20.04.2024

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Ostpreußischer Missionar

Ernst Kasenzer, ein evangelischer Märtyrer

Der Volksprediger aus Skungirren schloss sich der Bekennenden Kirche an – Vor 80 Jahren starb er im KZ Dachau

Martin Stolzenau
30.01.2023

Die Volksmission hat eine lange Geschichte. Am Anfang standen Wander-, Buß- und Sittenprediger. Dazu zählten bekannte Namen der Kirchengeschichte wie Bernhardin von Siena und Hieronymus Savonarola.

Nach der Reformation pflegten auch die protestantischen Kirchen Formen der Volksmission. Als deren Blütezeit gilt die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts, als es zum Kirchenrecht gehörte, alle zehn Jahre eine Volksmission abzuhalten, um über verschiedene Aktivitäten das Glaubenswissen und die Glaubenspraxis zu vertiefen. Für die Evangelisch-lutherischen Kirchen erlangte in diesem Zusammenhang Pastor Johann Heinrich Wichern besondere Bedeutung, der die „Innere Mission“ begründete.

Dazu verfasste Gerhard Hilbert 1916 das Buch „Die kirchliche Volksmission“, das zur zweiten Bibel dieser Bewegung gedieh und in den Evangelischen Deutschen Verband für Volksmission einmündete, der 1926 entstand. Hauptträger dieser Evangelisationsbewegung waren die evangelischen Volksmissionare, die als Wanderprediger durch das Land zogen.

Bekannter Volksmissionar der Weimarer Republik

Zu den bekanntesten Volksmissionaren der Weimarer Republik gehörte Ernst Kasenzer aus Ostpreußen, der dann als Kritiker der Nationalsozialisten Mitglied der Bekennenden Kirche (BK) wurde, deshalb zunächst ins Konzentrationslager (KZ) Buchenwald kam und im KZ Dachau vor 80 Jahren an Entkräftung verstarb. Er gilt heute als NS-Opfer und gehört zu den evangelischen Märtyrern des 20. Jahrhunderts. Mit dem Thema der Volksmission und dem Wirken Kasenzers beschäftigen sich inzwischen verschiedene Schriften.

Kasenzer wurde am 19. Juni 1891 in Skungirren [Penki] geboren. Der kleine Ort an der früheren deutschen Reichsstraße 1 nahe Insterburg und Königsberg, der im Dritten Reich den Namen „Scheunenort“ trug, gehört zum Königsberger Gebiet. Skungirren hatte eine überwiegend evangelische Bevölkerung, und Kasenzers Familie gehörte dazu. Er gilt heute als die bekannteste Persönlichkeit des Orts. Kasenzer absolvierte zunächst das Gymnasium in Insterburg, wurde streng evangelisch erzogen und machte nach dem Schulabschluss eine Kaufmannslehre. Dabei engagierte sich der junge Mann immer stärker für seinen Glauben bis dahin, dass er einen Beitrag leisten wollte zur Vertiefung des Glaubens anderer. So wurde Kasenzer Volksmissionar. Er zog von Osten nach Westen durch die Lande und stellte sich dabei in den Dienst verschiedener Landeskirchen.

Lange Zeit wirkte der Volksprediger aus Ostpreußen in Mitteldeutschland und vor allem in Thüringen. Dort lernte er Hanna Müller kennen, die Tochter des Pfarrers von Wenigensömmern, die ihn in seinen Glaubensaktivitäten ergänzte und schließlich seine Frau wurde. Der Ort, der 876 erstmals urkundlich erwähnt wurde, lange zum kursächsischen Amt Weißensee gehörte, 1815 zu Preußen kam und heute im Landkreis Sömmerda liegt, wurde mit der Kirche St. Nikolaus eine Hauptwirkungsstätte Kasenzers.

Doch nach der „Machtergreifung“ durch die Nationalsozialisten wurde das Auftreten von Kasenzer in ganz Mitteldeutschland in wachsendem Maße erschwert, zumal der Volksmissionar sich öffentlich mit deutlichen Worten gegen das NS-Regime wandte.

Kasenzer zählte zu den mutigen evangelischen Kritikern der Nationalsozialisten, ließ sich auch durch Drohungen nicht einschüchtern, und trat der Bekennenden Kirche bei. Das war ein Schritt, der seine Zivilcourage verdeutlicht. Die BK war zur Oppositionsbewegung evangelischer Christen geworden, die sich gegen die staatlich verordnete Gleichschaltung der Deutschen Evangelischen Kirche (DEK)durch die Nationalsozialisten zur Wehr setzte. Die BK konstituierte sich im Mai 1934, hatte viele namhafte Repräsentanten der Evangelischen Kirche als Mitglieder, die den Schulterschluss mit dem Regime ablehnten, und bildete ein Gegengewicht zur NS-Sympathie vieler evangelischer Kirchenführer.

Deutliche Worte gegen das NS-Regime

Die BK-Mitglieder leisteten teilweise auch aktiven Widerstand. Kasenzer zählte zu diesen Aktivisten des antinationalsozialistischen Widerstands. Das gedieh für den Volksmissionar zur Gratwanderung. Seine NS-kritische Haltung führte schließlich nach jahrelanger Beobachtung am 5. März 1942 zu seiner Verhaftung.

Damit begann der Leidensweg des mutigen Volksmissionars. Kasenzer kam zunächst ins Polizeigefängnis von Weimar, wurde nach vier Wochen ins Konzentrationslager Buchenwald auf dem Ettersberg bei Weimar überführt und nach einem Vierteljahr als Pfarrer ins Konzentrationslager Dachau verlegt, wo er mit der Häftlingsnummer 30640 in den dortigen Pfarrerblock eingewiesen wurde. Dabei entriss man ihm die Bibel, das Buch, das ihm bis dahin Trost gespendet hatte.

Die Lagerzustände und die Übergriffe durch die Wachmannschaft beschleunigten den körperlichen Verfall des Volkspredigers. Kasenzer lebte in Dachau nur wenige Wochen und starb am 1. Februar 1943 im Konzentrationslager. Seiner Ehefrau wurde als Todesursache „Lungenentzündung“ mitgeteilt.


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