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Ostpreußen

Ernst Wiechert: Trauer, Trost und Dankbarkeit

Der Lyriker und Dramatiker war ein erbitterter Feind der Nationalsozialisten mit einer Aktualität, die bis ins Heute reicht

Bärbel Beutner
18.08.2024

Der August bringt der „Internationalen Ernst-Wiechert-Gesellschaft“ e.V. (IEWG) eher ernste Erinnerungstage. Denn der Dichter Ernst Wiechert (1887-1950) verstarb am 24. August 1950. Die Wiechert-Gesellschaft steht bereits in den Vorbereitungen zu seinem 75. Todestag im Jahre 2025 und plant einen weiteren Band ihrer „Schriftenreihe“.

Darin soll der Dichter als Lyriker und als Dramatiker vorgestellt werden, und sein großer Ostpreußen-Roman „Die Jerominkinder“ wird ein Kernstück der Anthologie bilden. Die masurische Heimat Wiecherts prägt auch die Beiträge zu seinem Lebenslauf. Geboren 1887 im Forsthaus Kleinort im Kreis Sensburg, verbrachte er seine Schulzeit in Königsberg, studierte an der Albertina und unterrichtete bis 1929 als Gymnasiallehrer unter anderem am Hufengymnasium, während er sich gleichzeitig einen Namen als Schriftsteller machte. Erst mit dem Umzug nach Berlin 1930 begann für ihn ein neuer Lebensabschnitt fern von Ostpreußen, das jedoch weitgehend Schauplatz seiner Werke blieb.

Der politischen Aktualität Wiecherts wird der neue Band der Schriftenreihe besonders gerecht werden. Sein Widerstand im Dritten Reich als Dichter der „Inneren Emigration“ lässt sich übertragen auf andere totalitäre Regime. Und die Frage der „Revolution“ führt offenbar zur Auseinandersetzung mit Wiechert bis hin zu den Studentenaufständen 1968, wie ein Beitrag verspricht. Wiecherts Bekenntnis zur Nächstenliebe, zum Schutz der Schwachen und zur Achtung vor dem Menschengesicht wird gerade heute wieder zur nachdrücklichen Mahnung angesichts der militärischen Auseinandersetzungen und Menschenrechtsverletzungen.

Deutsch-russische Freunde
Der August ruft bei den Wiechert-Freunden die Erinnerung an einen sehr schmerzlichen Verlust hervor. Denn am 18. August jährt sich der Todestag einer besonderen russischen Wiechert-Freundin und Mitarbeiterin der IEWG. Lidia Natjagan (1944–2023) war eine der wichtigsten Persönlichkeiten für die Zusammenarbeit der deutschen und russischen Wiechert-Freunde. Als Germanistin und Deutschlehrerin gründete sie gleich nach der Öffnung des Königsberger Gebietes 1991/92 zusammen mit dem Dichter Sem Simkin (1937–2010) eine russische Sektion der Wiechert-Gesellschaft. Ein Meilenstein war die Einweihung eines Gedenksteins vor dem früheren Hufengymnasium am Zoologischen Garten. Natjagan wurde die erste Übersetzerin des Werkes Wiecherts ins Russische. Sie übersetzte seine Lebenserinnerungen „Wälder und Menschen“ und „Jahre und Zeiten“. Mit dem Band „Ostpreußen im Werk Ernst Wiecherts“ brachte sie den russischen Landsleuten ihre neue Heimat nahe. 2017 erschien zum 130. Geburtstag des Dichters der Band „Ernst Wiechert - ein Dichter des Widerstandes im Dritten Reich“. Unter schwerer psychischer Belastung übersetzte Natjagan den KZ-Bericht „Der Totenwald“, die drei Reden Wiecherts gegen den Nationalsozialismus und einige weitere, wirklich erschütternde Gedichte. Ihren Plan und Wunsch, den Roman „Das einfache Leben“ zu übersetzen, konnte sie nicht mehr verwirklichen. Am 18. August 2023 verließ sie die traurige Wiechert-Familie.

Junge Wiechert-Gemeinschaft
Ehrende Nachrufe erschienen bereits im „Königsberger Express“ und ausführlich in den „Wiechert-Briefen“. Natjagan und Simkin waren Träger des von der Stadtgemeinschaft Königsberg verliehenen Ernst-Wiechert-Preises. Der Anstoß, des ersten Todestages von Natjagan noch einmal zu gedenken, kam aus Königsberg. Dort hatte sie den Kontakt zu einer Gruppe junger Leute aufgebaut, die sich „Wiechert-Gemeinschaft“ nennen und in ihr ihre Mentorin sehen. Denn sie feiern Wiecherts Geburtstag am 18. Mai jedes Jahr mit Ausstellungen und Lesungen, die sie mit den russischen Übersetzungen durchführen können. Im Mai 2024 kam eine Mail aus Königsberg, dass Wiecherts Geburtstag begangen worden sei, mit Trauer im Herzen um Natjagan, aber auch mit großer Dankbarkeit für sie. Natjagan hat einen entscheidenden und maßgeblichen Schritt in die Zukunft gemacht und damit einen wichtigen Beitrag zu einem verbesserten Verhältnis von Deutschland und Russland geleistet.


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