zum König krönte, war geradezu beseelt von dem Gedanken, Brandenburg-Preußen in die Riege der modernen Staaten zu führen. Wissenschaft war dabei ein Instrument politischer Repräsentation und zugleich Mittel zur Staatsentwicklung.

Mit Gottfried Wilhelm Leibniz fand Friedrich einen kongenialen Berater. Der Universalgelehrte formulierte eine ebenso pragmatische wie idealistische Vision: „Theoria cum praxi“ – Wissenschaft mit praktischem Nutzen solle das Fundament der Akademie sein. In einem Schreiben an Friedrich erklärte er: „Eine Societät der Wissenschaften, wohl eingericht, wird nicht allein die Ehre des Landes vermehren, sondern auch Nutzen und Ansehen in allerley Ständen bringen.“ Die neue Sozietät sollte kein elitärer Zirkel sein, sondern ein Laboratorium für Fortschritt. Naturwissenschaften, Philosophie, Technik, Medizin und Geschichtswissenschaften sollten im Dienst des Staates, aber auch der Allgemeinheit stehen. Die Akademie war von Beginn an interdisziplinär, international und zweigeteilt in eine Klasse für mathematisch-naturwissenschaftliche und eine für geisteswissenschaftliche Forschung.

Akademie der Wissenschaften der DDR (AdW)
Im 18. Jahrhundert entwickelte sich die Akademie zu einer angesehenen Institution. Forscher wie Leonhard Euler oder Joseph-Louis Lagrange prägten das mathematisch-naturwissenschaftliche Profil. Die Aufklärung fand in Berlin einen institutionellen Resonanzraum. Dennoch blieb die Akademie abhängig von Hof und Herrschaft. Ihre Freiheit war stets relativ zur politischen Großlage – ein Umstand, der bis heute Gültigkeit besitzt.

Im 19. Jahrhundert erlebte die Akademie mit der preußischen Bildungsreform eine neue Blüte. Wilhelm von Humboldts Ideen zur Einheit von Forschung und Lehre beeinflussten das Wissenschaftsverständnis nachhaltig. Doch auch hier galt: Die Akademie war Teil eines monarchischen Systems, das Wissenschaft für nationales Prestige nutzte.

Mit dem Ersten Weltkrieg und der Weimarer Republik begannen turbulente Zeiten. Die Akademie geriet in einen Identitätskonflikt zwischen nationaler Verpflichtung und internationaler Zusammenarbeit. Während der NS-Zeit wurde sie in die nationalsozialistische Ideologie eingebunden. Jüdische Mitglieder wurden ausgeschlossen, kritische Stimmen unterdrückt. Die Akademie verlor ihre wissenschaftliche Integrität und wurde zum Instrument der Diktatur.

Nach dem Zweiten Weltkrieg zerschlug die Spaltung Deutschlands auch die Wissenschaftslandschaft. In der DDR wurde 1946 die Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin (DAW) gegründet, später in „Akademie der Wissenschaften der DDR“ (AdW) umbenannt. Sie verstand sich als sozialistische Forschungsinstitution mit zentraler Planwirtschaft der Wissenschaften. Zwar wurden große Forschungsprojekte realisiert, doch war die Akademie eng an die Staatsdoktrin gebunden.

In West-Berlin wurde parallel die Tradition der ursprünglichen Sozietät bewahrt. 1987 wurde im Westteil Berlins die Akademie der Wissenschaften zu Berlin (AWB) gegründet. Die Kluft zwischen den beiden Akademien spiegelte die ideologische Trennung Deutschlands wider. Wissenschaft war hier nicht nur Erkenntnissuche, sondern Teil des Systemwettstreits.

Akademie der Wissenschaften zu Berlin (AWB)
Zwei Jahre nach der deutschen Vereinigung entstand die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften als Nachfolgeinstitution, getragen nun nicht mehr von Preußen oder der DDR, sondern von den beiden Bundesländern Berlin und Brandenburg. Die BBAW zählt die Akademie der Wissenschaften zu Berlin zusammen mit der Preußischen Akademie der Wissenschaften und der aus dieser hervorgegangenen Akademie der Wissenschaften der DDR zu ihren Vorgängereinrichtungen. Die Herausforderung war enorm: die Integration der beiden Wissenschaftstraditionen, jener der sogenannten alten Bundesrepublik und jener der DDR, die Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit, der Aufbau neuer Strukturen.

Heute steht die BBAW für exzellente Forschung und den Dialog zwischen Wissenschaft und Gesellschaft. Große Langzeitprojekte wie das Deutsche Wörterbuch der Gebrüder Grimm oder die Edition der Werke von Karl Marx und Friedrich Engels zeugen von wissenschaftlicher Ausdauer. Interdisziplinäre Arbeitsgruppen, beispielsweise zu Klimaforschung, Digitalisierung oder Ethik in den Lebenswissenschaften, zeigen die Aktualität, aber auch die Zeitgeistgebundenheit der Akademiearbeit.

In einer Zeit von Wissenschaftsskepsis und gesellschaftlichen Polarisierungen hat die Akademie eine Verantwortung. Sie muss Vertrauen in wissenschaftliche Rationalität stärken, Brücken bauen und Debatten über die großen Fragen der Zeit mitgestalten. Dabei muss sie ihrer Maxime treu bleiben: „Theoria cum praxi“.


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